Der Fortschritt der Menschheit besteht darin,
alles zu beseitigen, was einen Menschen von dem anderen,
eine Klasse von der anderen,
ein Geschlecht von dem anderen
in Abhängigkeit oder Unfreiheit erhält.
August Bebel, 1883
Es gibt die Gewinnquote, auch die Einschaltquote kennt jeder, unangenehm bekannt ist die Arbeitslosenquote, nun drängelt sich die Frauenquote auf der DAX-Vorstands-Ebene in den Vordergrund. Dem DAX, der tierisch lustig klingt, gehören die börsennotierten Unternehmen an, jene exquisiten Firmen, wie Siemens und VW, die gerade in schmierige Korruptions-Affären verwickelt sind. Die Deutsche Bank ist dabei, auch Rüstungs- und Chemiebetriebe, Daimler, BMW und der Sportkonzern Adidas, dessen Gründer bekennender Nationalsozialist war, zählen dazu. Zwei Ministerinnen der Merkel-Regierung spektakeln seit Tagen über die Frage der Freiwilligkeit oder darüber, ob eine Frauen-Quote in den DAX-Konzernen verordnet werden soll und die Mainstream-Medien, immer an Blähungen aller Art interessiert, spektakeln mit. Ein solcher Fall von Gewaltgeschrei will untersucht werden.
Früher, also ganz früher, gab es die Mutterrechts-Quote. Da der konkrete Vater in der Steinzeit-Horde nicht feststellbar war, galt nur die Mutter als jene, von der ein Mensch abstammte. Das gab ihr einen großen Zauber, der die Ur-Gesellschaften mit ihren flachen Hierarchien auf die Frau fixierten: Die große Gebärerin, die Allmutter, wurde als Gottheit erhöht und wie alle Gottheiten war sie der Ausdruck des Nichtwissens. So geriet die Frau in jener Zeit in die Chefrolle. Später, also ein wenig später, als es was zu vererben gab, Äcker, Land und Hausvieh zum Beispiel, kam der Mann in Mode. Kräftiger als die Frau und hormonell gesteuert auch meist aggressiver, setzte sich das Männchen als Führer durch und wollte auch die Führer-Nachfolge männlich quotiert sehen. Zumal in der frühen Kleinfamilie - zwar damals immer noch vielköpfig aber doch kleiner als die Horde - die Vaterschaft halbwegs festzustellen war.
In der Aggressionsfrage hat sich zwischenzeitlich nicht so sehr viel geändert: Wo ganz früher die Horde sich um das jeweilige Mammut stritt. ist es heute der börsennotierte Mammon, um den gefochten wird, gern auch mal mit einem blutigen Krieg. Auch scheint der Kampf der Arbeitsministerin von der Leyen und der Familienministerin Kristina Schröder kaum weniger hormonell gesteuert, als jener um die ersten gerodeten Äcker. Aber natürlich läuft dieser Krieg, nach Jahrhunderten der Zivilisationstünche und vor laufenden Kameras, ungleich höflicher ab. Doch während Überbleibsel der Frauenbewegung immer noch hoffen, eine Frau an der Spitze von irgendwas wäre sicher sinnvoller als ein Mann, oder würde zumindest ein gesellschaftliches Fortschrittchen erzeugen, spielt die Wirklichkeit jenes Drama, das "Angela Merkel und die falsche Frauen-Frage" heißt oder auch "Warum Alice Schwarzer ein schwerer Irrtum geworden ist".
Die weltweite Frauenbewegung war ein großer Fortschritt. Und auch wenn es nur der Mann August Bebel war, der als einen Maßstab für den Fortschritt die Stellung der Frau in der Gesellschaft begriff, ändert das nichts an dieser ordentlichen Wahrheit. Aber, dass eine Frau irgendwie einen Mann auf irgendeiner Kommandohöhe ersetzt, was soll das bedeuten? Dass ein männlicher Premierminister noch mehr Tote im Falklandkrieg erzeugt hätte als Margret Thatcher? Dass die Soldatinnen im Afghanistankrieg sich weniger schuldig machen als ihre männlichen Kameraden? Dass ein männlicher Kanzler niederträchtiger gegen die Frauen gewesen wäre als die Dame Merkel, wenn er den Schwangerschafts-Abbruch-Gegner und Aids-Begünstiger Benedikt XVI. in den Bundestag eingeladen hätte? Wäre ein männlicher Kommentator in der BILD-Zeitung zum Kachelmann-Prozess wirklich ekliger gewesen als Alice Schwarzer? Welch simples Schema, welch grober Unfug.
Hinter dem Vorhang einer Debatte um die Geschlechter-Plätze auf den Vorstandsetagen ist das Gesicht der Armut weiter weiblich. Immer noch steht die Friseurin am Ende der Lohnskala und die Krankenschwester zwar an der Spitze der beruflichen Belastung, aber in der Rentenzahlung weit hinten. Vierzig Prozent aller alleinerziehenden Frauen in Deutschland leben von Hartz IV. Nach wie vor sind zwei Drittel der Geringverdiener Frauen. Daran wird sich auch nichts ändern, wenn der Vorsitzende des Vorstands der Deutschen Bank mit Vornamen Josefa heissen sollte. Der gern beschworene Trickle-down-Effekt, das Runtersickern von finanziellen oder gesellschaftlichen Gewinnen von Oben nach Unten hat schon in der Marktökonomie nicht funktioniert, für die Emanzipation der Frau bleibt er Illusion. Bestenfalls ist er tauglich für die Guido-Knopp-Frage: Was wäre, wenn der Führer eine Frau gewesen wäre?