Noch im Tod erweist die Terror-Ikone Osama bin Landen den westlichen Kriegspropagandisten einen letzten Dienst: Der Kampf um die Herrschaft in Libyen ist nicht mehr die Nummer eins in den Nachrichten, selbst die Meldung über den Mord an den Enkel-Kindern von Gaddafi in der Nacht zum 1. Mai verschwindet hinter der Bin-Laden-Sensation. Die Enkelkinder wurden von den NATO-Bombern als Kollateralschäden abgebucht. Denn das Haus, in dem sich die Kinder und einer der Gaddafi-Söhne befand, sei ja eine "Kommando-Zentrale" gewesen. Schon die Anwesenheit der Kinder verweist die NATO-Behauptung in das Reich der Kriegslügen. Die Bomber versuchten mit ihrem Angriff den Kopf einer der beiden Kriegsparteien in Libyen zu treffen: Muammar al-Gaddafi. Das widerspricht zwar dem Völkerrecht, aber wenn es um die westliche Rohstoff-Freiheit geht, dann wird das Völkerrecht unwesentlich.
Nun hat jüngst eine ominöse Libyen-Kontaktgruppe entschieden, einen "Treuhand-Fonds" für Libyen einzurichten. Ein Fonds, der Geld einsammeln soll, um eine der beiden Bürgerkriegsparteien, nämlich die Aufständischen im Osten Libyens, mit Geld zu versorgen. Denn der Übergangsrat, ein Gremium, das angeblich für alle Libyer spricht, muss " . . . seinen Soldaten Sold zahlen, er muss Nahrungsmittel . . . kaufen. Und dafür braucht der libysche Übergangsrat dringend Geld", kommentiert "tagesschau.de". Und natürlich werden von den geforderten drei Milliarden Dollar auch Waffen gekauft werden. Das widerspricht zwar eindeutig der UN-Resolution, die nichts von Parteinahme im Bürgerkrieg enthält, sondern nur den Schutz der Zivilbevölkerung fordert, aber wenn es um die treuhändische Übernahme Libyens geht, dann ist dem Westen jeder Rechtsbruch recht.
An der Spitze des "Übergangsrates", der so dringend mit Geld versorgt werden muss, steht der Ökonom Mahmud Dschibril, der Chef einer Gegenregierung in Bengasi. Der Mann hat in den USA studiert und gelehrt. In den von Wiki-Leaks veröffentlichten Papieren der US-Diplomatie wird er als "ernsthafter Gesprächspartner" bezeichnet, der die USA schon vor dem Krieg ermunterte, sich in Libyen stärker zu engagieren. Allerdings übt er auch Kritik an den USA: Sie würden ihre alltagskulturellen Vorteile wie McDonalds und Hollywood im Nahen Osten nicht ausreichend einsetzen. Tatsächlich gibt es in Tripolis immer noch kein Disneyland, die demokratischen Defizite des Landes sind daran klar erkennbar.
Das NATO-Bomabardement Libyens geht in den dritten Monat. Mehr als 2000 Luftangriffe haben die alliierten Truppen hinter sich. Die Hersteller der Kampfjets - primär britische und französische Rüstungslieferanten - bezeichnen ihre Produkt-Tests am Himmel über Nordafrika als erfolgreich. Doch die Truppen Gaddafis weichen bisher nicht. Nach allen Gesetzen der Kriegsführung heißt das: Es gibt eine Mehrheit in Libyen, nicht nur im Militär, die den Gaddafi-Clan stützt. Wenn es aber eine Mehrheit für Gaddafi gibt, warum muss dann der Westen eine Minderheit unterstützen? Und vor allem: Wer ist diese Minderheit?
Mahmud Dschibril, der Mann dessen Ziel es ist, der ersten McDonalds-Filiale in Tripolis einen gebührenden Platz zu verschaffen, hat die erste Spende für seinen Treuhand-Fonds von 250 Millionen Dollar aus Kuwait bekommen, einem diktatorischen System, dessen Treue zu den USA ebenso unerschütterlich ist wie seine Abneigung gegenüber der Demokratie. Die nächsten Millionen sollen aus der Kriegskasse des Gegners kommen: Das "Gaddafi-Vermögen" im Ausland soll beschlagnahmt und in den "Treuhandfonds" überführt werden. Bisher allerdings gilt dieses Vermögen nicht als privat, sondern als Eigentum des Libyschen Staates. Wie wenig der "Übergangsrat" alle libyschen Stämme repräsentiert und wie sehr er bei seinen Strippenziehern im Westen geschätzt wird, zeigt sich an einer französischen Initiative: Man wolle, erklärte der französische Außenminister beim Treffen der Libyen-Kontaktgruppe, in den kommenden Wochen eine Stammeskonferenz einberufen, um über die Zukunft des Landes zu verhandeln. Der Chef des "Übergangsrates" wurde weder vorher darüber informiert, noch nachher um seine Zustimmung gebeten.
Vielleicht sollten die Libyer sich bei den Bürgern der ehemaligen DDR nach der Wirksamkeit und nach der Wirkungsweise der deutschen "Treuhand-Anstalt" erkundigen, die das staatliche Vermögen der DDR privatisierte, um die "Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu sichern". Im Ergebnis der Treuhand-Bemühungen wurde das staatliche Eigentum zerschlagen, das Gebiet der früheren DDR weitgehend von Industrie befreit und die Arbeitslosenrate kräftig in die Höhe getrieben. Noch ist die Wirtschaft Libyens merhheitlich staatlich. Man darf annehmen, dass die internationalen Konzerne diesen Zustand treuhänderisch ändern werden. Nach dem Sieg der Aufständischen. Allerdings: Der Bär, dessen Fell von der internationalen Kontaktgruppe bereits verteilt wird, lebt noch. Auf eine Coca Cola-Filiale in Tripolis wird man noch warten müssen.