Dass die Werbung für das Buch „Poltische Köpfe im Porträt“ mit einem Text von Uli Gellermann beginnt, hat mit seiner Eitelkeit zu tun. Aber auch mit der Hoffnung, dass die Leser der RATIONALGALERIE ein Buch mit Gellermann so interessant finden, dass sie es kaufen. Und vom Kauf leben der österreichische Verlag PROMEDIA und der Main-Frankfurter Herausgeber Björn Gschwendtner, der auch die Zeichnungen der Köpfe gefertigt hat. Zu den Köpfen: Eine Reihe von Texten darüber wie die Portraitierten zur Politik gekommen sind.
In der Umgebung von Franz Alt, Ken Jebsen oder Ernst Ulrich von Weizsäcker - sie alle und viele andere kluge Leute sind mit Texten im Buch präsent – fühlt sich Gellermann wohl. Ob er diese erlauchte Gesellschaft verdient hat, mag der Leser beurteilen. Sicher ist es eine Gesellschaft, die mit Recht als „Galerie der Systemkritik aus Journalismus, Wissenschaft und Politik“ untertitelt worden ist. All diese Köpfe produzieren den Stoff, aus dem Opposition geformt wird.
GELLERMANN - IMMER NOCH DER BUNDESWEHR DANKBAR
„Immer noch bin ich der Bundeswehr dankbar. Die hatte mich 1966 als Wehrpflichtigen mit den Grundzügen westlicher Politik vertraut gemacht: Der Westen ist gut, der Osten ist böse. Deshalb sollten wir jungen Soldaten damals auch im Ernstfall die Atomraketen, die wir in unserer Kaserne in Nienburg an der Weser hüteten, immer gefechtsbereit halten. Dort lernten wir auch, dass man den Atomkrieg überleben kann. Diese populäre Lüge – immerhin erzählte man in den Medien dieser Zeit auch von Aktentaschen, die ein prima Schutz gegen den Atomtod wären – glaubten nicht mal mehr unsere Ausbilder so richtig. So entstanden bei mir die ersten Risse im Glauben an den Staat.
Mit diesen Zweifeln bewaffnet, traf ich auf die ersten Ostermarschierer, die frühen Gründer der westdeutschen Friedensbewegung. Die sangen auf ihren Demonstrationen ein anderes Lied von den Atomwaffen, das Lied vom Tod, von Strontium, einem Zerfallsprodukt atomarer Spaltung: „Schluss mit Strontium 90, es vergiftet alle Welt/Dein Blut wird weiß, du bist in Gefahr/Dein Haar fällt aus, du wirst unfruchtbar/Deine Knochen verrotten, du weißt es nicht/Deine Zähne verfaulen dir im Gesicht“. Das garstige Lied hatte keine gute Presse. Eigentlich gar keine. Sein Autor, Gerd Semmer, war den gängigen Medien unbekannt, sein Text wurde auf Straßen gesungen, nicht im Radio oder in Sälen. Diese mangelnde Medienresonanz fügte dem Zweifel am Staat den Zweifel an den herrschenden Medien hinzu.
Die Erfahrungen des Todschweigens gingen in den Jahren 1967/68 in Erfahrungen mit der öffentlichen Verleumdung über. Lange schon hatten die Zeitungen und Sender, wenn sie mal nicht über die Opposition schwiegen, die Waffe der Verdächtigung zum Einsatz gebracht: Wenn es die Friedensbewegung überhaupt gab, dann nur in der Form der Agenten einer fremden Macht. Angeblich diente sie den Interessen Moskaus, der Russen, der Kommunisten. Doch zu begreifen war, dass der Krieg auch ein Kind der Nazis gewesen war. Hatten die Nazis nicht nur einen Großteil der europäischen Juden umgebracht, wie es in den 1963 veröffentlichten Auschwitzprozessen deutlich wurde? Wer hatte eigentlich an Krieg und Judenmord verdient? Unversehens bekam der beginnende Pazifismus einen Zug ins allgemein Antiautoritäre und ins Antikapitalistische.
Schmuddelig seien die zumeist jungen Alternativen, die man später die „68er“ nennen sollte, undeutsch, frech und fremdgesteuert hieß es mit Vorliebe in den Zeitungen des Springer-Konzerns. Dessen Bild-Zeitung stand an der Spitze der Hass- und Verleumdungskampagne, und so wie der Konzern Feindbilder über die außerparlamentarische Opposition verbreitete, so wurde er in dieser Opposition selbst zum Feindbild: Wenn einer so viele Lügen über die Alternative verbreitet, der müsse nach Meinung der APO, der außerparlamentarischen Opposition, enteignet werden. Die Anti-Springer-Kampagne war geboren und von zwei Gedanken beseelt: Der Manipulation von Meinungen und von Massen müsse ein Ende gemacht werden und der Besitz an Meinungsapparaten solle unter eine allgemeine, eine gesellschaftliche Kontrolle gestellt werden.
Während die Medien noch mit der rührenden neuen Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich gefüllt waren, hausten Soldaten des französischen Freundes brutal in einem ihrer Kolonial-Länder, um eine Unabhängigkeitsbewegung zu erwürgen: In Vietnam. Das Morden und Brennen im geschundenen Vietnam sollte bald der größte deutsche Freund aller Zeiten, die USA, übernehmen. Von 1955 bis 1975 dauerte der Krieg, den die Vietnamesen den „amerikanischen“ nennen. Die westdeutschen Friedensfreunde galten offiziell schnell als „antiamerikanisch“, als sie sich auf die Seite des kleinen Vietnam stellten, um den nordamerikanischen Riesen von weiteren Verbrechen abzuhalten.
In Ostdeutschland, in der DDR, gab es sogar eine Briefmarke mit dem Kopf des Präsidenten Vietnams, der schon 1957 Staatsgast in der DDR gewesen war. Und wer wie ich als Journalist und Filmkritiker unterwegs war, der musste den brillanten Antikriegs-Film „Piloten im Pyjama“ (1967) von Heynowski & Scheumann kennen. Obwohl die oppositionellen Medien der 68er-Zeit zumeist Flugblätter waren – jene nachts in der Kneipe geschriebenen Aufrufe, die nicht selten mit „Weg mit!“ begannen und mit „Her mit!“ endeten, war mir dank der DDR-Filmemacher klar: Das bewegte Bild ist das bewegende Element. So kam ich zum Thema Film und später dann zum Video, da war der Schritt zu YouTube nicht mehr ganz so weit.
Aus dem Kampf gegen die deutsche Wiederbewaffnung, dem Kampf gegen den Atom-Tod und die westdeutsche Partnerschaft mit den mörderischen Kriegseinsätzen der USA schälte sich ein Prinzip heraus: Die da Oben profitieren von Krieg und Unterdrückung, wir da Unten müssen dagegenhalten, wenn wir nicht im Krieg gegen Krieg und Ausbeutung unser Rückgrat verlieren wollen. Und ganz klar war immer: Die Medien sind – nur Ausnahmen bestätigen die Regel – immer auf der Seite von denen da Oben. Das galt für die Privaten und gilt bis heute auch für die Öffentlich-Rechtlichen. Seit diesen Tagen hat sich das “Unten-Oben“-Schema nicht geändert, seit diesen Tagen weiß ich, dass mein Platz „unten“ ist. Von diesem Platz geht meine gesellschaftliche Existenz aus. Aus dieser Sicht schreibe ich seit damals bis heute, auch und gerade auf meiner Website, der “Rationalgalerie“. Aus dieser Perspektive gestalte ich die Video-Serie “Die Macht um Acht“, eine andauernde Analyse der „Tagesschau“, stellvertretend für den herrschenden Medienzirkus dessen Direktor auf der Regierungs- und Kapitalbank sitzt und dessen Clowns in den Redaktionen der Massenmedien.“
Das Link zum Buch:
https://bjoern3000.de/buch-politische-koepfe-im-portraet/