Sie kennen diese Abende: Es regnet, die Lieblingsbeziehung ist außer Reichweite, das Pflichtbuch langweilig, das Gemüt breiig, ich will nicht darum herum reden: Ja, ich bekenne, ich habe Pro 7 geguckt. Mit dem Beitrag »Gülcans Traumhochzeit«, so habe ich mich vor mir selber entschuldigt, kann ich sicher ein schönes Beispiel deutsch-türkischer Freundschaft erleben und wenn ich das gucke, tue ich was für den Weltfrieden.

Nun ist Gülcan, Moderatorin der »Bravo-Superschau« und Inhaberin eines jener Hunde, die man gerne mit Ratten verwechselt, natürlich nicht irgend so eine Hinterhoftürkin. Sie hat schon an der Seite von Heiner Lauterbach geschauspielert und auch von der Menge Ihrer Fanpost könnte man lesend Schaden nehmen. Sebastian Kamps, der Verlobte von Gülcan, wird uns als Bäcker vorgestellt. Tatsächlich ist Sebastian aber hauptberuflich Sohn, nämlich der von Heiner Kamps, dem Mann, der jüngst seine Bäckereikette für geschätzte 60 Millionen Euro an den Steffi-Graf-Nudelkonzern Barilla verkauft hat.

Das Paar lässt sich nun in Vorbereitung ihrer Hochzeit ins Gehirn schauen und wer gedacht hatte, der kann es gleich aufgeben. Es ist die zweite oder dritte Folge einer Serie, die sich noch bis in den August ziehen wird, und sie beginnt mit einer Horrorfrage in einer teuren Horrorwohnung und einer billigen Horrorkameraführung: War es nur ein Wasserfleck oder der heimtückische Schimmelpilz, den die beiden in der Wohnung entdeckt haben? Wasserfleck, quietscht Gülcan, die »immer gern ein paar Wörter mehr um mich rum« hat und der etwas teigige Sebastian guckt, als sei im falschen Film.

Ein demnächstiges Ehepaar geht in einen Supermarkt: Wenn er jetzt schon andere Pflanzen kaufen will als sie, was soll dann erst später werden? Damit in der Reihe schlechtester Dokumentarbilder, die vorstellbar sind (zwei steigen in ein Auto, der Hund muss mit, zwei steigen aus einem Auto aus, der Hund auch), Spannung aufkommt, hält Gülcan, die im Verlaufe der Sendung der Verona Feldbusch, verehelichte Poth, immer ähnlicher wird, einer Fleisch fressenden Pflanze den Finger hin. Leider werden meine Gebete werden nicht erhört, die Pflanze verschmäht sie. Derweil fingert er genervt an Buchsbäumen, denn diese Dinger sind die Terassenpflanzen der Saison.

Trotz der Wohnung über den Dächern von Düsseldorf, trotz des schweren schwarzen und teuren Geländefahrzeugs haben die Klamotten der beiden doch einen Anflug von Hinterhof: Es ist Vatis guter alter Trainingsanzug, den beide spazieren führen, er allerdings mit einem drei Quadratmeter großen Label von Lakotze, der Marke für Neureiche und Kurzsichtige. Doch keine Angst, Sebastian hat nicht nur diesen einen Trainingsanzug, wir sollen ihn später noch in einem von Dolce & Gabana sehen, auf dem beide Anfangsbuchstaben der Marke knapp zwei Meter hoch aufgestickt sind.

Die Eleganz will kein Ende nehmen, denn jetzt, bei der Auswahl des Brautkleides, taucht Frau von Protz auf, mit bürgerlichem Namen Kamps, die künftige Schwiegermutter. Sie hat auch so einen Hund. Ist denn die zahme Ratte jetzt von den Punks auf die Reichen gekommen? Generell hat das Lumpenproletariat offenkundig Einfluss auf das Outfit der oberen Zehntausend: Erst der schlechte alte Trainingsanzug und jetzt, in Gestalt der Bäcker-Ketten-Frau eine Neuauflage der Schiffschaukelbremserin: Viel falscher Leopard und so viel Glitterkram mit so wenig Grazie getragen, dass ich dem fahrenden Volk Abbitte tun muss: Dort ist doch mehr Geschmack vorhanden.

Vier Stunden lang, oder waren es doch fünf, werden dem TV-Zuschauer nun Brautkleider präsentiert, und wer jetzt noch nicht an Scheidung gedacht hat, der hat auch sonst nichts verstanden. Zwischendurch wirbt der Sender für eine andere Reality-Show: Drei Leute bewerben sich vor der Kamera um einen Job, nur einer kann ihn bekommen: So ist es wenn Realität zur Reality gerinnt, denn eigentlich kommen dreitausend Bewerber auf eine offen Stelle.

Derweil beginnt im Klamottenladen der Kampf der Kulturen: Gülcans Schwester und Sebastians Mutter streiten um das richtige Kleid. »Sie wird schließlich eine Kamps!« verkündet Frau Kamps, als vergäbe sie das Abendland in Gestalt ihres Sohnes zu billig. Darauf Gülcans Schwester:» Noch ist sie eine Karahanci!« Und während ich mir überlege, was mit dem Weltfrieden wird, übertrumpft ein schreckliches Kleid das andere, und der Geschmacksfrieden ist auch noch gefährdet. Dass die beiden Hunde ebenfalls ein Hochzeits-Outfit bekommen, habe ich nicht erfunden: Der Kauf fand vor läufigen Kameras statt, der Tierschutzverein wurde sofort von mir informiert.

Man kann doch abschalten, sagt der weise Medienkritiker und immer noch suche ich nach dem Knopf, der ein System abschalten kann, das brutaltsmögliche Dummheit als »lifestyl« verkauft und von der UNO offenkundig nicht wegen menschenverachtender Psycho-Folter belangt wird.

Kommentare (0)

Einen Kommentar verfassen

0 Zeichen
Leserbriefe dürfen nicht länger sein als der Artikel
Anhänge (0 / 3)
Deinen Standort teilen
Gib den Text aus dem Bild ein. Nicht zu erkennen?
Bisher wurden hier noch keine Kommentare veröffentlicht