Er schleicht sich an, der Film. Ein Frauengesicht, eine Ex-Soldatin, sehr verschlossen, ein wenig verschlissen. Das Gesicht von einer, die den Krieg gesehen hat, im Irak oder in Afghanistan. Dann die Grinse-Fresse von Fogh Rasmussen, dem dänischen Regierungschef, zerrastert von TV-Zeilen: Auslandseinsätze? Der Premier mag Auslandseinsätze. Jetzt, denkst Du, kommt der politisch korrekte, notwendige, aber ein wenig langweilige Film über Eine, die kaputt zurück kommt, Du siehst schon die Rückblenden in den Kampfeinsatz und Du versprichst Dir genau aufzupassen. Aber Annette K. Olesen, die Regisseurin von "Little Soldier", denkt gar nicht daran, Deine Erwartungshaltung zu bestätigen, sie macht etwas ganz anderes oder eben doch das, was Du vermutet hast, nur eben ganz anders. Sie macht einfach einen großen Film.

Lotte, die mit dem Gesicht, hatte irgendwie gedacht, sie tut etwas Gutes, Richtiges wenn sie dahin geht, wo Rasmussen sie hinschickt. Wegen Freiheit und Demokratie, und so. Zurückgekehrt fühlt sie sich weder richtig noch gut, eher richtig Scheiße. Ihren Vater trifft sie zufällig wieder: Ehj, Tochter, ehj, er boxt sie kumpelhaft, sie boxt ihn zurück und nachher sind sie beiden betrunken und er, der Transportunternehmer, bietet ihr einen Job an, Aufräumen und Akten sortieren. Da es immer noch keine Rückblenden auf Bomben oder gefallene Kameraden gibt, denkst Du um: Nun wird es so eine Geschichte, wo der Vater die psychisch belastete Tochter wieder aufrichtet und alles wird gut. Jetzt, nimmst Du an, musst Du nicht so ganz genau aufpassen.

Die Lotte wird von Trine Dyrholm gespielt, und dass ich sie nicht kannte, hat mit dem Film-Markt zu tun aber auch mit meinem kleinen Blickwinkel: Diese Lotte, stoisch, mit ganz seltenem, kleinem Lächeln, irgendwo auf den breiten Flächen dieses Gesichtes voller Trauer und Verwirrung, diese Lotte ist groß, fast so groß wie der Film. Der Vater ist eher klein. Nicht der Schauspieler Finn Nielsen. Der macht was aus dem Mittelschichten-Vater, der mit einer farbigen Geliebten zusammen lebt. Dieser Nielsen ist der harmlose Musterdäne, mittags Pölser, diese fette rote Wurst, abends Aquavavit und den ganzen lieben Tag lang dieses lustige Dänisch. Der liebt seine Tochter. Weil sein Fahrer einen Unfall hatte, muss Lotte ihn chauffieren, der kleine Soldat.

Weil aber der Vater nicht nur Waren von A nach B bringen lässt, weil er auch kleinen, netten Verdienst nebenher braucht, müssen auch seine schwarzen Nutten von dieser Straße zu jener Wohnung transportiert werden. Lotte der Soldat, Lotte, die zuschlagen kann, wozu war sie denn im Krieg, die den Huren, unter ihnen Vaters temporäre Freundin Lily (Lorna Brown), Schutz geben kann, übernimmt die Fahrer- und Schützer-Rolle. Man verdient gut als Hilfszuhälter. Jetzt überrumpelt Dich diese Regisseurin nicht noch einmal, denkst Du: So eine mit so einem Gesicht, die tut es nicht für Geld, sie tut es für den Vater, der sie an die Großeltern abgeschoben hatte, sie tut es um sich zu beweisen, auch, weil ihr sonst nichts einfällt. Ein Soldat lernt sonst nichts. Greift er nicht an, dann gibt er Schutz.

Alles ist gut, Tag für Tag: Lotte fährt, Lily fickt, Vater verdient. Fast beiläufig, auf einem Puff-Betriebsfest - die schwarzen Sklavinnen haben fast alle Pause, Vater gibt einen aus, Lotte schaut fremd - klinkt einer der Freier aus und Lotte haut im kräftig auf die Fresse. Ach, wäre es doch Premier Rasmussen gewesen. Jetzt wird Lotte zum Star des kleinen Betriebes: Eine Frau! Und so schlagfertig! Frau lernt sich kennen. Wo bisher die haarscharfe Grenze zwischen schwarz und weiss, zwischen Herrentochter und Sklavinnen war, zugetüncht von der dünnen Jovialität des Vaters und der dicken Verwirrung von Lotte, da wächst Aufmerksamkeit. Lotte, die sich bisher als sinn- und wertlos begriffen hat, beginnt sich zu verlieben. Nur scheinbar in Lily. Sie beginnt sich zu lieben, das fremde Kind, das tut als sei es ein Mann: Sie wird der Lily zur Flucht verhelfe. Auch wenn Du denkst, alles wird gut: Der Regisseurin ist nicht zu trauen.

Der Film zeigt eine dieser seltenen Lieben, die nicht besitzen wollen sondern befreien. Und er zeigt, wie der Krieg die Sitten zerstört, nicht nur dort wo wir in hintragen. Auch bei uns zu Hause, im schönen zufriedenen Europa. Unsere Soldaten bringen im Ausland die Männer um, unsere Zuhälter handeln mit den ausländischen Frauen, der globale Markt funktioniert prima, soweit wir wissen. Frau Olesen: Sie haben einen klugen Film gemacht, über Rassismus, über Kapitalismus und über den Krieg. Und er kommt daher, als sei er eine kleine, ganz private Geschichte. Danke.