Ein Mensch des Islam, ein Diplomat aus Fez, der, von Piraten gefangen und dem Papst übergeben, lange Zeit als Christ in Rom lebt, um dort ein Buch über seine afrikanischen Reisen zu schreiben: Das könnte eine Figur von Noah Gordon sein, ein »Medicus« auf arabisch, mit eingebautem Religionskonflikt. Aber es gab ihn tatsächlich, den Al-Hasa ibn Muhammad al-Wazzan, der nach seiner Taufe zu Leo Africanus wurde. Sein Buch wurde um 1550 veröffentlicht, ein früher Bestseller, und die fraglos hochgebildete Historikerin Natalie Zemon Davis schreibt nun über ihn und der Wagenbach-Verlag gibt das reich bebilderte, prächtige Buch an die Leseröffentlichkeit weiter. So weit, so hoffnungsfroh.
»Für mich«, schreibt Natalie Zemon Davis, »ist Leo Africanus ein Mann mit einer doppelten Sichtweise, der zwei kulturellen Welten angehört.» Darin läge, in Zeiten des nur scheinbar kulturellen Konfliktes zwischen den christlich und den islamisch geprägten Welten, der große Reiz: Einer lebt in zwei Kulturen und macht, mittels Schreiben, die eine für die andere transparent, kann also zur Beilegung von Miss- und Unverständnis beitragen. Mehr noch kann die Historikerin, die sich des Mannes annimmt. Sie hat den ganzen Mittelmeer-Raum als Bühne. Jenes Stück Welt in dem sich, nehmen wir als Eurozentristen China aus, das komplette Welttheater abspielte.
Spanien hatte sich, mit der Entdeckung Amerikas und dem Diebstahl des dort vorhandenen Goldes zur christlichen Hauptmacht entwickelt. Die Türken, lange nach der Eroberung von Konstantinopel, dehnen ihre Macht bis nach Nordafrika aus. Die katholischen Franzosen, um sich gegen die Spanier zu behaupten, gehen ein temporäres Bündnis mit den islamischen Türken ein. Die italienischen Stadtstaaten steigen zu Welthändlern auf und befeuern die Renaissance. Das alles geschieht in der zeitlichen Gegend von 1518, jenem Jahr in dem Leo Africanus ausgerechnet einem Medici-Papst, Leo X, übergeben wird, jenem Papst, der gerade versucht einen Kreuzzug gegen die Türken vorzubereiten.
Wie spannend könnte es sein, wenn man, mit der Figur des vom Papst getauften, zwangsbekehrten Leo Africanus, den christlich-islamischen Konflikt der Ideologie entkleiden würde und den dahinter versteckten Handelskrieg sezierte. Wie interessant wäre, selbst wenn nur implizit, einen Vergleich der Macht über die Sklavenmärkte damals und der Macht über den Ölmarkt heute anzustellen. Aber dazu müsste die Autorin die Sklaven zum Beispiel nicht als folkloristisches Beiwerk eines abenteuerlichen Lebens begreifen, sondern als wesentlichen Teil einer ökonomischen Bewegung, als Treibstoff der damaligen Wirtschaft. Statt dessen geht sie den Weg des Namen- und Wissensdropping, Rabelais kommt vor, Machiavelli wird erwähnt und auch der Sacco di Roma. Sie beginnt ihre Sätze gerne mit »hätte, könnte, wäre«, um einen Reise- und Lebensbericht aufzuwerten, der gar nicht aufgewertet werden muss sondern in Beziehung gestellt werden sollte: Solcher ökonomischer, politischer und militärischer Art, damit die Leser die Chance haben die Figur in ihrer Zeit und deren Zusammehänge zu begreifen.
Nun neigen Kritiker dazu, wenn ihre Erwartungen enttäuscht werden, und die meinen waren hoch, dem Autor das eigene Erlebnis anzulasten. Im Versuch gerecht zu sein, sollte nicht unerwähnt bleiben, dass im Buch das eigentliche des Leo Africanus »Die Beschreibung Africas» partiell enthalten ist. Zweifellos ein Gewinn. Doch der Historiker und auch der historisch interessierte Laie, hätte dann doch lieber das Original statt seiner zitierenden Einbettung in ein vermutetes Leben. Und so kommt die sicher mühevolle Arbeit der Autorin daher wie eine Doku-Fiction, jene TV-Filme, in denen ein Kamel im Bild ist, wenn von der Wüste die Rede ist und Füße in Sandalen, wenn beschwerliches Reisen illustriert werden soll. Was im Fernsehen schon schlecht ist, bekommt einem Buch erst recht nicht: Es kommt nicht auf die Nennung von Machiavelli an, sondern auf dessen Ursache und dessen Wirkung.