Cem Özdemir findet Thomas de Maizières imperiale Pläne wirklich gut: Für "angemessen" und "richtig" hält der Bundesvorsitzende der Grünen die Aufstockung der Bundeswehr-Kontingente für Auslandseinsätze. Allerdings möchte er gern "Zweifel" ausgeräumt haben: "Es kann nicht um die Durchsetzung deutscher Wirtschaftsinteressen mit militärischen Mitteln gehen", sagt der Diplom-Sozialpädagoge aus Bad Urach. So ist es mit ihm, so ist es mit der Mehrheit der Grünen: Erst mal den Militarisierungsplänen zustimmen: Das macht gesellschaftsfähig, dann Zweifel anmelden, das beruhigt die Basis. Wenn dann neben den "humanitären" Gründen so ganz nebenbei auch die Wirtschaftsinteressen durchgesetzt werden, dann soll das unser Kollateral-Schaden nicht sein.
Özdemir war mal weg. Damals als er sich ausgerechnet vom dubiosen PR-Berater Hunzinger 80.000 Mark geliehen hatte. Das kostete den Grünen sein Bundestagsmandat. Hunzinger, der auch den Afghanistan-Minister Scharping finanziert hatte, wurde an der US-Militärakademie Valley Forge in Wayne Pennsylvania graduiert. Ein seltsamer Ausbildungsweg für einen deutschen Medienberater. Als Özedmir mal weg war, hielt er sich auch in den USA auf: Als Transatlantic Fellow (transatlantischer Kumpel) der US-Beeinflussungsagentur "German Marshall Fund of the US, Washington DC". Aus dieser Zeit stammt auch seine Unterschrift unter einen offenen Brief gegen die Politik des russischen Staatsoberhauptes Putin. Einer der Initiatoren des Briefs war Richard Perle, ein guter Kumpel des US-Präsidenten George W. Bush und Hauptkriegsplaner der amerikanischen Neokonservativen.
Diese besondere USA-Nähe Özdemirs führte sicher auch zu seinem Entsetzen, als Wikileaks rund 400.000 Geheimdokumente zum Irak-Krieg veröffentlichte. Nicht der Krieg ohne Grund, seine Toten oder die Foltermethoden der US-Armee berührten den Grünen-Funktionär, er fand allein die Veröffentlichung "ethisch bedenklich". Zum Afghanistan-Krieg gibt es bisher keine ethischen Äußerungen des ehemaligen Europa-Abgeordneten und außenpolitischen Sprechers der Grünen. Sorgen macht er sich, dass "viele Deutsche hinter dem Bundeswehr-Einsatz Fragezeichen sehen." Obwohl: "Leider sind die Einsatzziele - Vertreibung von Al-Qaida, Absetzung des Taliban-Regimes und vor allem die Absicherung eines zivilen Wiederaufbaus und das Voranbringen dieses Aufbaus nur teilweise erreicht." Deshalb winkt die grüne Fraktion im Bundestag auch regelmäßig Beschlüsse zum Afghanistan-Krieg durch: Weil Ziele, die nie definiert worden sind, natürlich bisher nicht durchgesetzt werden konnten, und auch in den nächsten 100 Jahren keine völkerrechtliche Basis haben werden.
"Wir haben nie gesagt, dass wir nicht auch Partner der Union sein können", stellt der Bundeschef der Grünen fest. Und weil die Nähe zur Kriegspolitik der CDU allein nicht reicht, ist Özdemir auch nicht für einen richtigen Mindestlohn, sondern für "den angelsächsischen Weg, wo eine nicht an Weisungen gebundene Kommission Mindestlöhne je nach den Gegebenheiten der Branchen und Regionen definiert." Nur ja kein Gesetz heißt das, nur keine öffentlich Kontrolle. Ähnlich ist die Haltung Özdemirs zum Hartz IV-Komplex. Dort will der Grüne "endlich für Aufstiegsmobilität sorgen. Wir Grünen müssen uns überlegen, ob diese Aufstiegsmobilität primär durch Transferleistungen gewährleistet werden kann." Von "Aufstiegsmobilität" versteht er was. Deshalb bescheinigte er in einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" dem Verteidigungsminister de Maizière "Sachlichkeit und Seriosität".
Wer Cem Özdemir als scheinheiligen Kriegstreiber bezeichnen würde, der sollte straffrei bleiben können. Wer allerdings Özdemir in der CDU/CSU besser aufgehoben sieht als bei den Grünen, der irrt: Längst haben sich die Grünen zu einer ordentlichen Mittelstandspartei entwickelt, deren schwächliches Anti-Atom-Engagement nur noch vage an die frühere grüne Partei erinnert.