Ohne Hoffnung könnten wir uns gleich vom Leben abwenden, schrieb mir eine Freundin aus den USA. Nach den Jahren unter Bush könne alles nur besser werden, zumindest wenn im November dieses Jahres der charismatische Barack Obama gewählt werden würde. Der Mann, der schon lange gegen den Irak-Krieg war, der Mann, der ein großes Tabu brechen könne, jenes, dass ein Farbiger niemals Präsident der USA würde. Der Mann, der dem amerikanischen Traum, das Land der Freien zu sein, nach all der Zensur und Selbstzensur im »Kampf gegen den Terror« wieder Leben einhauchen werde. Und jetzt ist diese fleischgewordene Hoffnung auch bei uns, jubeln ihm tausende an der Berliner Siegessäule zu: Obama, der Kandidat der Deutschen im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf.

Fast drei Viertel der Deutschen wünschen sich Obama als den nächsten Präsidenten der USA. Denn Obama ist nicht das, was sich die Deutschen unter einem Amerikaner vorstellen. Er ist scheinbar nicht jene enge, nur auf die USA fixierte Figur, ohne Interesse an anderen Ländern, wie sie der Welt in der lebenden Karikatur George Bush präsentiert wurde. Obama hat Jahre außerhalb der USA gelebt, ist fraglos gebildet und seine Hautfarbe ist kein Signal für Erlösung aus der Unterdrückung, es ist ein Signal für Weltläufigkeit. Ob es auch ein Signal für eine grundsätzliche Änderung amerikanischer Politik ist, darf bezweifelt werden.

Nun war der Mann in Berlin und hat seine Rede gehalten: Warme Töne und ein routiniertes Lächeln, viele Floskeln und wenig Konkretes. »Aber Liebes», wird meine amerikanische Freundin sagen, »was erwartest Du, der Mann ist im Wahlkampf!«. Ich gebe zu: Ich hatte heimliche Erwartungen, an den Anti-Bush, an das neue Amerika, auf einen Kandidaten ,der eine USA verkörpert, die es vielleicht nur in meinen Wünschen gibt. So lausche ich ihm und frage, was soll ein Satz wie: »Unsere Generation muss der Welt etwas hinterlassen. Die Herausforderungen sind groß, der Weg ist lang, aber ihr Bürger von Berlin, wir sind Erben des Kampfes um Freiheit.« So einen Satz würden wir der Merkel, die immerhin irgendwo am Rande der DDR-Bürgerrechtgewegung gestanden hat, nie durchgehen lassen. Warum muss diese Generation was hinterlassen und was soll es sein? Obama ist der Erbe des Vietnam-Krieges, der Schweinebucht und des Irak-Kriegs. Wir sind die Erben von Hitler und Honecker. Und nun?

Und nun will der Kandidat, dass die US-Truppen in sechzehn Monaten den Irak verlassen. Immerhin, die Notbremse will er ziehen. Zugleich möchte er die Truppen in Afghanistan deutlich verstärken. Für was, für wen? Da klingt dann ein Satz wie »Amerika hat keinen besseren Partner als Europa« aus der Obama Rede eher wie einer Drohung. Und: »Dies ist der Augenblick, wo wir uns zusammennehmen müssen, um den Planeten zu retten« Hätten Sie´s nicht ein bisschen kleiner, darf man mit dem Berliner Tucholsky fragen und ich, in seinem schwachen Echo: Geht es vielleicht auch konkreter? Yes we can, rufen sie in der Menge der 200 000 und ich, ein wenig einsam in meiner Skepsis, stelle die Frage was können wir denn, mit Obama.

Sage mir, wer Dein Berater ist und ich sage Dir, wer Du bist. Der wesentliche außenpolitische Berater Obamas ist Zbigniew Brzezinski, der alte antikommunistische Haudegen, der immerhin den Irak-Krieg missbilligte. Nicht aus Gründen der Moral, versteht sich, er hielt den Krieg für dumm. In seinem jüngsten Buch, »Second Chance«, sieht er Europa als transatlantischen Brückenkopf der USA. Hier insbesondere ginge es darum, so in seiner programmatischen Arbeit »The great chessboard«, dass die USA das Ziel verfolgen solle, »die beherrschende Stellung Amerikas für noch mindestens eine Generation und vorzugsweise länger zu bewahren.« Von seinem Predigerfreund Reverend Jeremia Wright, der offene Worte zum Rassenkonflikt in den USA fand, hat sich Obama getrennt. Zu seinem offen imperialistischen Theoretiker Brzezinski geht Obama bisher nicht auf Distanz.

Beifall brandet auf unter den Massen, die den eleganten Mann unter der Siegessäule bejubeln wie einen Pop-Star. «Jetzt ist die Zeit, neue Brücken zu bauen« sagt der Kandidat und in meinem Kopf sehe ich eine Kommandobrücke und oben steht er und unten stehen wir und weiss jetzt schon, dass meine Freundin mir schreiben wird, dass ich einfach zu pessimistisch bin und wer zu skeptisch ist, der wird nie den »Wandel« herbeiführen. Und beharrlich frage ich: Welchen Wandel und für wen?