Dieser »Don Juan de la Mancha« - so lautet der Titel des neuen Buches von Robert Menasse - kämpft nicht gegen Windmühlenflügel und auch nicht um die Herzen der stolzesten Frau´n. Er wäre nur gerne glücklich und verliebt und überhaupt wäre er gerne, wenn er nur wusste was und warum. Denn Nathan, der Ich-Erzähler und Journalist, Menasses Wiener Ausgabe des Don Juan, zweifelt. Mal an sich, mal an dieser oder jener Frau, dann wieder an und für sich.

Es ist der Horizont einer Mikrobe, mit dem der Autor seine zentrale Figur ausgestattet hat, und hätte dieser Nathan eine Fallhöhe (Menasses gewollter Sprachwitz würde daraus sofort eine Phall-Höhe machen), läge sie zwischen Bürgersteig und Fahrbahn. Was soll uns dieser gelangweilte und langweilende Gelegenheitsficker, welch schlichtes Leben darf Platz in Romanen einnehmen, warum erlaubt ein Lektor einem Autor mit weißer Tinte auf handelsübliche Blätter zu pissen?

Der Verlag gibt im Klappentext einen Hinweis: »Nathan, bei seiner Zeitung zuständiger Redakteur für das Ressort »Leben«, verkörpert die Generation der Nach-68er. Unter dem Diktat der Emmas und Bettys darf er seine Männlichkeit zwar ausleben, aber nicht mehr genießen«. Hat denn der Herr Geheimrat früher, als die Dienstmädchen noch unter der Hand des Herren waren, mehr genossen? Ist die angebliche Emanzipation der Frau, liebe Wasserwerferinnen und Wasserwerfer, denn dort wo sie erkennbar ist, ein Diktat und zur Lustfeindlichkeit führend? Das ist dem Umschlagtexter ziemlich gleich, denn es geht um Marketing und nicht um Literatur.

Und es geht um eine neue Weinerlichkeit: Ein «Nach-68er« ist auch der Herr Autor und vielleicht deshalb gerät ihm die einzige universitäre Auflehnungsszene im Buch zur Burleske: Da haben wir mal Revolution gespielt, sehr komisch! Dieser pathologische Hang zur Abgrenzung gegenüber der Vorgänger-Generation wäre ja nicht schlimm, wenn sie zu einer Haltung führen würde. Bei Menasse reicht es gerade noch zur müden Geste. So, als habe die vorige Generation alle substanziellen Themen besetzt und denen danach sei nur noch das eigene, kleine, jämmerliche Ich geblieben.

Gewiss, es gibt keinen Krieg, keinen Nachkrieg zu bearbeiten. Die alten Nazis sind beerdigt und die zeitgenössischen Dramen von Flucht und Tod spielen heute eher nicht im deutschen Sprachraum. Aber kann die Figur eines Journalisten nicht wenigsten in den Dreckfluten einer Kronen-Zeitung - der österreichischen Variante des Blut-und-Hoden-Blattes - untergehend an einer Sinn-Frage verzweifeln? Statt dessen verliert der Mann bei Menasse seinen Job, weil er die formale Verjüngung des Blattes, um an mehr Leser und mehr Anzeigen zu kommen, nur unwillig mitmacht. Dass er seinen Lebensstandard nicht verliert und nicht seinen zwischen Larmoyanz, Pennälerscherz und Blasiertheit pendelnden Ton, dafür sorgt der Autor.

Als gäbe es kein Leben im Dreck des Prekariats und keines im protzigen Glanz der Opernbälle und der Aktienhuberei. Als wären wir alle eine einzige Mittelschicht, deren größte Unzufriedenheit sich am Kellner auslässt, der die Spaghetti nicht al dente bringt. So vertändelt Robert Menasse fast dreihundert Seiten kostbarer Lesezeit. Dass auch Innenwelten ohne große gesellschaftliche Verwerfungen zu Literatur werden können war jüngst im selben Verlag bei Christoph Hein zu lesen: Wenn man ein Leben ernst nimmt.

Wer mag, kann im verstörten Nathan, der auf einer Reportagereise in ein Paris der brennenden Autos gerät und nichts erkennen kann, als seine eigene Unbequemlichkeit, einen Hauch von Kritik an einer Lebensweise sehen, die nichts von einer, das eigene Weltbild störenden Außenwelt wissen will. Wer mag, kann die Lebensbeschreibung des Nathan für eine Satire halten. Ich halte es wieder mit dem Klappentext des Verlages: »Robert Menasse wirft einen Blick durchs Schlüsselloch und schaut auf eine Epoche«. Und dann sieht er sich und sonst nichts.