Vor wenigen Tagen, der Aufstand in Ägypten hatte schon begonnen, beschloss eine Geberkonferenz (die aus den USA, der EU und einigen osteuropäischen Staaten bestand), finanzielle Hilfen für die Opposition. Wer gedacht hatte, diese Gelder seien für die ägyptische Opposition bestimmt gewesen, der irrte: Es ging um die Opposition in Weißrussland. Fast zeitgleich betonte der deutsche Außenminister das Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten. Natürlich nicht in die inneren Angelegenheiten in Weißrussland, da sollte ja Geld zur Einmischung fließen. Nicht einmischen wollte sich Westerwelle in Ägypten.

Es ist auch nur wenige Tage her, da meinte Entwicklungsminister Niebel: "Im Augenblick ist es viel zu früh, um über mögliche Konsequenzen für die deutsch-ägyptische Entwicklungszusammenarbeit zu sprechen." Das bedeutet nichts anderes, als dass deutsches Geld weiter in die Taschen des diktatorischen Systems fließt. Rund 80 deutsche Unternehmen haben Niederlassungen in Ägypten. Unter ihnen ebenso DAX-Konzerne wie Mittelständler. Deren Interessen liegen nicht im Wandel sondern in der Fortschreibung der Verhältnisse. Wohl deshalb fällt der Kanzlerin eine erstaunliche Floskel zu Ägypten ein, es sei jetzt "ganz wichtig, dass in Ägypten der politische Dialog beginnt." Eine Forderung zum Rücktritt Mubaraks ist bisher nicht zu hören.

"Wenn man jetzt den Ruf nach schnellen Wahlen hört, stellt man sich die Frage, auf welcher Grundlage und innerhalb welcher Strukturen denn solche Wahlen stattfinden können. Es bestehen zum Beispiel kaum belastbare Kontakte zu den Oppositionsparteien, und die sind eher zufällig entstanden", teilt uns Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt mit. Der Herr Minister weisen den Ruf nach Wahlen zurück: Solche Einmischung in die ägyptischen Angelegenheiten ist dann doch möglich. Der Mann war schon unter Kinkel, dem Außenminister, der aus dem Geheimdienst kam, Staatsminister. Unsere Republik ist offenkundig sehr belastbar.

Die Einmischung in die inneren Angelegenheiten geht immer längs der eindeutigen Macht- und Wirtschaftsinteressen: Von Afghanistan bis Weißrussland erscheint den NATO-Partnern fast jede Einmischung denkbar. In Ägypten hielt und hält man sich vornehm zurück. Denn, so das Argument, die Alternative zum System Mubarak könnte eine religiös orientierte Regierung sein. Deshalb wird ein klassisches Schmierentheater aufgeführt: Angesichts der Bilder aus Ägypten kommt man nicht umhin eine demokratische Entwicklung zu begrüßen. Aber außer Geschwätz gibt es bisher keinen Schritt zur Isolierung der Militärdiktatur. Auch die US-Finanzhilfe, immerhin 1,5 Milliarden Dollar jährlich, ist bisher nicht gestoppt.

Immer noch gilt den Mainstream-Politikern im Westen, dass "der Islam" den Terror in sich birgt, dass islamisch geprägte Regierungen verhindert werden müssen, außer sie verfügen über so viel Öl wie die Saudis. - Mehr als 2.000 Bürger in sechs arabischen Ländern wurden im letzten Jahr repräsentativ zum Modell-Fall Türkei befragt. Seit 2002 erhält dort die religiös orientierte AKP bei Wahlen regelmäßig die Mehrheit der Stimmen. Mehr als 60 Prozent der Befragten empfanden die Türkei als "erfolgreiche Verbindung von Islam und Demokratie". Das lässt die Chance auf einen demokratischen Wandel in Ägypten aufschimmern. Die ägyptische Revolte kann verloren gehen. Im Machtkampf mit den Militärs oder auch in einer nachrevolutionären Entwicklung, die nicht zur Besserung der Verhältnisse führt. Aber wer das Selbstbestimmungsrecht der Völker als wohlfeile Phrase im Mund wälzt und nicht zu praktischen Schritten bereit ist dieses Recht zu unterstützen, der sollte sich offen zu seiner Religion bekennen: Der Schein-Heiligkeit.