Seit Tagen tobte in den Feuilletons ein Streit darüber, ob Wolf Biermann Ehrenbürger der Stadt Berlin werden könne. Gottseidank hat die Berliner SPD mit ihrem Bekenntnis zu Biermann damit Schluss gemacht. Denn wer die Liste der Ehrenbürger kennt, der weiß, dass so mancher in der Liste der geehrten Bürger fast so klug und schön war oder ist wie Wolf Biermann. Da wäre zum Beispiel Reichspräsident von Hindenburg, auch der Blutsäufer von Tannenberg genannt. Jene Figur, die in einer Mischung aus Altersdebilität und Säbelfraß dem Hitler die Steigbügel poliert hatte. Auch Ronald Reagan steht auf der Liste. Jener US-Präsident, der als kalifornischer Gouverneur die Nationalgarde gegen Studenten einsetzte, um dann später den CIA einen netten Bürgerkrieg in Nikaragua steuern zu lassen. Aber auf der Liste kommt es, die Biermann-Wahl gut begründend, noch besser.

Zwar wurden die Herren Hitler und Göring von der Berliner Liste gestrichen, aber George Bush steht immer noch darauf und das ist, im Biermannschen Sinne, auch gut so. Denn Biermann ist ein Bush-Fan und Kriegsbeführworter. Das war einmal anders, damals, als der Biermann noch DDR-Bürger war und der Vietnam-Krieg tobte, kam ihm das streng pazifistische Lied über "Soldaten, sind sich alle gleich, lebendig ob als Leich" aus dem Mund gequollen. Es gab welche die meinten, der vietnamesische Verteidiger und der amerikanische Aggressor hätten gar keine Ähnlichkeit und Biermann hat diesen Vorwurf, in einem langen Denkprozess, gut verarbeitet. Denn als die Mehrheit der Deutschen sich gegen den Irak-Krieg wandte, da verglich Biermann deren Haltung mit der jener Deutschen, die dem Goebbels auf die Frage nach der Zustimmung zum totalen Krieg ein Ja entgegen brüllten und nach diesem geschmackvollen Vergleich erfand der kleine Agitator aus Hamburg den Begriff des "Nationalpazifisten" den er, so nuschelnd wie er kann, gerne auch in die Nähe der "Nationalsozialisten" ausspricht.

Doch wahre Größe gewann Biermann, als er mit dem zu Beginn des Irak-Kriegs verbreiteten Slogan "Kein Blut für Öl" abrechnete. "Wenn ausgewachsene Menschenexemplare heute diesen Unsinn nachplappern, es gehe der kapitalistischen USA ums Öl, zeigt es mir, dass sie vor lauter Friedensliebe sogar das Groschenzählen vergessen haben." Recht hat, der Biermann, denn den USA ging und geht es im Irak-Krieg um Freiheit und Demokratie und diese Ziele haben sie wohl im Irak, auf Guantanamo und zunehmend auch zu Hause erreicht. Dass der Sänger damals fest an die Existenz aller möglichen Waffen geglaubt hat ehrt ihn, er soll noch heute danach suchen. Ein wenig abträglich war allerdings, dass es von ihm wie von anderen Kriegsfreiwilligen keinen persönlichen Einsatz im Irak gegeben hat.

Nun gibt es Nörgler, die fragen was Biermanns Engagement für den Krieg denn mit der Ehrenbürgerschaft Berlins zu tun habe. Immerhin müssen sich die Ehrenbürger " in hervorragender Weise um Berlin verdient gemacht haben" und andere Berliner Dichter, wie zum Beispiel Tucholsky oder Brecht, stünden ja auch nicht auf der Liste. Zum einen ist das Werk Biermanns, der zu Recht als "Grösaz" (Größter Sänger aller Zeiten) bezeichnet wird, zumindest von ihm selbst, unvergleichlich. Zum anderen geht es natürlich nicht um seine Sangeskunst, es geht, wie im Irak-Krieg, um Freiheit und Demokratie, oder, wie der Bundestagspräsident sagte, um Biermanns "Beitrag zur politischen Entwicklung des wiedervereinigten Deutschlands". Und wer jetzt fragt, was Biermann denn damit zu tun gehabt habe, der hat "Spiegel" und "Zeit" nicht gelesen, denn dort stand in leiser Variation zu lesen, dass die Ausbürgerung des Poeten der Anfang vom Untergang der DDR gewesen sei und dieser Untergang habe zur Wiedervereinigung geführt. Hier schließt sich der Kreis. Ist doch erst mit dem wiedervereinigten, größeren und stolzeren Deutschland ein so uneigennütziges militärisches Engagement wie das in Afghanistan möglich. Und wer anders als der Kriegsbarde Biermann wird das heftig begrüßen.

Jetzt ist es aber so, dass Biemann sich nicht selber ausgebürgert hat. Wäre es nach ihm gegangen, hätte er bis 1990 noch in der DDR gelebt und dieselbe mit seinen Gesängen unterminiert bis sie an seinen Gedichten, dem Bananenmangel und den Wartezeiten auf den Trabbi zusammengebrochen wäre. Erst als seine alte Freundin Margot Honecker, mit der er zusammen aufgewachsen war und zu der er einen blendenden Kontakt hatte, ihre schützende Hand von ihm zog, war seine Ausbürgerung möglich und er musste den seltenen Bananen und dem noch selteneren Trabbi den Rest der Arbeit überlassen.

Tatsächlich war es also Margot Honecker, die, glaubt man dem westdeutschen Feuilleton, die Erosion des DDR-Systems vorantrieb. Aber Frau Honecker würde wohl ungern auf einer Liste mit Herrn Bush stehen. Bleibt also Biermann. Dem baumelt ja bereits ein Bundesverdienstkreuz am Hals, der macht sich auf der Liste gut.

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