In der Debatte um das europäische Schulden-Chaos hat sich jetzt auch der mehrfach dekorierte Büttenredner der FDP, das Brüderle, eingemischt: Euro-Bonds, sagt der Mann, der Wirtschaft immer mit der Eckkneipe verwechselt, Euro-Bonds seien ZINS-SOZIALISMUS. Frau Merkel ist gegen die Bonds, der Finanzminister ist dagegen, der Wirtschaftsminister natürlich auch. Weil, so die Argumentation, die gemeinsamen Schuldscheine der Euro-Länder zwar den Schulden-Wackel-Ländern geringere Zinsen ermöglichen, aber den Schulden-Ländern, ohne unmittelbare Pleitebedrohung, höhere Zinsen abfordern. Und schon sind wir bei Brüderles ZINS-SOZIALISMUS: Er sieht in den Bonds die Enteignung der reicheren Länder zugunsten der armen. Selbst wer nur TV schaut, kann dem Brüderle in der ökonomischen Analyse voraus sein: Denn spätestens seit der wilden Spekulation gegen die französische Großbank Société Générale, gibt es außer Deutschland nur noch Wackelkandidaten in der Euro-Zone. Die Staaten, die ihre Banken nicht unter Kontrolle kriegen, geben sich selbst in deren Hände. Wann die Bundesrepublik, im Gefolge der anderen Euro-Länder, ins Wanken gerät, ist nur eine Frage der Zeit.
Die diversen Rettungspakete, die unter den Namen Irland, Griechenland oder Portugal firmieren, sind natürlich Rettungsgeschenke an die europäischen Banken. Wie auch die nächsten Milliarden, die dann den Namen Italien, Spanien oder Frankreich tragen würden und ohne große Umwege im Banken-System landeten. Beispiel Griechenland: Rund 200 Milliarden wird die vorgebliche Rettung Griechenlands kosten. Diesen Rettungsplan hat der Finanzminister ausgerechnet den Ackermann von der Deutschen Bank ausarbeiten lassen. Das ist so, als ob man einen Heroinsüchtigen mit der Zerschlagung eines Dealer-Rings beauftragen würde. Natürlich hat der Plan, außer den Gläubigerbanken Griechenlands, niemandem genutzt. Die Euro-Krise ging und geht weiter. Und wenn Brüderle in Zusammenhang mit den Euro-Bonds von Enteignung faselt, dann unterschlägt er natürlich die eigentlich Beraubten: Die Mehrheit der EU-Bürger, die seit Jahren durch Lohnverzicht, schwere Einschnitte in die sozialen Netze und munter wachsende Mehrwertsteuern unfreiwillig in den Banken-Rettungsfonds einzahlen.
Dass die Euro-Zone zerbrechen kann, löst in den beteiligten Staaten, insbesondere in der deutschen Bundesrepublik, nationale Fluchtreflexe aus: Von der Flucht aus der Verantwortung bis zur Flucht aus dem Euro ist alles dabei, was zum Auseinanderbrechen des Euro-Systems führen kann. Wenn ausgerechnet die politische Führung des Exportlandes Deutschland mit ihrer Verantwortungsverweigerung weitere Schritte in den Euro-Abgrund unternimmt, dann ist das außergewöhnlich dumm: Denn wenn der europäische Markt weg bricht, bricht auch der deutsche Export zusammen. Die EU braucht mehr Integration, nicht weniger. Die EU braucht die Angleichung der Lebensverhältnisse, mehr gemeinsame Wirtschafts- und Sozialpolitik und nicht weniger, wenn man nicht zur National-Staaterei zurückkehren will. Zu dieser Angleichung gehören auch gemeinsame Anleihen aller Länder der Währungsunion. Spekulationen gegen einzelne Länder sind dann schlechter möglich. Die Zinsen dürften insgesamt günstiger ausfallen. Auf Dauer würden die "Rettungs"-Kosten sinken.
Bisher sind es die enteigneten Bürger Europas, die mit Einsparungen, mit der Verschlechterung ihres Lebensstandards, die Banken-Rettung finanzieren. Dabei sind in den Haushalten der europäischen Staaten noch jede Menge Einsparmöglichkeiten, die nicht die privaten Haushalte belasten würden. Der deutsche Steuerzahler alimentiert zur Zeit mit 3,7 Millionen den Libyen-Krieg. An dem nimmt Deutschland zwar nicht offiziell teil, aber weil unser Land mit etwa 15 Prozent an allen NATO-Kosten beteiligt ist, darf es auch diesen Krieg mittragen. Gemessen an den anderen Aufwendungen ist das natürlich ein Kleckerbetrag. Auch die jährlich gut 120 Millionen des deutschen NATO-Mitgliedsbeitrages könnten, würde man sie streichen, den Haushalt nicht sanieren. Aber wenn man sich die vielen Auslandseinsätze der NATO sparte, vom Jugoslawienkrieg bis zum Krieg in Libyen, wäre man der Sanierung der europäischen Haushalte schon ein gutes Stück näher gekommen. Beispiel Kosovo-Krieg: Eine Bundeswehrstudie schätzte ein, dass der militärische Preis des Krieges bei 11 Milliarden (damals noch DM) lag. Die Wiederaufbaukosten sollten nach der selben Studie bei etwa 80 Milliarden liegen. Das Ergebnis der "friedenssichernden und friedenserhaltenden Mission" ist, gut zehn Jahre nach dem Krieg, in diesen Tagen zu besichtigen: Nichts ist gut im Kosovo.
Es ist zum Beispiel die NATO, die sich die Europäer sparen könnten, um ihrer Enteignung entgegenzuwirken. Erst recht wenn man beobachten kann, dass die USA zur Zeit an ihrem extrem hohen Militärhaushalt zu zerbrechen drohen. Aber es ist natürlich auch das dumme Gequatsche der Sorte Brüderle, die sich die Menschen in Europa sparen könnten. Das würde nicht unmittelbar zur Besserung der finanziellen Lage beitragen, wäre aber ein schöner Beitrag zum Umweltschutz: Die schädlichen Emissionen europäischen Politiker-Blödsinns zur Vernebelung der Gehirne würden aufhören und wirkliches Nachdenken könnte beginnen.