Längst war die DDR untergegangen da hielt sich - faktisch bis ins Jahr 1992 - ihr intellektuelles Beiboot, die Akademie der Künste in Ostberlin noch über Wasser. Lange hatte man sich, unter der Führung Heiner Müllers, als Rettungsboot verstanden, als Schiff der Hoffnung, das erhebliche Teile der DDR-Kultur zu neuen Ufern bringen sollte. Doch im Umfeld des Staatsvertrages zur Übernahme der Ost-Akademie in die West-Akademie, ging die Hoffnung verloren und auch die Ost-Akademie. Christel Berger, die frühere Mitarbeiterin der Sektion Literatur an der Ost-Akademie, unternimmt mit ihrem zweibändigen Buch "Als Magd im Dichter-Olymp" den Tauchgang zur versunkenen Akademie, um Schätze ihrer Geschichte zu retten, bevor diese Institution im Sediment des Vergessens vermodert.
Was wahrscheinlich keiner mehr glauben mag, aber in der DDR-Akademie waren unter den korrespondierenden Mitgliedern zeitweilig internationale Größen wie Pablo Picasso, Dimitri Schostakowitsch und Vittorio de Sica. Und auch die Sektion Literatur konnte mit Namen wie Thomas Mann, Alfred Döblin oder Pablo Neruda glänzen. Die DDR, heute nur noch als Vorlage für die permanenten Stasi-Opern genutzt, hatte mit ihrer 1950 gegründeten Akademie lange Jahre eine Einrichtung von internationalem Rang, den die Autorin noch 1981, als sie dort ihre Arbeit begann, mit korrespondierenden Mitgliedern aus der ersten Reihe der Literatur wie Gabriel Garcia Marques, Peter Weiss und Tschingis Aitmatov bestätigt fand. Doch schon in dieser Zeit begriff sich die Akademie wenn nicht als Rettungsboot so doch als "Rettungsbrigade", die immer, wenn die Staatsführung sich widersinnig in den Kulturbetrieb der DDR einmischte, zur Stelle war, um Kulturprojekte zu retten.
Es gibt zwei herausragende politische Ereignisse bei denen die DDR-Akademie eine wichtig Position einnahm. Zum einen spielten bei der Ausbürgerung Biermanns prominente Mitglieder der Akademie einen protestierende Rolle: Christa Wolf, Stefan Hermlin und Franz Fühmann gehörten im November 1976 zu den ersten Künstlern, die einen offenen Brief gegen die Ausbürgerung unterschrieben, Christel Berger berichtet ausführlich über die folgenden Debatten und auch über die zaudernde Haltung der Akademie-Mehrheit. Die von Berger breit dokumentierte "Berliner Begegnung zur Friedensförderung" im Jahr 1981, bei der Schriftsteller aus Ost und West sich auf Initiative Stefan Hermlins in der Akademie trafen, war damals auch Thema in den westlichen Medien. Zwar gab es Versuche aus dem Westen den Dialog zu torpedieren - darunter eine Kampagne von Marcel Reich-Ranicki gegen das Treffen. Aber die gesellschaftliche Stimmung in der Bundesrepublik, geprägt von den Millionen Unterschriften unter den "Krefelder Appell" gegen die Nachrüstung, ließ eine grundsätzliche Diffamierung nicht zu.
Neben einer Reihe liebevoller Portraits der "Götter" Christel Bergers - unter ihnen Hermlin, Hacks und Fühmann - ermöglicht ihr Buch einen großartigen Blick auf die Bedeutung der Literatur in der DDR: Auf deren Schattenseiten, wenn die Obrigkeit mal wieder Repressionen gegen Schriftsteller einsetzte, um sie zu disziplinieren. Aber auch auf die lichten Seiten, wenn die Literaten und ihre Akademie in persönlichen Gesprächen mit der Staatsführung versuchten ihre Postionen durchzusetzen, zuweilen sogar mit Erfolg. Gespräche des Präsidenten der heute vereinigten Akademie mit Angela Merkel sind eher nicht denkbar. Obwohl ihr jetziger Präsident, der brave SPD-Parteisoldat Klaus Staeck zum Kanzler Schröder vielleicht einen Zugang gehabt hat.
Christel Berger hat Schätze gehoben: Aus einer Fülle von Dokumenten und aus ihrer eigenen Erinnerung. Sie hat an eine Institution erinnert, die schon durch die Namen ihrer Präsidenten - unter ihnen Arnold Zweig, Konrad Wolf und Heiner Müller - ein starkes Stück deutscher Kultur repräsentierte. Und Berger macht zugleich im fatalen Einheitsprozess der Akademie Ost und der Akademie West die Fragwürdigkeit des WIE der deutschen Einheit deutlich wenn sie aus einem Brief der Berliner Senatskanzlei zitiert, in dem eine "gereinigte" Akademie Ost die Voraussetzung für eine Einigung sei. Dass die "Reinigung" nicht weit von der stalinistischen "Säuberung" entfernt ist, zeigt nur, wie nahe sich die Funktionseliten in Ost und West waren.
Bei allem Lob muss man allerdings auf eine Unwahrheit in Bergers Buch hinweisen: Die Autorin bezeichnet sich schon im Titel als "Magd" und setzt diese Behauptung im Text fort. Wer diese energische Person, Tochter einer Arbeiterfamilie aus Thüringen kennt, der weiß, dass diese Bezeichnung eine faustdicke Lüge ist.