Unser Autor Mamdouh Habashi (66), ist Architekt und Bauingenieur, Mitglied des Polit-Büro der Sozialistischen Volksallianz SPA in Ägypten und Leiter der Internationalen Abteilung der Partei, Vize-Präsident des Weltforum für Alternativen WFA in Dakar und Vorstandsmitglied des Zentrums für Arabische und Afrikanische Studien AARC in Kairo.

2016 war ein sehr schweres Jahr für die Ägypter. Die meisten - sowohl der kleine Mann als auch die politische Kaste - sagen sogar, es war/ist das schlimmste Jahr in der Geschichte des Landes.

Die Hetze gegen die "Revolution" bzw. den Aufstand von 2011, ihre Ziele, ihre Symbole und ihre Vertreter sind nicht mehr der Auswuchs einiger "Mubarakisten“" sondern offensichtlich die Politik des Regimes geworden. Diese Politik wird durch die Tatsache ermutigt, dass sich mittlerweile immer mehr Ägypter nach der Zeit von Mubarak sehnen. Sie geben der Revolution von 2011 und nicht der Politik des Regimes die Schuld an ihrer Misere.

Bei weiten Teilen der stark benachteiligten Bevölkerung ist es dem Sisi-Regime gelungen, die Angst vor einem Schicksal wie Syrien, Irak, Libyen oder Jemen so zu schüren, dass sie größer als jeder Wille zur Veränderung geworden ist. Mit dem Krieg gegen den Terrorismus begründet das Regime jede unpopuläre Maßnahme. Im Jahre 2016 waren alle Maßnahmen in allen Bereichen der Politik unpopulär, ja sogar schockierend unpopulär.

In den ersten zwei Jahren seiner Amtszeit als Staatspräsident sind viele Minister und Gouverneure dieser unpopulären Politik als Sündenböcke zum Opfer gefallen. Das war notwendig um das Image des großen "Retters", General Sisi, über jeden Zweifel erhaben zu machen. Trotzdem genügten diese vielen „Sündenböcke“ des Jahres 2016 nicht mehr ihrem Zweck. Das Ansehen des "gerechten Diktators" hat großen Schaden erlitten.

Obwohl jedes Regime eigentlich bemüht sein sollte, Erfolge in wenigstens einem der politischen Feldern zu erzielen, um Verfehlungen in anderen Feldern zu kompensieren bzw. den Blickfokus davon abzulenken, konnte sich das Sisi-Regime im Jahre 2016 totales Versagen auf allen Ebenen und in allen Bereichen leisten und das noch als Erfolge, ja Siege, propagieren. Und weil so etwas kaum vorstellbar ist, möchte ich mich im Folgenden sachlich mit der Politik des Sisi-Regimes 2016 auseinandersetzen.

Wirtschaft und Korruptionsbekämpfung

Die Entmachtung des nationalen Rechnungshofs

Für jedes neue Regime ist die Wirtschaft immer das Wichtigste. Wenn die Wirtschaft läuft, kann sich das Regime andere Verfehlungen leisten. Aber in Ägypten läuft die Wirtschaft alles andere als gut, im Gegenteil. Heute sind sowohl die Wirtschaft als auch die Korruption im Lande schlimmer denn je.

In einem TV-Interview am 27.12.2015 wurde der Chef des Nationalen Rechnungshofs, Herr Geneina, anlässlich der Fertigstellung seines Berichts, nach seiner Schätzung der direkten Korruptionskosten für die Volkswirtschaft in der Zeit vom 2011 bis 2015 gefragt. Er bezifferte diese mit 600 Milliarden EGP. Von den mehreren Tausenden Korruptionsfällen, die er gesetzesgemäß an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet hatte, sind nur 7% überhaupt bearbeitet worden, d.h. 93% sind seit Jahren gar nicht geöffnet worden, fügte er hinzu.

Es gab einen Aufstand im Parlament, nicht wegen der im Bericht namentlich genannten Korrupten, sondern der Protest richtete sich gegen den Chef des Nationalen Rechnungshofes selbst und gegen seinen Bericht. Die Begründung: Herr Geneina sei Teil eines großen Komplotts gegen Ägypten, deshalb habe er die Korruptionsdaten übertrieben, damit das Image Ägyptens im Ausland beschädigt würde und dadurch die Investoren ausbleiben. Sofort verhängte die Regierung Informationssperre, der Bericht durfte nicht veröffentlicht werden.

Der Posten von Herrn Geneina genießt seit der Entstehung dieser Behörde zu Nasser-Zeit per Gesetz eine unantastbare Immunität. Binnen zwei Wochen fabrizierte das Parlament ein verfassungswidriges Gesetz, das dem Staatspräsidenten die Absetzung des Chefs des Nationalen Rechnungshofs ermöglichte. Unmittelbar danach wurde Geneina gefeuert. Doch dies war noch nicht genug, die mächtigen Korrupten im Land wollten mit dem Fall Geneina ein Exempel statuieren: Er musste sich vor einem ordentlichen Gericht verantworten, das ihn im Handumdrehen zu zwei Jahren Haft ohne Bewährung verurteilte. Am selben Tag musste er auf dem Boden – ohne Bett - einer Gefängniszelle schlafen.

Ganz in der Tradition der "Whistle Blower" hat jemand aus seinem Team den Bericht herausgeschmuggelt und ins Internet gestellt, jedoch traut sich trotz der Veröffentlichung kein Mensch mehr, diesen Bericht auch nur zu erwähnen. Dadurch ist Ägypten im Jahresbericht von "Transparency International" vom Platz 88 von 167 Staaten zum Platz 108 von 179 Staaten gerutscht.

Das Militär als Wirtschaftsfaktor

Seit Jahrzehnten wächst der Unmut des ägyptischen Produktivkapitals gegen den immer ständig steigenden Anteil der Militä̈rs in der Volkswirtschaft. Im Jahr 2016 war das Ausmaß dieses Unmuts so stark, dass General Sisi das Thema in seiner Rede im Dezember 2016 aufnahm, um dieser „Behauptung“ zu widersprechen. Er erklärte dagegen, der Anteil der Armee an der gesamten Volkswirtschaft liege zwischen 1,5 und 2%. Über diese Schätzung hat man nur gelacht.

Das hiesige Kapital beklagt die ungerechten Konkurrenzbedingungen. Heutzutage gibt es keinen Wirtschaftszweig, an dem das Militä̈r nicht beteiligt ist und es erweitert seinen Anteil ständig in allen Bereichen; Industrie und Landwirtschaft, Immobilien- und Bauwirtschaft, Groß- und Einzelhandel, Import-Export, Gesundheitswesen, ... usw.

In der Februar-2017-Ausgabe von SWP-Aktuell hat sich Jessica Noll mit diesem Phaänomen befasst. Unter der Überschrift „Ä̈gyptens Militä̈r zementiert seine ökonomische Macht“ schrieb sie gleich in der Einleitung: "... Mehr als fraglich ist, ob sich unter diesen Umstä̈nden die Strukturreformen verwirklichen lassen, die Kairo im November 2016 mit dem IWF vereinbart hat. Nicht zuletzt deshalb sollten internationale Geber die ägyptische Fü̈hrung dazu drängen, die Sonderrechte des Militärs zu reduzieren."

Sie erwähnt die Verstrickung von Armee und Wirtschaft und erlä̈utert deren Folgen: "Auch durch die verstärkte Kooperation zwischen Armee und Privatwirtschaft werden Abhängigkeitsstrukturen etabliert. Fü̈r private Unternehmen ist es wegen der Wirtschaftsexpansion der Streitkräfte schwerer geworden, oöffentliche Ausschreibungen zu gewinnen, da sie preislich vom Militär unterboten werden können. Wollen Firmen ökonomisch bestehen, sind sie zunehmend auf eine Zusammenarbeit mit den Streitkrä̈ften angewiesen, wobei Letztere klar die Führungsrolle haben."

"Da die niedrigen Preise aber nur aufgrund weitreichender Vorteile und Privilegien der Armee möglich sind, findet eine extreme Wettbewerbsverzerrung statt." ".. Einen weiteren Wettbewerbsvorteil haben die Militärs, weil ihre ökonomischen Aktivitäten von Steuern befreit sind."

Neben der billigen "Sklavenarbeit" der Rekruten mü̈ssen die Militärs für ihre Projekte weder Energie noch Wasserverbrauch zahlen noch irgendwelche Bürgschaften vorlegen. Die Privatwirtschaft hat dagegen zusätzlich zu diesen Kosten noch einen weiteren großen Kostenfaktor zu bewä̈ltigen, die bürokratischen Hürden. Diese sind die Hauptquelle der Korruption im ö̈ffentlichen Dienst, d.h. es mü̈ssen große Summen gezahlt werden für alle Arten von Genehmigungen, Bestätigungen, Bescheinigungen, Registrierungen, Lizenzen, ... usw.

Noll erklärt zudem eine weitere Ungerechtigkeit, die Vorteilsnahme durch Umgehung der Justiz, eine Art Persilschein fü̈r das Militä̈r: „Darü̈ber hinaus ist es weder für die Justiz noch für andere zivile Kontrollbehöörden mö̈glich, Vergehen der Militärs zu ahnden. Aktive und ehemalige Militärangehö̈rige sind spätestens seit 2011 durch ein Dekret vor Verfolgung durch die zivile Justiz geschuützt. Sie dürfen ausschließlich vor Militärgerichte gestellt werden. Dieser Schutz gilt auch für die von Militäärs betriebenen Wirtschaftsaktivitäten, die aufgrund ihrer Einstufung als „sicherheitsrelevant“ völlig undurchsichtig sind und Vorteilsnahme beguünstigen....
Nichtregierungsorganisationen, die sich fü̈r mehr Transparenz und Rechtstaatlichkeit einsetzen, werden seit Sisis Amtsantritt systematisch verfolgt und in ihrer Arbeit behindert. Die Medien fallen als Korrektiv ebenfalls aus. In Ägypten ist die Pressefreiheit massiv eingeschränkt; eine kritische Berichterstattung über das Militä̈r wird durch staatliche Zensur unterbunden.".

Die Schuldenfalle

Als Nasser am 28. September 1970 starb, betrug die Summe aller Schulden in Ägypten 1,7 Milliarden U$-Dollar, inklusive der sowjetischen Schulden, die allesamt mit einem Schuldenschnitt nach dem Krieg 1967 gestrichen worden. Sadat hat die Politik in Richtung USA umorientiert und damit die Finanzpolitik in Richtung IWF. Trotz des Kriegs von 1973, mit dem die Sinai-Halbinsel zurückerobert wurde, betrugen die Schulden bis Anfang 1974 weniger als 2,5 Milliarden U$-Dollar.

Im Februar 1974 wurden die berü̈hmten Neo-liberalisierungsgesetze erlassen, die damals "Open Door Policies" hießen. Die Bedingungen des IWF-Kredits von 1976 in Hö̈he von 185,7 Millionen U$-Dollar wurden mit einer plötzlichen Preiserhöhung der Grundnahrungsmittel um 30-50% durchgesetzt, was zum Aufstand von 18. und Januar 1977 führte. Nur mit massivem Militäreinsatz, ü̈ber 300 Toten und mehreren Tausenden Verhaftungen konnte dieser Aufstand niedergeschlagen werden.

Während der 80-er Jahre erhöhte sich die Schuldenlast, so dass die Regierung in Ägypten jährlich dem "Paris Club" einen Rechenschaftsbericht über ihre Politik vorlegen und ihn rechtfertigen musste. Die Teilnahme der ägyptischen Armee am Golfkrieg II 1991 zur Befreiung von Kuwait, die diesen Militäreinsatz der westlichen Alliierten legitimiert hatte, wurde mit 50%-igem Schuldenerlass honoriert.

Als der Aufstand von Januar 2011 ausbrach, war der Anteil der Gesamtschulden ca. 83% vom BIP (1 U$-Dollar kostete zu dieser Zeit 5,6 EGP). Ende 2015 erreichten die Gesamtschulden die 100%-Grenze vom BIP. Damit verschlang der Schuldendienst nun jä̈hrlich über ein Drittel des Staatshaushalts (zu diesem Zeitpunkt kostete 1 U$- Dollar bereits 7,8 EGP). Der große Knall kam aber mit dem 12 Milliarden U$-Dollar Kredit des IWF 2016, dessen Bedingungen vor der Auszahlung der ersten Rate erfüllt werden mussten.

Die Resultate des berühmt-berü̈chtigten Rezepts der IWF-Kredite sind zu Genüge durchgespielt worden und hinlaänglich bekannt. Kein einziges Mal hat es zum Erfolg geführt, sondern im Gegenteil, immer wieder wirtschaftliche Katastrophen hervorgerufen, die immer mit sozialen Spannungen verbunden sind.

Am 3. November 2016 hat die Regierung in Ägypten in einem Atemzug sowohl das Ägyptische Pfund gegenüber dem U$-Dollar freigegeben (gefloatet) als auch die Energiepreise (Benzin, Diesel, Gas, Elektrizität) um ca. 50% erhöht. Wenige Stunden spä̈ter war das Pfund um ca. 50% abgewertet und die Preise, alle Preise von Waren und Dienstleistungen, sind durch die Decke geschossen. Die Folgen sind verheerend, die Wirtschaft ist fast zum Erliegen gekommen und die Armut hat nun breitere Bevö̈lkerungsschichten erreicht. Der Teil derjenigen, die von der Hand in den Mund leben, hat sich plötzlich beinahe verdoppelt.

Hierzu schreibt Frau Noll in der SWP-Aktuell vom Februar 2017: "Durch eine Abwertung des äyptischen Pfunds gegenuüber dem U$-Dollar um rund 130 Prozent waren die Preise im Land allein 2016 um teilweise mehr als 40 Prozent gestiegen.“

Dabei bleibt das eigentliche Problem - und auch Ursache - dieser Misere bestehen. Das geliehene Geld wird nicht in realen sinnvollen Investitionen, in Industrie und Landwirtschaft, gepumpt, sondern hauptsächlich für die Bedienung bereits bestehender Schulden und für den Importbedarf, der die vorhandene Struktur der Produktivkräfte systematisch zerstört.

Der "Flaschenhals"

Seit über zwei Jahren wird die Bevö̈lkerung von den Medien des Regimes – es gibt kaum andere Medien – mit dem Diskurs berieselt, es handle sich nun um einen Engpass (Flaschenhals), doch der Durchbruch sei bald da, sobald die großen Projekte des Militä̈rs Früchte trügen. Das sind Großprojekte unter Federführung der Armee auf Anordnung von Sisi.

Weder in der Fachwelt noch in der Gesellschaft wurde irgendeine Debatte über deren Nutzen bzw. ihre Rentabilitä̈t oder Prioritä̈tsstufe geführt. Projekte wie die Erweiterung des Suez-Kanals, die neue Verwaltungshauptstadt, die Kultivierung von 630.000 Hektar in der Wüste (für die es nachweislich nicht genug Wasser gibt) und die Tausende Kilometer völlig unnötigen Straßen, in der Wüste, laufen auf Hochtouren um eine mögliche richtige Entwicklung zu verhindern. Auf der einen Seite vernichten sie die ohnehin wenigen Finanzreserven und machen dadurch die Schuldenspirale unausweichlich, auf der anderen Seite bedienen sie den wild gewordenen „Korruptionsbedarf“, besonders unter den Uniformierten.

Unmittelbar nach der Freigabe des ägyptischen Pfunds stürzte sein Wert im freien Fall gegenüber dem U$-Dollar. Um es aufzufangen in Abwesenheit von großen Devisenreserven, hat die Regierung Wertpapiere mit 20% Zinsen in allen staatlichen Banken angeboten um die Nachfrage auf das Pfund zu stärken. Diese Maßnahme hat dazu geführt, dass auf der einen Seite die Kreditvergabe an den Mittelstand so gut wie unmöglich geworden ist, und auf der anderen Seite – da es an Investitionen mangelt – die bereits „offiziell“ über 20%-ige Inflation noch mehr angeheizt wurde.

Wegen dieses katastrophalen Zustands der ägyptischen Wirtschaft hat ein Experten- Team des Komitees der internationalen Beziehungen des amerikanischen Kongresses und der Beraterstab des Weißen Hauses der Trump-Administration am 18. Januar 2017 einen „Top Secret“ Bericht vorgelegt6. Der 9-Seiten Bericht trägt den Code FC09543J und kommt am Ende zum folgenden Schluss:

„Ägypten ist gefährdet nahe, insolvent zu werden. Trotz der Golf-Hilfe und des IWF- Kredites von 12 Mrd US-Dollar führt die Kombination von den wirtschaftlichen Bedürfnissen des Landes, dem Vermächtnis der inkohärenten Wirtschaftspolitik Kairos und der Intransparenz der Vergangenheit und ihrer Fortsetzung heute sowie den politischen Herausforderungen für die Wirtschaftsreformen und dem Potenzial für exogene wirtschaftliche Schocks zur einer möglichen Solvenz-Krise. Die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten am Persischen Golf, Europa und Asien sollten für dieses Ergebnis vorbereitet sein. Eine stärkere Aufmerksamkeit auf dieses Thema unter den politischen Entscheidungsträgern und Pläne zur Vermeidung oder Abschwächung der Folgen des Ausfalls von Ägypten konzentrieren sich hauptsächlich auf die zusätzlichen Beihilfen. Dies wird sicherlich Ägypten helfen, Lebensmittel, Treibstoff und andere kritische Waren zu kaufen, aber externe Hilfe wird das Problem nicht lösen. Im besten Fall wird es den ägyptischen Entscheidungsträgern eine Atempause geben und damit die Möglichkeit, wirtschaftliche Reformen durchzuführen.“.

Demokratie und Rechtstaatlichkeit und innere Sicherheit

Sowohl im Aufstand von Januar 2011, der zum Sturz von Mubarak führte, als auch in dessen zweiter Welle, dem Aufstand vom 30. Juni 2013, der zum Sturz von Morsi führte, war der Ruf nach Demokratie und Rechtstaatlichkeit unüberhörbar und zentral. Deshalb musste General Sisi bei seiner Machtübernahme am 3. Juli 2013 gleich als ersten Schritt seiner sogenannten „Road Map“ die Schaffung einer neuen Verfassung ankündigen. Im Januar 2014 ist diese Verfassung mittels eines Volksreferendums mit großer Mehrheit in Kraft getreten.

Das neue Grundgesetz reflektierte das politische Kräfteverhältnis in der Gesellschaft seinerzeit ziemlich genau. Das heißt, weil die „Revolutionshitze“ auf der Straße noch nicht gänzlich abgekühlt war, bekamen die Ägypter das beste Grundgesetz in ihrer Geschichte.

Im Grunde habe sich alle Regime in Ägypten seit dem Ende der Mohamed Ali Dynastie 1952 in Sachen Demokratie und Rechtstaatlichkeit nicht gerade mit Ruhm bekleckert, doch seitdem die Militärs den gesamten Staat in Beschlag genommen haben, war/ist nun absolut Schluss mit jedweder Rechtstaatlichkeit.

In der relativ progressiven Phase (Nasser-Zeit) hat die soziale Gerechtigkeit die Demokratie ersetzt. In den Zeiten danach gab es weder soziale Gerechtigkeit noch Demokratie. Das Jahr 2016 ragte jedoch diesbezüglich besonders heraus: Mittlerweile deutet alles deutet darauf hin, dass sich die verhasste Polizei am Volk rächt, weil es gewagt hat, gegen sie zu rebellieren.

Die Sprachrohre des Regimes bezeichnen den Aufstand von Januar 2011 – in der Verfassung von 2014 als Revolution gewürdigt – als ein von außen gesteuertes Komplott. Es gilt also, alle Konsequenzen dieses Komplotts auszuradieren, den alten Zustand unter Mubarak wiederherzustellen, d.h. die gewonnenen Freiheiten und das erreichte Bisschen an Rechtstaatlichkeit rückgängig zu machen. So etwas kann ein Regime nur mit brachialer Gewalt realisieren, wie sich 2016 zeigte. Hier möchte ich kurz einige wenige Beispiele schildern, die das Ausmaß an Unrecht zeigen.

Der Fall Regini

Dieser Fall ist ein Musterbeispiel an staatlicher Unterdrückung und Gewalt und deren Vertuschung auf höchster Ebene.

Dr. Julio Regini (28) war ein italienischer Forscher, der an einer Arbeit über die unabhängigen Arbeitergewerkschaften in Ägypten arbeitete. Er war mit einem Freund in der Stadtmitte verabredet als er am 25. Januar 2016 verschwand. Am 3. Februar 2016 wurde seine nackte Leiche in der Wüste am Rande der 6. Oktober City gefunden. Die offizielle Erfklärung des Innenministeriums war, er sei einem Verkehrsunfall erlegen.

Am 4. Februar kam jedoch durch den Bericht der Gerichtsmedizin heraus, dass Regini brutaler Folter ausgesetzt gewesen war, die zum Tode geführt hatte. Die italienische Staatsanwaltschaft schaltet sich ein, viele Meldungen verdichteten die Verwicklung der ägyptischen Geheimpolizei in diesen Fall.

Am 14. März entlastete im ägyptischen Fernsehen ein angeblicher Augenzeuge mit seiner Geschichte die Polizei. Die Story erwies sich bald als komplett erfunden und erlogen. Sie war von der Polizei arrangiert.

Am 24. März erklärte das Innenministerium, dass fünf Personen, die angeblich für die Ermordung und Folterung von Regini verantwortlich waren, bei einer Schießerei ums Leben gekommen waren. Die ägyptische Staatsanwaltschaft unterstützte am 30. März diese Erklärung.

Am 21. April veröffentlicht die Nachrichtenagentur Reuters Berichte aus sechs verschiedenen geheimen Quellen: die Polizei hat Regini am Tag seines Verschwindens verhaftet. Am selben Tag, nach dieser Reuters-Meldung, behauptete das Innenministerium, es habe Regini nie unter Beobachtung gestellt. Kurz später bestätigte der ägyptische Oberstaatsanwalt, Julio Regini sei unter Beobachtung der Geheimpolizei gewesen. Am 26. April wurde der ägyptische Rechtsanwalt der Regini-Familie verhaftet.

Am 12. Juni wirft der italienische Untersuchungsausschuss der ägyptischen Seite Irreführung, Vortäuschung falscher Tatsachen und Behinderung der Ermittlung vor. Am 30. Juni erhöht Italien mit Sanktionen den politischen Druck. Am 8. Juli hält Reginis Mutter eine Pressekonferenz, in der sie mit der Veröffentlichung von 250 Bildern seiner brutalen Folter drohte.

Am 9. September gesteht das ägyptische Ermittlungsteam in Rom, dass Regini unter Beobachtung war und, dass die fünf Erschossenen nichts mit dem Fall zu tun gehabt hatten, dennoch bleiben deren Familien bis jetzt in Haft.

Dieses Regime kann notfalls Verbrechen und Manipulation zugeben! Ja, jedoch die politischen Beziehungen zu Italien sind zu wichtig, um sie durch so eine „Bagatelle“ stören zu lassen. Tatsache bleibt, dass keine einzige Person bis jetzt für dieses Verbrechen zur Verantwortung gezogen wurde. Wenn das Unterdrückungssystem solche „Schwächen“ zeigen würde, könnte das gesamte System bröckeln.

Reginis Mutter hatte auf der Pressekonferenz gesagt, die ägyptische Regierung habe ihren Sohn „wie die Ägypter“ behandelt. Damit hat sie eine traurige Wahrheit ausgesprochen, denn die Ägypter leiden unter der Selbstgerechtigkeit des brutalen Regimes.

Diese Aussage hatte General Sisi auf seiner Pressekonferenz mit dem französischen Staatspräsidenten Francois Hollande am 19. April 2016 in Kairo sinngemäß bestätigt. Sisi korrigierte Hollandes Verständnis der Menschenrechte; „... Die Europäer wissen nicht, dass bei uns andere Menschenrechtsstandards gelten.“.

Tiran und Sanafir

Tiran und Sanafir sind zwei kleine Inseln am Eingang des Golfs von Aqaba im Roten Meer, die nachweislich seit dem alten Reich etwa 3000 v.C. Ägypten gehören. Diese beiden Inseln haben lediglich eine militär-strategische Bedeutung, da sie den Schlossriegel für den Eingang dieser wichtigen Wasserstraße ausmachen. Deshalb ist in allen Kriegen dieser Region viel ägyptisches Blut darauf geflossen.

Anfang April 2016 wurden die Ägypter von der Nachrichtenmeldung überrascht; ein neues Abkommen zwischen den Regierungen in Ägypten und Saudi-Arabien zur Festlegung der maritimen Grenzlinien zwischen beiden Ländern sei unterzeichnet. Plötzlich gehören die beiden Inseln Saudi-Arabien im Austausch für die saudische Finanzierung einiger Projekte zur Entwicklung der Sinai-Halbinsel... ein Stück Land als Geschenk also...

Am 15. April begannen die Demonstrationen vor der Journalistenkammer Downtown Kairo. Der Protest eskalierte, als Sisi im Fernsehen verkündete, die Sache sei gelaufen und er möchte keine Widerrede mehr hören. Daraufhin nahm die Protestbewegung den folgenden Feiertag (den 25. April, Rückkehr von Sinai nach dem Krieg von 1973) zum Anlass und rief zu einer landesweiten Demonstration gegen dieses Abkommen auf.

Trotz heftiger Drohung des Innenministeriums wurde demonstriert, obwohl die Polizei alle angekündigten Treffpunkte mit Panzerfahrzeugen belagert und verriegelt hatte. Mehrere Hunderte Demonstranten wurden verhaftet und mit schnellen Gerichtsverfahren pauschal zu fünf Jahren Haft ohne Bewährung und 100.000 EGP (10.000 €) Geldstrafe verurteilt. Dennoch ließen sich die Ägypter in dieser Sache nicht unterdrücken und die Protestwelle wurde höher.

Am 2. Mai belagerte die Polizei die Journalistenkammer und fordert die Auslieferung von zwei Journalisten, die sich in ihrer Kammer – die per Gesetz Immunität genießt - verschanzt hatten. Die beiden hatten auf ihren Blogs zu der Demo gegen das Abkommen aufgerufen, lautete die Haftbegründung. Der gewählte Rat der Journalistenkammer berief sich auf die Verfassung und lehnte die Auslieferung der beiden Kollegen ab. Daraufhin stürmte die Polizei das Kammergebäude und nahm die beiden Journalisten mit Gewalt fest.
Und wie das Schicksal manchmal so spielt, geschah dies just am Internationalen Tag der Pressefreiheit.

Am 21. Juni 2016 verpasste das Verwaltungsgericht mit seinem historischen Urteil dem Regime eine schallende Ohrfeige: „... die Inseln waren immer ägyptisch und werden es auch bleiben“. Ab dann erleben die Ägypter eine einzigartige Farce, eine einmalige „Perversion“ in der Geschichte. Der Staat, d.h. hier die Exekutive, focht das Urteil an, um seine Hoheit über die Insel weiterhin von sich weisen zu können, obwohl er, laut Urteilsbegründung, kein einziges brauchbares Dokument vorlegen konnte, im Gegensatz zu den Klägern. Die klagende Partei7, hat Hunderte von Dokumenten und Beweisen geliefert.

Die im Laufe der Protestbewegung verhafteten Demonstranten gingen in Revision. Sie wurden zwar nach und nach freigesprochen aber die 10.000 € Geldstrafe musste jeder zahlen, was für die Durchschnitts-Ägypter ein Vermögen ist.

Das Paradoxe an der ganzen Geschichte ist, wie das Regime seine Kritiker in dieser Schlacht bekämpft. Es hat alle seine verfügbaren Medien dafür eingespannt, die Gegner des Abkommens kübelweise mit Dreck zu bewerfen und ihnen Hochverrat zu unterstellen, weil sie in dieser Sache dem Präsidenten Sisi die Gefolgschaft verweigern. Dies bedeute nichts weiter als dass diejenigen, die sagen, die Inseln seien ägyptisch, Verräter sind, während diejenigen die sagen, sie gehören Saudi- Arabien, als Patrioten gelten. Was für eine verkehrte Welt!
Am 16. Januar 2017 fand das Kapitel seinen vorläufigen Abschluss, indem das das Oberverwaltungsgericht als letzte Instanz sein in 58 Seiten begründetes finales unwiderrufliches Urteil8 fällte: „Die Inseln waren, sind und werden für immer untrennbarer Teil von Ägypten bleiben. Demnach ist das Abkommen nichtig.“.
Trotz dieses Urteil des höchsten Gerichtes will das Regime noch immer nicht die Waffen strecken und versucht nun über sein maßgeschneidertes Parlament, das Abkommen doch noch zu retten. Dies wird logischerweise nicht funktionieren, aber was war 2016 schon logisch?

Wenn sich der Staub dieser Schlacht legt und man den nötigen Abstand zum Schlachtfeld gewinnt, stellt sich die berechtigte Frage; warum Saudi-Arabien die beiden Felsen im Roten Meer will. Und warum gerade jetzt?

wahre Grund für die Übereignung der Inseln an Saudi-Arabien wurde jedoch nicht genannt. Saudi-Arabien braucht die beiden Inseln überhaupt nicht. Hier geht es um Israel, das neben seinem offensichtlichen militär-strategischen Interesse an dieser Wasserstraße sein altes Kanal-Projekt wiederbeleben will. Der Kanal sollte – als Konkurrenz zum Suez-Kanal – das Rote Meer über den Golf von Aqaba und das Tote Meer mit dem Mittelmeer verbinden. Dafür darf die Kontrolle über den Golf von Aqaba nicht in ägyptischen Händen bleiben.

Der Politische Islam

Mit dem Aufstand vom 30. Juni 2013 haben die Ägypter die Herrschaft der Muslimbrüder beendet. Die Meisten dachten, dass damit das Kapitel des politischen Islam und des Missbrauchs der Religion für immer abgeschlossen sei. Dies wurde sogar mit dem Artikel 74 der Verfassung von 2014 besiegelt; es dürfen keine Parteien auf Religionsbasis zugelassen werden.

Die Partei der Muslimbrüder wurde aufgelöst und verboten, doch die „Salafisten“ mit ihrer archaischen „Weltanschauung“ blieben. Sie genießen bis jetzt nicht nur Organisations- und Bewegungsfreiheit, sondern auch eine Art gegenseitiger Unterstützung durch die Zusammenarbeit mit Machtzentren im Staat.

Die nicht abreißen wollende Kette der islamistischen Terroranschläge veranlasste General Sisi zu einem wiederholten Aufruf an seine staatlichen Institutionen für Religionsangelegenheiten (Azhar und Ministerium für religiöse Stiftungen), sie mögen bitte den religiösen Diskurs erneuern. Nichtdestotrotz dürfen die Salafisten mit offiziellem Segen besonders auf dem Land ihren Einfluss ausweiten und ihr
Unwesen treiben.

Die Rechte von Andersdenkenden sind in Gefahr, bzw. die Religionsfreiheit für Christen, Bahai’s und sogar Schiiten. Diese religiösen Minderheiten werden in Ägypten von islamischen Fanatikern einfach als „Ungläubige“ angesehen, und damit für „Kriegsbeute“ deklariert. Die Liste der Übergriffe aus diesen fanatischen Gründen ist sehr lang, schon seitd Präsident Sadat 1971 sie mit „El Zauia El Hamra“ angefangen hat. Doch beschränken wir uns auf die Gegenwart, auf das Jahr 2016.

Sieben Kirchen – hauptsächlich auf dem Land – bei Luxor, Asiut, Minia Kairo und Alexandria wurden in Brand gesteckt. Sechs Mal wurden Häuser und Geschäfte von Christen angegriffen, ausgeraubt, verbrannt und deren Bewohner verprügelt und vertrieben. In vier weiteren Fällen wurden Christen „geschlachtet“, d.h. mit der IS- Methode des „Schlachtens“ wie bei der „Opfergabe“ durch Trennung des Kopfes vom Körper hingerichtet, in Tanta, Ariesch, Zagazig und Schubra. Alle diese Verbrechen fanden vor Publikum statt.

Das größte Problem ist aber, dass in keinem dieser Fälle der lange Arm des Gesetzes so lang war, dass er irgendjemanden zur Verantwortung ziehen konnte. Das Regime besteht darauf, diese Art „Probleme“ außergesetzlich, außergerichtlich zu behandeln. Deshalb wurde ein Gremium namens „Das Familienhaus“ ins Leben gerufen. Dadurch kommen alle Verbrecher ungestraft davon, der islamistische Terror wird ermutigt, und die Opfer müssen Zuflucht und Halt in der Institution Kirche suchen, d.h. sie können nicht als „Bürger“ ihr Recht beim Saat einklagen.
Nur zwei Beispiele dieser „Zwiespältigkeit“:

Im Dorf Kom Elloufi im Gouverneurat Minia haben 15 Salafisten einem christlichen Bauern unterstellt, er „beabsichtige“ aus seinem im Bau befindlichen Haus eine Kirche zu machen. Am 23.6.2016 versammelten sich ca. 300 Muslime vor dem vermeintlichen Haus und steckten es in Brand. Das Feuer sprang auf drei weitere Nachbarhäuser über. Alle vier brannten vollständig nieder.

Der zweite Fall, auch in Minia, im Dorf El Karm, im Oktober 2016 uferte in einen moralischen Skandal aus. Eine 70-jährige Christin wurde von fanatischen Barbaren komplett nackt ausgezogen und mit hysterischem Geschrei durch die Straße geschleift, bis eine muslimische Nachbarin sie gerettet und diesem massenpsychotischen Spuk ein Ende gesetzt hat.

Dieser Skandal hat die Gesellschaft in ihren Grundfesten so heftig erschüttert, dass sich General Sisi beim Opfer offiziell entschuldigen musste und versprach, die Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen. Dies war jedoch leider nur ein Lippenbekenntnis, die Tat blieb ohne Folgen: Am 25. Januar 2017 wurden die letzten fünf Angeklagten freigesprochen und der Fall ad acta gelegt. Die Hilfeschreie der Christen und aufrichtigen Muslime im ganzen Land an Sisi persönlich blieben bis heute wirkungslos.

Außenpolitik

Selbst wenn es zu diesem Thema auch sehr viel zu sagen gäbe, beschränke ich mich im Folgenden auf nur einen einzigen Aspekt, der die Doppelgesichtigkeit der internationalen Politik illustriert.

Der Westen

Seit seinem Amtsantritt versucht General Sisi den Westen davon zu überzeugen, dass die ägyptischen Militärs die besseren und verlässlicheren Partner des Westens in der Region des Nahen Ostens sind. Es hat etwa ein Jahr gedauert, bis sich der Westen davon überzeugen ließ. Der Besuch von Siegmar Gabriel in der sog. Wirtschaftskonferenz von Scharm-El-Scheich im März 2015 war das erste Signal dafür.

Hatte der Westen unmittelbar nach der „Revolution“ noch die Rechtmäßigkeit der Militärregierung angezweifelt, stellte er nach diesem Zeitpunkt plötzlich alle seine „Sorgen über die Demokratie“ in Ägypten ein und eröffnete ein neues Kapitel in der Beziehung zur „neuen“ politischen Elite des Landes.

Dies hat seinen Grund: Das Sisi-Regime ist unerlässlich für einen weiteren Deal über die Einschränkung der Flüchtlingsströme aus der Region. Dabei geht es um ganz Afrika und nicht nur um die durch die Kriege Vertriebenen. Diese Kriege kommen früher oder später zu Ende, jedoch die wirtschaftliche Entwicklung und die Bekämpfung der Missstände in den meisten afrikanischen Ländern ist eine langfristige Aufgabe, für die die Europäer einen starken Gefängniswärter wie Sisi brauchen.

Zudem können sich die Europäer einen „Failed State“ Ägypten mit über 90 Millionen Einwohnern nicht leisten, besser ist es also, das Regime zu unterstützen.
Alle Informationen über die Ereignisse gegen die Christen sind den verschiedenen Druck- und Internet- Medien entnommen, hauptsächlich aber von den Arbeiten des Journalisten und Forschers Mr. Nader Shokri.

Die Unterstützung des Unrechtsstaates hat noch einen weiteren Vorteil für den Westen: Eine richtige Entwicklung in Ägypten mit halbwegs demokratischen Strukturen würde zu immer mehr Unabhängigkeit, Interessenkonflikten und einer für den Westen unberechenbaren Neuordnung der bündnis-politischen Landschaften in der Region führen. Dies will keine der westlichen Regierungen riskieren, auch wenn sie dies niemals offiziell zugeben würden. Deshalb ist es deren Maxime, das bestehende Regime am westlichen „Tropf“ um jeden Preis halten.

Das erklärt u.a. auch die Art dieser Unterstützung, über die Jessica Noll in ihrem erwähnten Artikel so sich wundert; „... Da Ägypten keiner akuten äußeren Bedrohung ausgesetzt ist, lässt sich kaum rechtfertigen, dass das von wirtschaftlichen Problemen gebeutelte Land die zehntgrößte Armee der Welt mit ca. 440.000 aktiven Soldaten unterhält.“.

In ihrer Resolution vom 25. Mai 2016 kritisierte „Amnesty International“ die EU; ca. die Hälfte der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union hat eine EU-weit verhängte Waffenexportsperre nach Ägypten missachtet. Damit riskiert die EU die Komplizenschaft in einer Welle von außergesetzlichen Morden, gewaltsamen Verschwinden von Oppositionellen und Folter.

„Deutsche Rüstungsbetriebe beliefern Ägypten schon seit vielen Jahren mit Waffen und Rüstungstechnologie. Allein zwischen 2001 und 2013 bewilligte Deutschland den Verkauf von Kriegsgütern im Wert von über 361,8 Millionen Euro an den Wüstenstaat. Dabei handelte es sich laut der Datenbank der Campaign Against Arms Trade (CAAT) vor allem um Panzer und Fahrzeuge, um elektrische Geräte, Kriegsschiffe, Munition, technische Ausstattung und Kleinwaffen, aber auch um Bildausrüstung und Fluggeräte.

Diese Rüstungsexporte nach Ägypten wurden von der deutschen Bundesregierung genehmigt, obwohl die Lage in dem Land nach Einschätzung des Bonn International Center for Conversion (BICC) vor allem in den letzten Jahren alles andere als unproblematisch ist.“

In seinem Bericht vom 19. Dezember 2016 zur Vorlage beim amerikanischen Kongress hat der „Congressional Research Service“ Ägypten den ersten Platz unter den Entwicklungsländern im Volumen seiner Waffenimporte für 2015 mit 5,3 Milliarden U$-Dollar und den zweiten Platz nach Qatar im Volumen der geschlossenen Waffenverträge mit ca. 12 Milliarden U$-Dollar gegeben.

Fazit

Ist es wahr, was das Sisi-Regime uns Ägyptern weismachen will, dass es uns besser als den Syrern, den Libyern, den Irakis oder Jemeniten geht?
Lassen wir Revue passieren ... eine nicht enden wollende Reihe von Särgen der Opfer des Terrors aus Sinai und anderen Teilen des Landes, ... ein Land, aus dem die jungen Menschen den höchstwahrscheinlichen Tod auf einem überfüllten Schlepperboat im Mittelmeer dem Leben in der Heimat vorziehen, ... ein ständig sich dezimierendes Einkommen, das ohnehin kaum zum Überleben reichte, ... eine rasante Inflation, ... eine auf allen Ebenen grassierende und außer Kontrolle geratene Korruption, ... Gesetze und Verfassung, die täglich mit Füßen getreten werden, ... Bildung und Gesundheit, die zu Privilegien der Superreichen geworden sind, ... ein Staat, der nicht in der Lage ist, den Prüfungsbetrug in den Schulen zu unterbinden oder den Verkehr auf den Straßen zu regulieren, ... usw., usw...

Die Ägypter müssen das alles hinnehmen... und wofür?! ... für ihre Sicherheit, die nur durch den Erhalt des „Staates“ realisiert werden kann. Was bedeutet – oder was ist der Wert der – „Sicherheit“ unter diesen Umständen?!

Nein; uns geht es nicht besser...

(Der Original-Artikel enthielt eine Reihe von Illustrationen und Fußnoten. Aus technischen Gründen sind sie in der RATIONALGALRIE weggefallen).