Der Krieg ist nichts als ein erweiterter Zweikampf. Wollen wir uns die Unzahl der einzelnen Zweikämpfe, aus denen er besteht, als Einheit denken, so tun wir besser, uns zwei Ringende vorzustellen. Jeder sucht den anderen durch physische Gewalt zur Erfüllung seines Willens zu zwingen; sein nächster Zweck ist, den Gegner niederzuwerfen und dadurch zu jedem ferneren Widerstand unfähig zu machen. Der Krieg ist also ein Akt der Gewalt, um den Gegner zur Erfüllung unseres Willens zu zwingen."
Carl von Clausewitz (1832f, neu 1980). Vom Kriege.
Vor-Vorgestern rief man ihn noch Einsatz. Vorgestern war er noch einem Krieg ähnlich. Gestern geriet er in die Umgangssprache. Der arme Krieg, zu einem ein Gossenwort verkommen? Zeitweilig ging es nicht mehr darum wie er hieß. Nur noch darum, wie er ausgestattet war: Warme Sachen, feste Schuhe, und dass Du mir den Schal nicht vergisst? Aber jetzt, nur ein paar Tote weiter, wächst sich der Einsatz, der zeitweilig auch ein Konflikt war, zum Krieg aus. So, wie der Bub zum Pubertierenden wird und von dort zum Totschläger? So, wie Naturgesetze funktionieren. Und das wächst sich raus?
"Viele nennen den Einsatz in Afghanistan Krieg. Und ich verstehe das gut", wagt die Tochter eines Pastors in der Kirche zu sagen. So viel Verständnis im fünften Jahr ihrer Amtszeit. Wo mag es vorher gewesen sein? Noch weniger ließ sich der Verteidigungsminister lumpen. Er, der Erfinder der Umgangssprachlichkeit, hatte irgendwo gehört, was in Afghanistan geschehe "bezeichnen die meisten als Krieg. Ich auch." Welch markigen Worte. Ob 'sich nicht lumpen lassen' wohl von Lump kommt? Kriegste was dann bisste was, sagt die Umgangssprache. So ein richtiger Krieg, der wertet jedes Amt auf. Und auch der Journalist, dem das Unsägliche am semantischen Krieg offenkundig nicht auffällt, wird befördert: Vom Konfliktbeobachter zum Kriegsberichterstatter.
Nun also Sigmar Gabriel. Vier Jahre lang Minister in der Großen Koalition. Da konnte er noch mehrere Jahre gemütlich am Konfliktherd sitzen. So hieß der Krieg einst gerne. Damals wurde mit schöner Regelmäßigkeit die Zahl deutscher Soldaten erhöht. Von Gabriel kein Einspruch. Jetzt ganz neu: "Ich kann nur davor warnen, aus Feigheit vor der öffentlichen Debatte die Begriffe zu verwischen." Der Bundestag ist voller Semantiker. Feige ist nicht der, der zu Hause sitzt und seine Soldaten die Drecksarbeit machen lässt. Feige, sagt uns der Sprachwissenschaftler Gabriel, ist der, der die Begriffe verwischt. Und auch: "Wenn die Bundeskanzlerin meint, dass aus dem UN-Einsatz zum Schutz der Regierung in Afghanistan und dem Kampf gegen die terroristischen Bastionen der Taliban ein Krieg geworden ist, dann muss sie in den Deutschen Bundestag kommen, das erklären und einen neuen Einsatzbeschluss beantragen." Ja, die Große Koalition, die setzte sich noch ausschließlich gegen den Terror ein. Aber wenn die feige Merkel jetzt eine andere Meinung hat, dann soll sie mir, Sigmar Gabriel, der ich vier Jahre in der Koalition tapfer gegen den Terror gekämpft habe und keinen Krieg führte, die neue Lage mal erklären.
Es gibt ihn noch, den ehrlichen Sozialdemokraten: Frank-Walter Steinmeier. Der steht dazu, dass er über Jahre den Konflikt einen Einsatz genannt hat. Und das war auch gut so: "Es hilft unseren Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan, die in Afghanistan eingesetzt sind, überhaupt nicht, wenn wir neue Begriffe für das finden oder zu finden versuchen, was dort stattfindet", sagt er zum Gabriel-Statement. Und fährt fort: "Aber was jetzt nottut, ist, dass wir überprüfen, ob unsere Soldatinnen und Soldaten dort den bestmöglichen Schutz haben oder nicht. Und wenn sie ihn nicht haben, muss er verbessert werden. Darum geht es, und das hat Herr Gabriel gesagt." Wenn also, so Steinmeier den Herrn Gabriel übersetzend, ein neuer Einsatzbeschluss beantragt wird, sollte vom Steuerzahler auch mehr Schutzgeld für neue Waffen verlangt werden. Das ist tapfer, damit wird die SPD die feige Merkel aus dem Amt jagen.
Gottseidank, sagen sich die Semantiker in der CDU, haben wir ja das Grundgesetz. Da steht geschrieben, dass sich im Verteidigungsfall die Amtszeit des Bundeskanzlers verlängert. Wahrscheinlich bis zum siegreichen Ende des Verteidigungsfalles. Und der Verteidigungsfall ist doch so was wie ein Krieg, wie jetzt viele "den Einsatz in Afghanistan" nennen. Aber wann ist das der Fall? Nach Artikel 115 des Grundgesetzes dann, wenn "das Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen wird oder ein solcher Angriff unmittelbar droht." Mehrfach, so werden die Semantiker uns sagen, haben die Taliban uns schon gedroht.
Bei der Trauerfeier für jene Soldaten, die noch im Konfliktfall gestorben waren, standen Soldaten der Luftlandebrigade Spalier. Die Brigade war schon 1991 im Irak bei der "humanitären Operation Kurdenhilfe" dabei. Ähnlich menschlich hilfsbereit waren ihre Einsätze in Somalia, im Kosovo und im Kongo. Ihr Motto heißt: "Einsatzbereit - jederzeit - weltweit". Ja weltweit, sagen jetzt die Semantiker in Berlin, das ist mehr wie 'Hänschen klein, in die weite Welt hinein' gemeint. Und außerdem: Bis so ein Konflikt zu einem Krieg wird, dass dauert doch. Mindestens acht Jahre.