Let me have war, say I; it exceeds peace as far as day does night: it’s sprightly, waking, audible, and full of vent. Peace is a very apoplexy; mulled, deaf, sleepy, insensible.
Shakespeare, Coriolan
Und geht er über deine Kräfte
Bist du beim Sieg halt nicht dabei.
Der Krieg ist nix als die Geschäfte
Und statt mit Käse ists mit Blei.
Brecht, Mutter Courage
Heutzutage, wo schlechte Nachrichten als gute Ware gehandelt werden und ihr erfreulichster Teil das Wetter ist, lohnt sich die Rückschau auf alte Zeiten, liebe LeserInnen, als die Welt gänzlich aus den Fugen war. Zwar können uns historische Gemetzel nicht über die Gegenwart hinwegtrösten, aber vielleicht aktuell etwas ablenken von brennenden japanischen Atommeilern und afrikanischen Bürgerkriegen.
Im September 2009 erschien in der RATIONALGALERIE die Rezension von Reinhard Kaisers gelungener Übertragung des „Simplicissimus“ in heutiges Deutsch. Schon vor einiger Zeit hat der Bearbeiter Kaiser in der „Anderen Bibliothek“ zwei weitere simplicianische Romane Grimmelshausens in einem Band vorgelegt, die „Lebensbeschreibung der Erzbetrügerin und Landstörzerin Courage“ und „Der seltsame Springinsfeld“, ergänzt durch einen ausführlichen Anmerkungsteil, ein informatives Nachwort und eine Zeittafel zu Grimmelshausens Leben und Schaffen.
Das hat sich Reinhard Kaiser fein ausgedacht: Der ganze Grimmelshausen soll es sein! Um die „Simplicianischen Schriften“ Hans Jacob Christoffels komplett zu machen, fehlen nun nur noch der zweiteilige Roman „Das wunderbarliche Vogelnest“ (so etwas wie das barocke Urbild von H. G. Wells „Invisible Man“) und einige kleinere Schriften.
Verglichen mit dem voraufgegangenen Großwerk handelt es sich bei der „Courage“ und dem „Springinsfeld“ um Kurzromane, die dessen ungeachtet die Bestialität des Dreißigjährigen Krieges in allen Facetten erschütternd abschildern. Durch die Ich-Erzähler, die beide im „Simplicissimus“ figurieren, sie als Beischläferin, er als Kriegskamerad des Simplex, ist die Handlung der „Sprossgeschichten“ mit dem Hauptroman verwoben.
Es gehört zu den Paradoxien der Literaturgeschichte, dass über die Entstehung vieler bedeutender Barockromane, die uns doch zeitlich relativ nahe sind, fast nichts bekannt ist. So glauben wir mehr zu wissen über die Genesis von Vergils Äneis, als über Grimmelshausens Werksgeschichte. Vermutlich hatte der Autor beim Erscheinen seines Bestsellers „Simplicissimus“ noch ein paar Romane in der Schublade, anders als die Schriftsteller der DDR, die nach der Wende feststellen mussten, dass ihre geheimen Manuskripte sämtlich von den Mäusen gefressen worden waren.
Der „Springinsfeld“ ist der komprimierte Lebenslauf eines unbelehrbaren Bärenhäuters, Jungfernschänders und Bauernschinders, der an den großen Schlachten des Krieges teilnimmt, mal auf kaiserlicher, mal auf schwedischer Seite. Er begegnet fast allen Feldherren seiner Zeit, dient unter Tilly, dem Pappenheimer und Johann von Werth, kämpft gegen Gustav Adolf und Turenne. Nach dem westfälischen Frieden zieht er in die Türkenkriege und endet als einbeiniger Krüppel, Bettler und Jahrmarktsgaukler. Auffallend wird im „Springinsfeld“ zu Anfang und gegen Ende des Romans der Dreißigjährige als der „Deutsche Krieg“ bezeichnet. Für die lesehungrigen unter unseren LeserInnen sei dazu angemerkt, dass „Der deutsche Krieg“ auch Titel und Gegenstand einer zu Unrecht vergessenen gewaltigen Romantrilogie Heinrich Laubes ist.
Wüst ist auch die Lebensbeichte der Courage, übrigens der erste deutsche Roman aus dem Blickwinkel einer Frau. Und was für einer Frau! Sie schlägt sich mit allen Mitteln durch den ewigen Krieg, in sieben Ehen, als Hure, Landsknecht, Marketenderin, zuletzt als Chefin einer Diebesbande.
Die Germanisten haben schon lange den gewollten Parallelismus von Simplex und Courage erkannt, der bis in die Maskerade reicht. Er verbirgt sich zeitweise unter Frauenkleidern, sie kämpft verkleidet als Soldat. Simplex endet als gottesfürchtiger Mann, die Courage als Fürstin der Zigeuner. Eine latente Frauenfeindlichkeit des Autors ist unübersehbar.
Grimmelshausens Courage gab für Brechts Stück nur die Staffage her. Denn die ursprüngliche Courage ist zwar zeitweise Marketenderin, aber sie bleibt kinderlos.
Brecht hat seinerzeit für die Berliner Aufführung einige Passagen seines Stückes überarbeitet, um den mütterlichen Sorgetrieb der Hauptfigur abzuschwächen. „Mutter Courage und ihre Kinder“ sollte keine Familientragödie sein, sondern ein Lehrstück, das uns die Botschaft vermittelt: Aus keinem Krieg kann für die kleinen Leute Gutes kommen.
Grimmelshausen hatte mit dem „Simplicissimus“ sein großes Thema gefunden – den Krieg, der nichts anderes ist als massiver Diebstahl mit gröberen Mitteln.
Seit dem Barock ist der Krieg um vieles humaner geworden. Die technologisch fortgeschrittenen Nationen beherrschen das schmerzfreie Töten aus der Luft mit Videobeweis. Auch die Kollateralschäden sind bekanntlich gering. Raffinerien, Häfen, Brücken und Flugplätze werden im Geist der UNO-Menschenrechtskonvention eingeäschert, um geknechteten Völkern Freiheit und Wohlstand zu garantieren.