So let me get right to the point,
I don't pop my cork for every man I see,
Hey Big Spender,
Spend a little time with me
Peggy Lee

Lange Jahre ging der Strassenräuber seinem harten Beruf nach: Aufstehen, an der Strasse lauern, den schweren Knüppel heben und auf die Köpfe seiner Opfer hauen, um später dann deren Taschen zu leeren. Nicht selten harrte er, Stunde um Stunde, in Sturm und Regen am Strassenrand aus, nur um ein oder zwei Brieftaschen in seine Obhut zu nehmen. Die Opfer verleumdeten ihn: Er habe ihnen mit roher Gewalt das Bisschen genommen, was sie besaßen, er sei ein Feind der Menschheit. Der Räuber sah das anders. Schließlich habe er viel Zeit, Kraft und Schläue aufwenden müssen, um an das Geld der Anderen zu kommen. Und wenn die Opfer immer jene Strasse benutzten, an der er seiner Arbeit nachginge, dann seien sie selbst schuld. Als immer mehr Nachbarn des Räubers nichts mehr mit ihm zu tun haben wollten hatte der Räuber das, was man ein Image-Problem nennt.

Eine illustre Runde hat sich unter dem Namen "The Giving Pledge" zusammengefunden: Rund 40 Superreiche haben öffentlich versprochen, die Hälfte ihres Vermögens diesem oder jenem wohltätigen Zweck zu spenden. Da rauscht der Beifall im Blätterwald und auf den TV-Kanälen. Almosen in dieser Höhe! In einer Zeit, in der sich der Spalt zwischen Arm und Reich auftut wie nie, in der die Staaten unter ihren sozialen Aufgaben ächzen und nicht wissen, wie sie Arbeitslose versorgen und Schulen finanzieren sollen, da naht Rettung: Bill Gates gehört zur Gruppe der "Big Spender", der Chef der "Citigroup" macht mit und auch die Hedgefonds-Manager Julian Robertson und Jim Simons entdecken scheinbar ihr soziales Gewissen. Sogar David Rockefeller, Erbe des sprichwörtlichen Reichtums, will etwas von seinem 2,5 Milliarden Dollar-Vermögen in Stiftungen anlegen.

Zu einer der Rockefeller-Stiftungen gehört der Think-Tank "Trilateral Commission". Heute besetzt mit Großdenkern wie Josef Ackermann, Gerhard Schröder und Henry Kissinger sichtete der Denkbehälter in den 70er Jahren einen "Exzess der Demokratie" in Folge von 1968. Mit Sicherheit waren dort diese oder jene Million ebenso wohltätig angelegt, wie die Investitionen in den Wahlkampf des Präsidentschaftskandidaten und Befürworter des Irak-Krieges Jon McCain. Das Geld der Rockefellers stammt von Davids Großvater, John D. Rockefeller. Jeder anständige Straßenräuber würde die Methoden des Begründers der Dynastie und seiner "Standard Oil Company" empört ablehnen. Immerhin wurden die monopolistischen Praktiken Rockefellers 1879 von einem US-Gericht als "Verschwörung" gewertet. Das wenig später vom amerikanischen Kongress verabschiedete Anti-Trust-Gesetz richtete sich ebenfalls wesentlich gegen die "Standard Oil" und ihre "Verschwörung zur Absicherung von Monopolen". John D. Rockefeller wurde im Alter dann auch ein großer Spender.

Auch Bill Gates gab schon vor "The Giving Pledge" diese oder jene Milliarde aus seinem 50-Milliarden-Dollar-Vermögen für wohltätige Zwecke. Allerdings erst nachdem seine Firma "Microsoft Corporation" mehrfach mit der US-Kartellbehörde in Konflikt geriet. Zeitweilig drohte sogar die Zerschlagung seines Konzerns. Auch Gates strebte ein illegales Monopol an. - Statt der völlig veralteten Knüppel schnitzten sich die Hedgefonds-Manager das Instrument der Leerverkäufe. Beinahe hätten sie damit die Länder Griechenland und Spanien gründlich niedergeschlagen. Auch der Euro und mit ihm die Europäische Union sollen gut aufpassen, welche Straße sie benutzen: Männer wie Robertson und Simons stehen immer noch an den dunklen Ecken der Wall Street, nach wie vor an den Brieftaschen anderer interessiert.

Anfang November 2008 gab das Finanzministerium der USA eine Garantie über gut 300 Milliarden Dollar für die "Citigroup" ab.Die Bank war in Schieflage geraten. Und wenn eine Bank schief liegt, dann wird ihr gern geholfen. Das Jahresgehalt des Chairman der "Citigroup", Sandy Weill, von etwa 200 Millionen US-Dollar konnte mit der Rettung der Bank durch den Staat weiterhin gesichert werden. Auch Weill will jetzt stiften. Ob er den New Yorker Suppenküchen Geld geben wird (3,5 Millionen New Yorker müssen mit Lebensmitteln unterstützt werden) oder lieber einem Kunstmuseum spendet, damit sein Name der Nachwelt überliefert wird, ist nicht bekannt. Bekannt ist: Beides mindert die Steuerlast der armen Milliardäre.

Als der Strassenräuber in die Jahre kam und den Knüppel nicht mehr so flott schwingen konnte wie einst, wollte er sein Verhältnis zu den Nachbarn verbessern. "Zwar", teilte er der Öffentlichkeit mit, "galt mein Beruf im Wesentlichen dem marktorientierten, notwendigen Finanzausgleich. Wie man so sagt, habe ich meine Kunden erleichtert und so den Fluss des Geldes in Gang gehalten. Aber man kann seine Wohltätigkeit ja immer noch steigern. Ab jetzt spende ich." Die Bildzeitung schrieb i diesen Tagen, wohlig aufseufzend, vom "Verschenken" und von der "Großzügigkeit als neues Statussymbol." Mit seinem Image sollte der Räuber lange Zeit keine Probleme mehr gehabt haben.