Da leben sie in Löbau-Ost, im Landkreis Görlitz, im Plattenbau, die Hartz-Vierer, die Verlierer der Marktwirtschaft, die Opfer im Krieg des Profits. Und weil sie nur Hartz IV bekommen, darf ihnen nur eine bestimmte Menge Wohnraum zur Verfügung stehen. Aber manche von denen im Osten von Löbau hatten doch glatt einen Raum mehr als die allmächtige Hartz-Behörde gestattete. Und weil es passende Wohnungen nicht gab, schloss ihnen die Wohnungsverwaltung das überzählige Zimmer einfach zu. Auch darüber erzählt "White Box", der Dokumentarfilm von Susanne Schulz.

Vor allem aber spürt Susanne Schulz, den Menschen in Löbau-Ost nach: Den russischen Aussiedler-Mädchen, die nicht mehr in ihre Zimmer dürfen, denen ihre eigenen Zimmer genommen wurden. Sie redet mit ihnen über ihre Träume, die so sind wie die der anderen Mädchen auch, nur um den Traum vom eigenen Zimmer erweitert. Die Regisseurin geht in die Disco im Plattenbau, sie beobachtet die Leute ohne Arbeit, die trotzdem viel zu tun haben, sie gibt den Menschen aus der Statistik, den Leuten aus den Schlagzeilen ein Gesicht.

Es war ein mal ein kleiner Ort in der DDR. Wie wir aus der Geschichtsschreibung der Sieger wissen, war es dort immer nur grau und schrecklich. Dann kam die Wende und wo alles besser werden sollte, bleibt einem älteren Kollegen, der gemeinsam mit anderen Holzarbeiten für gemeinnützige Einrichtungen erledigt, nur der Satz: "Wir hatten uns das auch mal anders vorgestellt." Heute rätselt er auf Geheiß der Regisseurin darüber, was denn positiv an Löbau sei und rasselt die dürren Worte runter, die im Reiseführer stehen. Denn Löbau gehört zu den vielen Städten im Osten, durch die man durchfährt, gern in den Westen, wo es Arbeit gibt.

Rund hundert Zimmer sind in Löbau-Ost verschlossen. Und die, denen man die Zimmer genommen hat, können Geschichten erzählen. Auch die Oma, die als Russin mal im deutschen "Konz-Lager", im Konzentrationslager, war und später als "Volksdeutsche" ins heutige Deutschland aussiedeln durfte. Spätestens hier merkt man, dass die Schilderung elegischer Impressionen allein nicht reicht, um die Facetten der Wirklichkeit, das Kafkaeske des deutschen Alltags zu erfassen: Wie kam sie ins Lager, die Oma? Warum ist sie in genau dieses Land zurück gekommen? Das hätte man schon gern gewusst.

Schulzes Bilder, von der Tanzgruppe der Mädchen, die so sehr alle Sehnsucht nach einem anderen, einem besseren Leben ausdrücken, dass man sich an "Solo Sunny" von Konrad Wolf erinnert fühlt, die Bilder vom Deutschunterricht, die ein arbeitsloser Professor den arbeitslosen Aussiedlern gibt, und die vom Arbeitslosenzentrum mit dem Zettel vom "Obama-Fanklub" an der Wand, vermitteln dem Zuschauer einen Eindruck voll Löbauer Melancholie. Ein Seelenzustand in einer Lage, in der Wut angemessener wäre. Nach Ende der Dreharbeiten hat eine Arbeitsgruppe "Leerstehende Häuser" bisher 170 leere Immobilien in der Stadt erfasst, in der Wohnraum weggesperrt wird, obwohl verdammt noch mal genug davon existiert: In Löbau, dort, wo die Hartz-IV-Republik nur ganz besonders absurd ist.

Der Film kommt am 5. 5. in ausgewählte Kinos.