"Eine Frau mit Stil, elegant gekleidet, charmant, verlässlich und respektiert“, so beginnt Silvia Stöbe von der liebedienerischen TAGESSCHAU ein Porträt der künftigen EZB-Chefin Christine Lagarde, als müsse sie dem Gebührenzahler eine Wahlkandidatin präsentieren. Natürlich steht Frau Lagarde nicht zur Wahl. Aber die beiden angeblichen Spitzenkandidaten für das Amt des Präsidenten der EU-Kommission – Frans Timmermans und Manfred Weber – standen auch nicht zur Wahl und doch spendierte das ERSTE der Fälschung einer Kampf-Kandidatur gute 90 Minuten: Für eine "Wahlarena zur Europawahl". Und wer auch immer den Wahlkampf-Spot für die neue EU-Funktionärin bezahlt haben mag, die TAGESSCHAU legt sich mächtig ins Zeug: „Die Französin Christine Lagarde (gilt) als gute Wahl für den Chefposten der Europäischen Zentralbank“, sabbert die TAGESSCHAU-Autorin und mag dem Zuschauer natürlich nicht verraten, bei wem denn die bisherige Chefin des Weltwährungsfonds als gute Wahl gilt.
Lagarde kommt aus einer der bourgeoisen Familien Frankreichs und aus dem Stall des „American Field Service“, einem Schüler-Austauschprogramm, das vom US-amerikanischen Politiker Abram Andrew gegründet wurde. Fast folgerichtig arbeitete sie später im Büro von William Cohen, der auch mal Verteidigungsminister im Kabinett des US Präsidenten Bill Clinton war. Mit dem nächsten Karrieresprung landete sie in der international tätigen Anwaltskanzlei Baker McKenzie, ein Laden mit mehr als 4.700 Rechtsanwälten und einem Jahresumsatz von 2,9 Milliarden Dollar. Die Rede geht, dass Lagarde noch immer in dieser Kanzlei zur Durchsetzung von Konzerninteressen Partnerin ist. Da konnte es nicht ausbleiben, dass sie von 1995 bis 2002 Mitglied der Denkfabrik Center for Strategic and International Studies (CSIS) wurde, wo sie gemeinsam mit Zbigniew Brzeziński das Aktionskomitee USA-EU-Polen anführte und sich speziell in der Arbeitsgruppe Rüstungsindustrie USA-Polen betätigte. Dass die EU bald eine Agentin des Militärisch-Industriellen Komplex als Präsidentin ihrer Zentralbank inthronisieren wird, das sollte die Wege zur Finanzierung der EU-Rüstungsprojekte deutlich verkürzen.
Nach einer Reihe von französischen Ministerposten ergatterte Christine Lagarde im Juli 2011 den Job der geschäftsführenden Direktorin des IWF. Wie schön für die Schwester der Finanzmacht, dass sie ihr Jahresgehalt von 467.940 Dollar plus einer pauschalen Aufwandsentschädigung in Höhe von 83.760 Dollar nicht versteuern musste. Immer noch sitzt die Unbesteuerte auf einer Liste von griechischen Steuerflüchtigen, die ihr der damalige griechische Finanzminister Giorgos Papakonstantinou rübergeschoben hat und schweigt eisern. Und natürlich ist die künftige EZB-Chefin auch vorbestraft: Im Fall der betrügerischen Entschädigungszahlung in Höhe von 403 Millionen Euro an den französischen Geschäftsmann Bernard Tapie wäre von einer ordentlichen Justiz längst Beugehaft fällig gewesen. Aber wie eine andere Auserwählte des Europäischen Rates für einen Spitzenjob, die Rüstungslobbyistin von der Leyen, flieht auch sie vor der Justiz. Für die deutsche Verteidigungsministerin ist der Posten einer EU-Kommissionspräsidentin anscheinend die Rettung aus ihren Verstrickungen in die McKinsey-Afäre. So wird die EU ein sicherer Hafen für Rechtsbeuger.
Aber so korrupt die EU auch sein mag, von den deutschen Medien bleibt sie unbehelligt. Der STERN titelt ungerührt: "Christine Lagarde und Ursula von der Leyen - zwei starke Frauen für Europa", der SPIEGEL weiß von der Lagarde als "die bessere Partie" zu texten, die TAGESSCHAU nennt sie glatt "Krisenmanagerin mit Charme" und die FAZ faselt "Ein neuer Anfang mit Lagarde", als ob es sich bei Lagarde nicht um die Fortsetzung der bekannten EU-Bürokratur handeln würde, jener antidemokratischen Verschwörung der Eliten gegen die Insassen der Europäischen Union. So lange die Medien-Konsumenten nicht die Verlags- und Sendehäuser besetzen, um echte Nachrichten, Meldungen und Hintergründe zu erzwingen, so lange wird die Korruption, Arm in Arm mit den Rüstungsverbrechern, die Herzen und Hirne der Mehrheit mit jenem verlogenen Schaum füttern, der in diesem Land Journalismus genannt wird und doch nur der Sicherung der Macht gilt.