Seine Schürze ist grün,
und das ist keine politische Farbe
er ist der Gärtner, der erste des Landes,
er kennt den Boden und pflegt ihn
auf Gedeih und gegen Verderb.
Martin Walser

Hätte man vor dem Fernseher die Augen geschlossen und diesen Satz gehört: "Wir haben so etwas wie einen hischtorischen Wahlsieg errungen", mit diesem weichen, beschwichtigenden S-Laut und der verhaltenen Rhetorik, die im "so etwas" ihre relativierende Vorsicht findet, man hätte glauben können, da rede Erwin Teufel, der langjährigen Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg. Es war ja auch Erwin Teufel, dem Martin Walser zum dessen 60. Geburtstag das Gedicht mit der grünen Schürze gewidmet hatte. Und aus dem Fernseher blickte dann auch ein älterer Herr, der ordentlich aus dem Sonntagsanzug ragte. Aber es war dann nicht Teufel sondern Winfried Kretschmann, der Spitzenkandidat der GRÜNEN und der wahrscheinlich neue Landesvater Baden-Württembergs.

"Winfried Kretschmann ist so behäbig wie das Land", beruhigt uns die "Süddeutsche." - "Dieser bedächtige, katholische Wertkonservative . . . der Oberrealo", beschwichtigt die FAZ. Geradezu triumphierend freut sich DIE WELT über den Sieg der GRÜNEN: "Grün, konservativ, erfolgreich", und weiß über Kretschmann, der habe vor drei Jahrzehnten die GRÜNEN nicht aus Lust am Widerstand mit gegründet, sondern, wie er selbst es gesagt habe, wegen seiner "emphatischen Liebe zur Natur". Und wer ihn so anschaut und anhört, der mag der WELT gern glauben, dass "Kretsch", wie ihn seinen Freunde nennen, der "perfekte Kandidat der GRÜNEN im Südwesten" ist.

Mit "erhaltend und bewahrend" übersetzen die Lexika das Wort konservativ. Und wer die Worte "wertkonservativ und Kretschmann" in die Suchmaschine eingibt, bekommt in nur 0,05 Sekunden 3.620 Treffer angezeigt. Von der "Münsterländischen Volkszeitung" über "ntv" und das ZDF bis zum "Focus", alle wissen sie vom neuen Ministerpräsidenten, dass er ein Bewahrer ist. Und wer sich das Lebensprofil des grünen Spitzenkandidaten anschaut, der weiß warum: Er ist Mitglied im Diözesanrat der Erzdiözese Freiburg, im Verein der Freunde der Erzabtei Sankt Martin, im Zentralkomitee der deutschen Katholiken und auch noch im Freundeskreis der "Hebräischen Universität Jerusalem". Dass der beurlaubte Oberstudienrat für Biologie, Chemie und Ethik auch Schützenkönig "mit Lang- und Kurzwaffe" in seinem Heimatort Laiz wurde, rundet das Bild ab.

Der Sohn des Hans Filbinger, der auch mal Ministerpräsident in Baden-Württemberg war, sagte auf der Wahlparty der GRÜNEN geradezu erlöst: "Zum ersten mal in meinem Leben habe ich bei einer Landtagswahl meine Stimme den Grünen gegeben." Und die WELT erinnert daran, dass es nur im "Ländle" schon mal einen FDP-Ministerpräsidenten gab und es nun den ersten grünen Landes-Chef geben soll. FDP: Das ist die Spur. Galt doch Kretschmann lange als Mehrheitsbeschaffer, als Befürworter einer schwarz-grünen Koalition, einem Bündnis von Parteien also, von denen die "Süddeutsche" schreibt, "die auf verschiedene Weise schwäbisch-badisch-konservativ sind."

Gewiss, die GRÜNEN waren mal radikal. Damals, als sie noch in der Koalition mit der SPD kompromisslos für den Afghanistankrieg eintraten und den Terrorismus dort und auf der ganzen Welt mit der Wurzel ausreißen wollten. Doch längst hat sich die Partei gewandelt. Heute enthält sie sich im Bundestag mehrheitlich, wenn es um den Krieg geht. Und Enthaltsamkeit, das wissen wir, ist auch eine konservative Tugend. Deshalb müssen wir auch nicht befürchten, dass sich die GRÜNEN plötzlich radikal gegen den Krieg wenden könnten. Das würde der neue Erste Gärtner in Baden-Württemberg sicher nicht zulassen. Zwar war er vor allen anderen Vereinen, in denen "Kretsch" heute ist, mal im Kommunistischen Bund Westdeutschland. Damals, als er noch jung war und kein Oberstudienrat. Aber wir wissen doch alle aus der Bibel: Die Chance, dass sich ein einmal bekehrter Paulus zum Saulus zurück verwandeln könnte, ist ziemlich gering.