Ich würde ihn gern hassen. Zumindest sollte er mir gleichgültig sein, der menschliche Müll, den die USA in Gestalt ihres Militärs über die Welt verstreut. Diese Herrenrasse in Uniform, davon beseelt, den Völkern - mal den Schlitzaugen, mal den Kameltreibern - mit der Waffe in der Hand Demokratie beizubringen. Das wird nach dem Film "The Messenger" deutlich schwieriger werden. Denn der Film von Oren Moverman zeigt amerikanische Soldaten als das, was sie auch sind: Menschen.
Irgendwo in den Weiten der Militärbürokratie gibt es eine Truppe, die Hinterbliebene besucht. Immer wenn einer der Soldaten gefallen ist, marschieren welche von denen los. Blank geputzte Stiefel, gebügelte Uniformen, Mützen sitzen im rechten Winkel: "Ihr Sohn ist am, um, in gefallen. Der Verteidigungsminister spricht ihnen sein aufrichtiges Beileid aus". Dem Verteidigungsminister, dass weiß jeder, der auch nur ein wenig denken kann, ist der Tod eines Soldaten scheißegal. Erst ganz viele könnten ihn um seinen Job bringen.
Den Boten, die selbst im Krieg waren, kann es nicht gleich sein. Auch wenn Woody Harrelson als Captain Stone so tut als wäre er aus Stein. Er soll dem frisch dekorierten Kriegshelden Sergeant Montgomery (Ben Foster) beibringen wie das geht, Vätern und Müttern, Frauen und Kindern mitzuteilen, dass Sohn oder Tochter, Mann oder Vater nie mehr wiederkommen werden. Man darf sie nicht berühren, die Hinterbliebenen, weil man sonst selbst in die Trauer, in das Entsetzen reingerissen wird. Erklärt Captain Stone.
Manchmal werden die Boten geschlagen oder angespuckt, von denen, die, kaum zu unrecht, die Armee für den Mörder ihrer Angehörigen halten und nicht den Feind, wer immer auch es gewesen sein mag. Sie dürfen den Schicksalsschlag immer nur den engsten Verwandten mitteilen: Einmal stehen sie in einem dieser amerikanischen Sperrholzhäuser in der Vorstadt und die Mutter, der sie das Beileid des Ministers übermitteln sollen, ist nicht da. Sie treffen die schwangere Freundin an. Und wie die erst denkt, ihr Freund habe etwas angestellt, und wie sie dann, ganz ganz langsam, ohne dass man ihr die Nachricht mitteilt, den Tod begreift, das ist großes, amerikanisches Gefühlskino.
Diese Seite des Krieges findet nicht im Fernsehen statt: Das Schreien und Weinen, die entsetzten Gesichter, die schreckensstarren Körper, aufgerissen Augen, zitternde Hände. Ein Vater muss sich vor lauter Elend erbrechen. Und das Beileids-Botschafts-Paar steckt alles ein: Der Captain mit steifen Gliedern und eiserner Maske, der Sergeant mit immer mehr Verletzungen seines ohnehin durch den Krieg geschundenen Gemüts. Beide können kaum schlafen.
Es ist diese schnoddrige Männerfreundschaft, mit der sie versuchen, ihre Gefühle zu rationalisieren: Die flotten Sprüche, das schnelle Bier, die formale Disziplin. Den Sergeant erwischt es dann: In eine der Witwen, der er seinen Spruch aufsagt, verliebt er sich. Auf der kindlichen Suche nach einem Zuhause, das die Armee nicht sein kann, in der Hoffnung auf Wärme, die eine Uniform nicht spendet, will er mit der Frau sein und die will auch, oder auch nicht. Vielleicht doch.
Granaten und Raketen haben den Sergeant die Gesundheit gekostet, seine Haltung konnten sie scheinbar kaum erschüttern. Jetzt reicht ein Händedruck, ein Kopf an seiner Schulter, um ihn dienstunfähig zu machen. Als ein altes Paar schier zusammenbricht ob seiner tödliche Nachricht, als die Botschaft es auf die Knie gezwungen hat, da geht auch er zu Boden, umarmt die beiden, gerät in das untaugliche Gefühl Mitleid zu empfinden und beginnt so sich selbst zu finden.
Ich muss sie auch nach dem Film nicht lieben, die Soldaten der USA. Ich muss auch nicht aufhören, daran zu denken, dass der Krieg im Irak bisher 150.000 tote Iraker gekostet hat und "nur" 4.000 Amerikaner ihr Leben ließen. Aber ich kann der amerikanischen Seite des Krieges ein Gesicht geben und kann, mit mehr Kenntnis und Grund als zuvor, sagen: Geht nach Hause. Kümmert Euch um Eure Familien. Zum einen, weil es sonst keiner tut, zum anderen, damit die Welt aufhören kann Euch zu hassen. Das wäre schon mal was.