Das Böse ist immer
und überall.
Erste Allgemeine Verunsicherung

Es soll eine Flut geben, sagt der seriöse Mann mit düsterer Stimme und bedrückter Miene. Zwar wisse man nicht genau, wo die Flut stattfinden würde, auch wann sei ungewiss. Woher die Information denn käme, könne er leider auch nicht sagen, klingt es dumpf aus dem Bildschirm, aber sie käme. Bald. Dann gibt er an den Flut-Experten weiter. Der sagt, alles sei möglich. Die Flut könne kommen oder auch nicht. Hier oder dort, heute oder übermorgen. Treu schauen seine Augen und vor Bedeutung zittert seine Stimme.

Eine solche Flut-Meldung würde empörte Anrufe bei den Sendern zur Folge haben. Fragen nach dem 1. April wären ebenso denkbar wie die Rückforderung von TV-Gebühren. Wird das Wort "Flut" aber durch das Wort "Terror" ersetzt, dann ist alles möglich: "Aus den USA" käme eine Sicherheitswarnung: Man solle besser nicht nach Deutschland fahren! So geistert es durch Print- und TV-Meldungen. Wer hat wann vor wem gewarnt? Die klassische Journalistenfrage vor der Formulierung einer Nachricht stellt sich beim mystischen Thema Terror anscheinend nicht mehr. Aber wenn schon jemand in Australien (via stern.de) von Reisen nach Europa abrät, dann..., wendet der zuständige Redakteur ein, als erhöhe die Ferne der Quelle ihre Bedeutung.

Es sei bekannt, dass das Terrornetzwerk Al-Kaida "längerfristig" Anschläge in den USA, in Europa und auch in Deutschland plant, erklärte der Sprecher von Innenminister Thomas de Maizière (CDU), Stefan Paris, in Berlin. Diese Informationen ergäben sich aus "nachrichtendienstlichem Aufkommen". Die "Rheinische Post" orakelt: "Ein Terroranschlag in Deutschland wird kommen - die Frage ist nur, wann." Die "Zeit" spekuliert: "Die Gefahr von Anschlägen in Deutschland gilt als unvermindert hoch. Der "Tagesspiegel" weiß von Hinweisen zweier "Islamisten, die zur Zeit intensiv befragt werden". "Intensiv" ist das Schlüsselwort für Folterung. Die Briten (welche auch immer) sehen Frankreich im Visier des Terrors, aus Großbritannien (von wem auch immer) gibt es Hinweise auf Frankreich.

Und dann kommt auch noch Elmar Theveßen ins Bild: Blass und so unscharf wie seine Kommentare darf der ZDF-Terrorismus-Experte seinen Senf auf die Terror-Wurst schmieren: Er kann nichts ausschließen, sagt er unfroh, aber bestätigen kann er auch nichts. Wie wird man eigentlich "Terrorismus-Experte"? Muss man diese oder jene Bombe schon selbst geworfen haben? Reicht es einen zu kennen, der einen gekannt hat? Oder muss man ein paar Jahre Bundesnachrichtendienst auf dem Buckel haben? Bei Theveßen ist zu vermuten, dass er einen getroffen hat, der mal was über Terrorismus gelesen hat. So entsteht Qualitätsjournalismus. So greift man aus der Luft eine Bedrohungslage, die zu einer Beunruhigungslage eskaliert und aus der erstklassige Angst destilliert wird.

Und Angst braucht man dringend: Um zu übertünchen, dass nicht "die Islamisten", sondern die USA und ihre Willigen die Aggressoren in Afghanistan und Pakistan sind. Um die Präsenz der Bundeswehr in diesem oder jenem Land zu rechtfertigen. Um neue, wunderbare Sicherheitsgesetze zu erfinden, die mit Sicherheit nur der weiteren Durchleuchtung der Bürger dienen. Um zu überspielen, dass über Pakistan so viele US-Drohnenangriffe auf die Köpfe von Zivilisten und vielleicht auch Taliban niedergehen wie seit Jahren nicht mehr. Siehste, sagt an dieser Stelle der begabte Nachrichten-Macher im genialen Kehrschluss, wenn die USA das machen müssen, dann wird was dran sein an der Terrorgefahr, also melden wir sie auch.

Wo eine Flut ist, da ist auch eine Quelle. Und wo eine Quelle ist, da kommt die Flut ganz sicher. Spätestens dann, wenn sonst nichts zu melden ist.