Energisch schreitende Gruppen von Menschen, Türen klappen auf, klappen zu, Kameras müssen draußen bleiben, Wähler auch. Bayreuth ist nix dagegen: Wer geht mit wem? Wie ist das Koalition-Bett ausgestaltet? Fast einen Monat nach der Bundestags-Wahl ist nur eines klar: Es wird eine große Koalition geben. Zwar hatten die GRÜNEN ein wenig verhandelt. Aber weil man gerade Teile des Personals auswechselte, hätte man gar nicht sagen können, wer denn wo hätte Minister werden sollen. Das weiß die SPD schon und deshalb hat sie einen Konvent einberufen. Und der hat dann, ohne lange zu erröten, der möglichen großen Koalition zugestimmt. Jetzt, so scheint es, hält Europa den Atmen an, bis die SPD-Basis auch zustimmt. Dann setzen sich alle wieder in ihren Dienstwagen und die Politik geht weiter. Wie gehabt.

Das arme Europa: Schon ganz blau im Gesicht vor lauter Atem anhalten. Durfte doch während des Wahlkampfes kein Laut der anhaltenden Euro-Krise in das wägende Deutschland dringen. Windstille sollte im deutschen Wasserglas herrschen. Denn Merkels Boot hätte einem ernsthaften Wellengang nicht standgehalten. Auch SPD- und GRÜNE-Beiboote sollten dem Seegang nicht ausgesetzt werden. Nur gute europäische Nachrichten erreichten das deutsche Ufer. Zum Beispiel jene, nach der Irland Ende des Jahres den Rettungsschirm verlassen wird. Der Preis? Leere Häuser, blinde Schaufensterscheiben, tote Dörfer, wachsende Arbeitslosigkeit in Irland. Banken gerettet, Bürger aufgebahrt. Und immer noch dürfen Firmen, die sich in Irland ansiedeln, nur 12,5 Prozent Körperschaftssteuer zahlen, die Hälfte von dem, was europäischer Durchschnitt ist. Steuerflucht bleibt in Irland das einzige Wirtschaftsprogramm.

Das slowenische Wirtschaftsprogramm hieß derweil "Bad Bank". Irgendwo mussten die acht Milliarden fauler slowenischer Kredite ja geparkt werden. Doch die EU will sich die maroden slowenischen Banken erst genauer ansehen, bevor sie der finanziellen Parkraumbewirtschaftung zustimmt. Warum eigentlich? Das Land macht doch, nach EU-Maßstäben, alles richtig: Billiglöhne und Privatisierung. Und doch droht der Rettungsschirm, jenes Instrument, das die jeweiligen Regierungen entmachtet, Entlassungen programmiert und die sonderbarste Wirtschaftshilfe der Erde ausübt: Man gibt Geld, damit es der Bevölkerung schlechter geht als zuvor. Diese Logik kennt man auch in Portugal: Die EU garantiert dem Land 78 Milliarden Euro, damit die Portugiesen länger arbeiten und weniger Rente bekommen. In Italien wächst die Staatsverschuldung, in Frankreich die Arbeitslosenquote, in Spanien stagniert sie auf hohem Niveau: 26 Prozent. Bei den jüngeren Leuten sind es sogar 56. Griechenland? Bitte, kein Wort über Griechenland.

"Wir können jetzt Gebäude mieten, Personal anheuern. Das ist ein guter Tag für Europa", das sagte vor ein paar Tagen Jörg Asmussen (SPD), als die EU-Finanzminister die Gründung der "Banken-Union" bekannt gaben. Jörg Asmussen? Richtig, das ist der Mann, der als rechte Hand des damaligen Finanzministers Steinbrück 2009 die Banken rettete, auf Kosten des Steuerzahlers. Versteht sich. Heute sitzt er im Direktorium der Europäischen Zentralbank. Dort will er wieder Banken retten. Ohne den lästigen Umweg über die nationalen Parlamente soll mit der Gründung der Banken-Union die Zentralbank demnächst die diversen Rettungsschirme selbst aufspannen dürfen. Wenn die Gebäude angemietet sind. Vorsichtig, fast lautlos, atmet der europäische Finanzsektor wieder. Ein: Es wird Personal angeheuert, um eine neue Steuerzahler-Schröpfungsmaschine in Betrieb zu nehmen. Aus: Zug um Zug ersetzten wir den Hauch einer politischen Union durch die Union der Banken.

Am Dienstag trifft sich der neue Bundestag. Aber atmen wird er noch nicht. Nichts Aktuelles wird behandelt werden. Noch fehlt der SPD-Mitgliederentscheid über die Große Koalition. Aber wer seinen Asmussen längst im eigentlichen Zentrum der Macht platziert hat, der muss sich um Wähler, Mitglieder oder anderen demokratischen Firlefanz keine Sorgen machen. Auch vor einem dauerhaften Atemstillstand muss die SPD sich nicht fürchten. Asmussen könnte sie jederzeit reanimieren. Mund-zu-Mund-Beatmungen sind zwar nicht vorgesehen. Aber Geld könnte in die Adern der Partei gepumpt werden. So wird eine alte Partei zum Wiedergänger ihrer selbst, zum Zombie. Man könnte ihr Zappeln für Bewegung halten. Wenn sie nicht so merkwürdig röcheln würde.

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Das ist linksradikaler Unsinn. Die SPD hatte doch gar keine Wahl: Die Linkspartei ist längst nicht reif für eine Koalition und eine Neuwahl hätte nur das selbe Ergebnis gebracht. Also blieb nur die große Koalition.

John Hergert
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Uli Gellermann
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Sie haben recht, wenn sie die SPD "als "Wiedergänger" ihrer selbst bezeichnen. Die Orientierung auf eine große Koalition ist mal eben an einem Sonntagnachmittag durchgewinkt worden. Bei 250 Teilnehmern des "Konvent" hat also praktisch keine...

Sie haben recht, wenn sie die SPD "als "Wiedergänger" ihrer selbst bezeichnen. Die Orientierung auf eine große Koalition ist mal eben an einem Sonntagnachmittag durchgewinkt worden. Bei 250 Teilnehmern des "Konvent" hat also praktisch keine Debatte stattgefunden. Man darf annehmen, dass die Mehrheit der Teilnehmer sich einen Posten versprechen dürfen: Ein Minister braucht Staatssekretäre, Sprecher, Referenten, da kommt eine ganz Menge Versorgung zusammen.

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Margot Wegmann
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Streichen Sie mich aus Ihrer Mailing-Liste. Zombie geht zu weit.

Renate Lobberich
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SPD-Mitglied wird man um des persönlichen Vorteils willen.
Dächten Spezialdemokraten an das Allgemeingut, hätten sie Merkel und ihre Bande mit einer Minderheitenregierung, die man mit einer dann starken Opposition unter Kontrolle hätte, wurschteln...

SPD-Mitglied wird man um des persönlichen Vorteils willen.
Dächten Spezialdemokraten an das Allgemeingut, hätten sie Merkel und ihre Bande mit einer Minderheitenregierung, die man mit einer dann starken Opposition unter Kontrolle hätte, wurschteln lassen
Aber dann hätte es keine fett dotierten Pöstchen für die SPD-Versager gegeben...

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Karl Heinz Winkler
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Selbst wenn die SPD koaliert, mit welchen Inhalten geht sie in die Verhandlungen? In ihrem 10-Punkte-Papier kommen die Worte Auslandseinsätze, Hartz IV, NSA, NSU-Verfassungsschutz, Rettungsschirme oder europäische Volksabstimmungen an keiner...

Selbst wenn die SPD koaliert, mit welchen Inhalten geht sie in die Verhandlungen? In ihrem 10-Punkte-Papier kommen die Worte Auslandseinsätze, Hartz IV, NSA, NSU-Verfassungsschutz, Rettungsschirme oder europäische Volksabstimmungen an keiner Stelle vor. Und, wie Sie schon richtig geschrieben haben: "Bitte, kein Wort über Griechenland.". Die SPD war schon als Opposition alternativlos (mein ohne Alternative), das wird sie auch in der Regierung sein.

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Beate Jahnke
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Ja, kapitalgelenkte wie öffentlich-rechtliche Medien erklären uns seit der Wahl, wie unverzichtbar doch eine stabile Regierung sei. Und überhaupt wollen doch „die Deutschen“ eine große Koalition.
Mag sein, dass „die Deutschen“ Parlamente nur als...

Ja, kapitalgelenkte wie öffentlich-rechtliche Medien erklären uns seit der Wahl, wie unverzichtbar doch eine stabile Regierung sei. Und überhaupt wollen doch „die Deutschen“ eine große Koalition.
Mag sein, dass „die Deutschen“ Parlamente nur als Mehrheitsbeschaffer der Regierung akzeptieren. Schließlich können diese Deutschen laut der letzten OECD-Studie kaum lesen – geschweige denn Politik buchstabieren.

Da überrascht es nicht, wenn John Hergert in seinem Leserbrief meint, die SPD könne doch gar nicht anders, als koalieren.

Tatsächlich kann es ja noch schlimmer kommen. Wenn etwa all die Beamten, Freiberufler, Rentiers und leitenden Angestellten im Bundestag nicht mehr der Regierung folgen, sondern ihrem sogenannten Gewissen, bleiben „die Deutschen“ ja immer noch außen vor.

Soll also koalieren, wer sich das antun will. Ein anderes Staatssystem und vor allem eine andere politische Partizipation brauchen wir in jedem Fall.

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Volker Ritter
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Das war mal wieder eine Glanzleistung. Aber vielleicht kriegt man ja von Asmussen eine Prämie, wenn man sich wegen dieses Textes bei Dir steichenn lässt? Dann kämen wohl viele in Versuchung, denn wie sagte schon Orson Welles: Wer behauptet,...

Das war mal wieder eine Glanzleistung. Aber vielleicht kriegt man ja von Asmussen eine Prämie, wenn man sich wegen dieses Textes bei Dir steichenn lässt? Dann kämen wohl viele in Versuchung, denn wie sagte schon Orson Welles: Wer behauptet, unbestechlich zu sein, dem ist nur noch nicht genug geboten worden.

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Hans-Günther Dicks
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Die Alten kannten bereits den Spruch: "Wer hat uns verraten? Die Sozial- ( Spezial) Demokraten".Der Spruch ist noch immer richtig!

Erich Kalinowsky
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Sich nur auf Parteien und Parlamente herkömmlicher Art zu kaprizieren, bringt nichts. Es kommt jetzt auf dies an:
power to the people!
direct democracy - deep ecology - organic security - more happy!
2014: Einberufung von...

Sich nur auf Parteien und Parlamente herkömmlicher Art zu kaprizieren, bringt nichts. Es kommt jetzt auf dies an:
power to the people!
direct democracy - deep ecology - organic security - more happy!
2014: Einberufung von Bürger-Verfassungsversammlungen in D, EU etc.
Mit negri + Hardt bin ich der Auffassung, dass jetzt die weltweiten sozialen bewegungen (occupy, attac ...) in verfassungs(-gebungs)prozesse münden müssen.
Bei der Europawahl 2014 sollen die BürgerInnen Mitglieder der deutschen und der europäischen Verfassungsversammlung zur hälfte gewählt werden. die jeweils andere hälfte wird per los bestimmt (Buch: Demokratie und Lotterie"): BürgerInnen und ExpertInnen. Sie dürfen nicht Parteimitglied sein bzw. Parteiendominanz muss effektiv verhindert werden.
Aufgaben der Versammlung in D:
reduzierung bundesländer auf etwa 7
implementierung bürgersenat als 2. kammer
besseres geldsystem
gewaltenteilung durchsetzen
normierung Volksentscheid bundesweit...
More:
http://ob-in-spe.de >Demokratieinnovation...

Buch zum ganzen geplant:
interessierte verlage, autorInnen, sponoren...
wenden sich an:
an-stiftung@t-online.de
soll im frühjar erscheinen.

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Carl Maria Schulte
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Deshalb: Mehr Demokratie wählen!

http://www.mehr-demokratie-waehlen.de/#3

Markus Bunse
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