»Wir haben den Rubikon überschritten«, sagte voll Stolz der polnische Regierungschef Donald Tusk, als er sich in diesen Tagen entschieden hatte, Polen in den Kampf gegen die »Schurkenstaaten« zu integrieren. Die USA wird Raketen und Truppen auf polnischem Boden stationieren, einen so genannten Schutz-Schild. Offiziell gilt als der nächste erreichbare Schurke der Iran. Der liegt zwar mehr als 3.000 Kilometer entfernt, und seine Raketen tragen nicht mal 2.000 Kilometer, aber was sind schon Entfernungen für die polnische Armee?

Wer immer dachte, Polen, das liegt doch irgendwo ganz weit da hinten, der wird überrascht sein, wenn er erfährt, wo polnische Truppen überall ganz vorne sind: Dass polnische Soldaten im Irak als willige Helfer für die gerechte Sache der USA agieren ist bekannt. Aber wer wußte schon, dass rund 1.600 Angehörige der polnischen Armee in Afghanistan auf Schurkenjagd sind? Oder, dass die Kosovaren ihren jungen Staat nur mit Hilfe polnischer Soldaten gegen allerlei Schurken verteidigen können?

Völlig harmlos beginnt die polnische Nationalhymne mit »Noch ist Polen nicht verloren«. Aber wenn man dann weiter singen würde, und welcher Pole singt seine Hymne nicht komplett, kommt das dicke Ende: »Was uns fremde Übermacht nahm, werden wir uns mit dem Säbel zurückholen«. Jetzt denken Sie, ob die wohl mit dem Säbel in den Iran einmarschieren wollen und welche Gebiete die Perser denn wann den Polen abgenommen haben könnten. Weit gefehlt. Der Iran kommt später dran, wenn die Sache in Afghanistan erledigt ist.

Der Rubikon liegt zwar in Italien, aber man kennt natürlich seine metaphorische Bedeutung. War er doch der Fluss, über den Cäsar seine Truppen auf Rom marschieren ließ, um seine Herrschaft zu zementieren. Und der studierte Historiker Donald Tusk weiß selbstverständlich wovon er redet, wenn er, nach dem verbalen Überschreiten des Rubikons, noch nachschiebt: »Es ist nicht gut, wenn der Beistand erst Toten gewährt wird. Polen möchte in einer Allianz sein, in der der Beistand in den ersten Stunden eines möglichen Konfliktes kommt.» Hatte jemand die Grenzen Polens infrage gestellt? Wer werden die ersten Toten sein?

Der polnische Premier Tusk beendete sein Geschichtsstudium in Danzig mit einer Abschlussarbeit über den »Mythos und die Legende um Józef Pilsudski«. Der legendäre Marschall Pilsudski, Putschist und zeitweiliger polnischer Staatenlenker, hatte 1920 Kiew und Minsk besetzt und große weissrussische wie auch ukrainische Gebiete dem polnischen Territorium einverleibt. Später wurden den Polen diese Gebiete dann »durch fremde Übermacht« wieder abgenommen, verwunden haben sie es nie und Pilsudski gilt nach wie vor als Nationalheiliger.

Nachdem nun der Iran als Ziel polnischer Alb- und Großmachtträume, wegen erwiesener Ferne, vorläufig ausgeschieden ist, muss sich der neue Raketenschild, hinter dem Polen jederzeit den Säbel zücken könnte, um alte polnische Gebiete zurückzuholen, doch gegen andere richten. In einer Zeit, in der die mittelalterlichen Ansprüche Georgiens auf sein Ossetien und sein Abchasien immer gut für einen NATO-Blankoscheck sind (Angela Merkel: »Georgien wird, wenn es das will, Mitglied der NATO werden»), ungeachtet von Kriegsgefahren, kann sich Polen doch wohl ein Stück Ukraine und Weissrußland wünschen.

Wenn die Ukrainer und Weissrußen schlau sind, werden sie auch ganz schnell Mitglied der NATO. Raketen und Gebietsansprüche werden dort zu Billigstpreisen abgegeben. Niemand will ja unter den ersten Toten sein. Für die Ukrainer könnte auch die Rückbesinnung auf das mittelalterliche Großreich der »Kiewer Rus« (um 900 v. Chr.), das allgemein als die Wiege Russlands gilt und auf dem heutigen Gebiet der Ukraine lag, sinnvoll sein. Aus dieser unbestreitbaren Tatsache lassen sich (siehe Georgien) sicher auch ebenso unbestreitbare Gebiets-Ansprüche an Russland herleiten, die von der NATO fraglos mit Raketen und Hilfe ohne Ende begrüßt würde.

In dem Maße, wie die Ukrainer sich territorial nach Russland verlegen, könnten die Polen sich in die Ukraine bewegen: Weite Teile der Ukraine gehörten, so um 1600, dem Königreich Polen. Solche Rechtsansprüche, in diesem Fall auch zeitweilig von diversen Päpsten bestätigt, verjähren eigentlich nie. Im Rahmen des nun in Gang gesetzten Ringtausches, geben die Polen ganz bestimmt das ursprünglich deutsche Gebiet Westpreußen mit seiner Hauptstadt Danzig wieder an Deutschland zurück. Erika Steinbach, die zufällig in dieser Gegend geborene Präsidentin des »Bundes der Vertrieben«, könnte nun endlich die Ministerpräsidentin des neuen Bundeslandes Westpreußen werden. Und in der geplanten Gedenkstätte für Vertreibung fände sich sicher ein Plätzchen für die Südosseten. Es ist dann nur noch eine Frage der Zeit, bis sich die NATO freiwillig in »Polnische Legion» umbenennt.

Kommentare (6)

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Sich über Polen lustig zu machen ist einfach schlechter Stil. Das steht den Deutschen nicht zu.

Walter Heinzen
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Unser Autor hat sich auch über Ukrainer, Georgier und sogar Deutsche lustig gemacht.

Uli Gellermann
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... zumal die Russen jetzt in Georgien ethnische Säuberungen vornehmen wie schon 1945 im Kaliningrad-Gebiet sowie in Schlesien, also in Polen - beklagt jedenfalls Herr Saakaschwili.

Felix Blum
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Saakaschwilis Klagen: Nach dem Überfall auf Ossetien.

Uli Gellermann
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Sie äußern sich höhnisch über die Polen, weil die sich dem amerikanischen Raketenabwehr-System anschließen. Die Erfahrung der Polen mit den Russen über Jahrhunderte - ob während des Zarismus oder der Sowjetzeit - zeigt, wie berechtigt das...

Sie äußern sich höhnisch über die Polen, weil die sich dem amerikanischen Raketenabwehr-System anschließen. Die Erfahrung der Polen mit den Russen über Jahrhunderte - ob während des Zarismus oder der Sowjetzeit - zeigt, wie berechtigt das Sicherheitsbedürfnis gegenüber dem mächtigen Nachbarn ist. Da wäre also kein Hohn sondern Verständnis angebracht.

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Lech Jasiewicz
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Ist Russland eine iranische Kolonie?

Uli Gellermann
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