Es sind nur 2,8 Millionen, sagt die Dame vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung beruhigend. Millionen für eine Anzeigenkampagne der Angela Merkel in allen Zeitungen des Landes: BILD, FAZ, SÜDDEUTSCHE und so weiter. Und in allen Zeitschriften: SPIEGEL, STERN, FOCUS, ohne Ende. Sogar in den TV-Beilagen. Bis zum Ende des Monats wird uns das verkrampfte Lächeln der Kanzlerin aus fast allem angucken, was wir lesen. Pünktlich zum Ende des CDU-Parteitages macht uns Merkel weis, dass Deutschland die "weltweite Wirtschaftskrise . . . gemeistert hat". Sicher, verglichen mit den 480 Milliarden für die Banken, gezahlt im Oktober 2008, sind die Anzeigenkosten lächerlich. Auch am Schutzpaket für den Euro gemessen, im Mai durch das Parlament gepeitscht und mit Kosten für den Steuerzahler von 148 Milliarden verbunden, ist die Selbstbeweihräucherungskampagne der Merkel echt preiswert.

Während Frau Merkel noch wie trunken aus der Anzeige lächelt - immerhin ist sie in der Parallelwelt in der ihre Partei lebt, gerade heftig bestätigt worden - sieht die angebliche Bewältigung der Wirtschaftskrise so aus: Jeden Moment können die EU-Staaten Irland, Griechenland und Portugal den Konkurs anmelden. So groß ist kein Rettungsschirm, dass von diesen Konkursen nicht auch Spanien und Italien erfasst würden. Noch lebt Deutschland vom Export. Der setzt Länder voraus, in die man exportieren kann. Die werden immer weniger. Denn "gerettet" wurden die Banken, die Finanzwirtschaft. Die Kosten dieser Rettung aber tragen, ob in Griechenland, Spanien oder in Deutschland, die normalen Menschen. Jene, die mit ihren Käufen den Binnenmarkt stärken könnten, denen aber das Geld dafür fehlt.

Seit dem Jahr 2000 ist die Lohnquote (Anteil des Arbeitnehmereinkommens am Volkseinkommen) im freien Fall. Die Real-Löhne sanken. Dafür stieg die Armutsquote um ein Drittel auf 18 Prozent. Dass parallel die Einkommen der Spitzenmanager, unter ihnen natürlich auch die der sanierten Bänker, explodierten, versteht sich. Das reichste Zehntel der Bevölkerung besitzt mehr als die Hälfte des Volksvermögens. Die Energiepreise steigen, die Heizkostenzuschüsse sinken. Das Elterngeld wird teilweise gestrichen. Beitragsübernahmen für die Rentenversicherungen werden begrenzt. Rund sieben Millionen Geringverdiener bekommen weniger als neun Euro die Stunde. Die Zahl der Leiharbeiter und Minijobber ist gestiegen. Die schändliche Debatte um die Erhöhung des Rentenalters wird munter weiter geführt. Die Binnenkaufkraft, die einzige Möglichkeit auf Dauer die Realwirtschaft zu stärken, sinkt. Aber Merkel erzählt: "Die Welt schaut auf unser Land und spricht von einem Wunder." 

Wer sich erinnern will - Merkel & Co. zählen nicht dazu - der weiß, dass nach der Finanzkrise von der Regulierung der Märkte gesprochen wurde. Statt dem Finanzmarkt Regeln zu geben, hat man ihm Geld geschenkt. Statt das Missverhältnis von Kapitalertrag und Lohnarmut zu beseitigen, ließ man die Finanzwirtschaft aus Kapital neue Spekulationsblasen pusten. Statt den Spitzensteuersatz anzuheben, um die Verteilungsungerechtigkeit anzugehen, wurden die Klienten der Regierung im Hotelwesen und der Energie-Industrie mit einem wahren Geldsegen bedacht. Dass diese Gruppen an Wunder glauben, ist zu begreifen. Hinter dem Lächeln der Merkel ist nur eine Regel erkennbar: Sie will politisch überleben. Deshalb verspricht sie in der Anzeige, dass sie weiter sparen will. Wir wissen wo. Dass sie die "Bildungsrepublik" schaffen wird verspricht sie auch. Wir wissen, dass sie die schon vor zwei Jahren ausgerufen hat und kennen das Null-Ergebnis. Sie schwört die "Energieversorgung" zu sichern. Die längeren Laufzeiten sind bekannt. Und sie redet in der Anzeige von einem "fairen Sozialausgleich", wenn sie über das Gesundheitswesen schwadroniert, wohl wissend, dass nur die Patienten diesen "Ausgleich" bezahlen.

In all den Zeitungen, die Merkels Anzeige gern und unkommentiert veröffentlichen, zeigt das Aufmacherfoto einen Briten-Prinz und dessen künftige Frau: "Traumhochzeit" jubelt die "Bildzeitung", vom "britischen Traum" schwärmt "Die Welt". Die "FAZ" sorgt sich um die Zukunft des "62 Jahre alten Vaters", und die "Süddeutsche" textet über den "von vielen Untertanen sehnlich erwarteten Satz . . ."der Prince of Wales ist entzückt . . die Verlobung bekannt zu geben". Es gibt eine Untertänigkeit, eine Traumseeligkeit, die ist schlicht zum Kotzen. Hinter dem Vorhang der Adelsherrlichkeit lauert der Zusammenbruch der Systeme. Und während wir in den nächsten Monaten mit Brautkleidern gefüttert und mit Hochzeits-Szenarien gestillt werden, spielt das EU-Orchester eine Dissonanz nach der anderen, vergeigt die Bundesregierung jeden sozialen Ton, schwätzt die deutsche Dirigentin davon, dass "eine gute Zeit vor uns liegt". In Wahrheit bricht die Zeit der Zahnärzte an: Denn der Untertan braucht viele Zähne zum Knirschen. Wenn er doch nur beißen würde.