Prima Raketen für rund 1,6 Milliarden Euro liefert in diesen Tagen, laut Agence France Presse, die israelische Regierung an die aserbaidschanische Diktatur. In der Hauptstadt Baku, wo mit Ilham Aliyev, die zweite Generation der seit 1993 bestehenden Erbdiktatur herrscht, soll im Mai ein fröhliches Gesinge stattfinden: Mit Hilfe des deutschen Fernsehens wird der "Eurovision Song Contest" der Hauptstadt ein wenig demokratische Tünche verleihen: Denn über die Gewinner des Gesangswettbewerbs wird ja in freien und geheimen Wahlen abgestimmt. Damit das reibungslos vonstatten geht, wird zur Zeit das an die Singe-Arena angrenzende Viertel abgerissen. Gegen den Willen der Bewohner. Versteht sich.
Die neuen Waffen der Israel Aerospace Industries werden allerdings kaum zur Absicherung der internationalen Singerei eingesetzt werden. Glaubt man dem aserbaidschanischen Botschafter Dschawanschir Achundow, dann wurden die Drohnen und Raketen "für die Befreiung der besetzten aserbaidschanischen Territorien" erworben. Tatsächlich versucht Aserbaidschan seit dem Ende der Sowjetunion die abtrünnige, wesentlich von Armeniern bewohnte Provinz Berg-Karabach heim ins Reich zu holen. Man könnte meinen, das abgelegene kaukasische Land sei weit entfernt von den europäischen Problemen. Weit gefehlt: Aserbeidschan ist Mitglied des Europarates, ein Betritt zur EU ist anvisiert. Doch Proteste gegen den Waffenimport und seine aggressiven Ziele sind weder aus Brüssel noch aus Berlin zu hören.
Das mangelnde europäische Interesse an der aserbaidschanischen Hochrüstung kann daran liegen, dass Experten den Waffenimport als Drohgebärde gegen den Iran verstehen, mit dem Aserbaidschan eine gemeinsame Grenze teilt. Vor allem aber liegt es am aserbaidschanischen Öl und Erdgas: Wo ausreichend fossile Brennstoffe lagern, setzt die westliche Kritik gern aus. Zumal einflussreiche Lobbyisten - wie der lupenreine Demokrat Joschka Fischer - ohne Aserbaidschan die von ihnen protegierte NABUCCO-Pipeline nicht werden bauen können. Außerdem hat die kaukasische Diktatur ihre gute Gesinnung bereits in Afghanistan bewiesen: Man ist mit einem kleinen aber feinen Kontingent am ISAF-Krieg in Afghanistan beteiligt. Auch im Irak und im Kosovo waren aserbaidschanische Truppen schon dabei.
Für Deutschland wird Roman Lob den Gesangs-Wettbewerb in Baku bestreiten: Sein Song "Standing still" darf nicht als Kritik an der demokratischen Entwicklung in Aserbaidschan verstanden werden. Schließlich hat die Kanzlerin Merkel, während des letzten Besuchs von Aliyev Junior schon festgestellt: "Ich glaube, dass die Beziehungen zwischen Deutschland und Aserbaidschan sehr eng und auf einem gute Wege sind." Und wer, wie die Aserbaidschaner, in seinen Grenzen Konzerne wie BP, Chevron oder Exxon beherbergt, der kann gar nicht still stehen. Als Aserbaidschan im letzten Jahr den Contest in Düsseldorf gewonnen hatte, gab eine Textzeile des Siegerliedes zu denken: "Ich lauf’ verängstigt heute - Ich lauf’ in Angst ums Leben - Ich lauf’ in Angst zu atmen". Waren die politischen Gefangen gemeint, die fehlende Pressefreiheit oder die Angst vor den Wohnungszerstörungen? Nein, die Clique um Aliyev konnte aufatmen, es ging um irgendein "Baby" und die Angst dessen Liebe zu verlieren.