Der Kampf gegen die Monopole, eine alte linke Forderung, nähert sich unaufhaltsam dem Sieg. Das Monopol fällt: Alles wird billiger und besser, wahrscheinlich auch schöner, ganz sicher werden wir glücklicher sein, wenn am Ende dieses Jahres das Briefmonopol der Bundespost fällt. Schon jetzt lässt die bunte Vielfalt der Mitbewerber im Straßenbild den Frühling der Marktwirtschaft erblühen: Blau die Jungs von der Europost, im zarten Grün die von der Pin-AG. Das alte, verbrauchte Gelb der Monopol-Post wird zum matten Schatten jener versunkener Zeiten, der damaligen, als ein düsterer Staat noch alleine den intimen Schriftverkehr seiner Bürger beherrschte.
Zwar haben die privaten Briefunternehmen bisher nur Großaufträge von Firmen und Institutionen übernommen, aber der einzelne Empfänger kommt schon heute in den Genuss der neuen Zeit. Zum Beispiel lässt das Land Berlin seine Post von der Pin AG zu den Bürgern transportieren. Das spart Geld. Zeit spart es leider keine, denn damit das Geldsparen beginnen kann, müssen die Landesangestellten die Briefe nach Postleitzahlen vorsortieren. Das dauert. Und weil manchmal die Sortierung nicht so richtig geklappt hat, muss das private Briefunternehmen nachsortieren. So steigt die Spannung des Empfängers: Bekommt er den Brief nach drei Tagen, nach vier, nach fünf? Auch die Freude ist größer, wenn er denn ankommt. Solche Szenarien kann die alte, gelbe Post einfach nicht bieten.
Wer in den letzten Jahren mit Unternehmen im europäischen Ausland zu tun hatte, bekam bereits einen Vorgeschmack auf die goldenen Zeiten, denen wir jetzt entgegen gehen. Man bekam Anfang des Monats eine Mahnung von einer Firma aus Paris: Zahlen sie endlich, unverzüglich! Erschrocken prüfte man die offenen Rechnungen: Eine aus Paris war nicht dabei. Die kam dann am Ende des Monats, wenn auch von der Pariser Firma, so doch nicht aus Frankreich, sondern aus Slowenien. Das sparte ein paar Cent pro Brief und manchmal sparte sich der Kunde die Zusammenarbeit mit dem Unternehmen, dessen Mahnungen schneller waren als seine Rechnungen. Die wunderbare Vielfalt der Postprivatisierung wird auch dem transparent, der seine Post zeitweilig lagern will: Unter zwei Postlager- oder Nachsendeanträgen ist nichts mehr zu machen.
Wie immer geht es den Unternehmen, die demnächst im Interesse des Volkes die Macht des Staatsmonopols brechen werden, nicht um Geld. Die schäbigen zehn Milliarden Euro, die auf diesem Sektor anfallen werden, interessieren Holtzbrinck, die WAZ-Gruppe oder Springer, die hinter der Pin AG stecken, überhaupt nicht. Deshalb zahlen sie ja auch die schlechtesten Löhne in der Branche. Es geht um »das Ende der Privilegien«, um »Modernisierung« und um »Vielfalt«. Mit überraschender Ehrlichkeit schränkt der Vorstandschef der Pin AG allerdings ein: «Der Briefmarkt (wird sich) auf zwei oder drei Anbieter konzentrieren.« Der Markt, also der Verbraucher, der Empfänger konzentriert sich. Dann ist er natürlich selbst schuld, wenn er keinen echten Wettbewerb bekommt. Noch ehrlicher ist der Chef von TNT, dem zweiten großen privaten Postdienstleister: »Es ist gut möglich,« sagt er, »dass der Endverbraucher die Rechnung bezahlen muss.«
Es war einmal ein Kapitalismus, der war rau und ungehobelt, aber immerhin brachte er neue Ideen und Produkte hervor und manchmal sogar die Demokratie. Die neuen Ideen der Springer und Co. erschöpfen sich darin, die gelben Räder der Post grün zu streichen und den Briefträgern weniger zu zahlen. Und die Demokratie besteht darin, zwischen drei unterschiedlichen Farben zu wählen. Das ist Fortschritt.