Irgendwie waren sie alle am Tod Gaddafis beteiligt: Frankreichs Verteidigungsminister Gérard Longuet meldete gehorsamst, dass französische Kampfflugzeuge den Gaddafi-Konvoi von rund 80 Fahrzeugen "gestoppt" hätten, die Sirte zu verlassen suchten. Laut einem US-Vertreter feuerte auch eine US-Drohne eine Rakete auf den Konvoi ab. Schliesslich versetzten dann die Rebellen dem früheren libyschen Regierungschef den Fangschuss. Wie der acht Monate andauernde Krieg, so auch sein wahrscheinliches Ende: Eine konzertierte Aktion der NATO und jenem Konglomerat aus Stämmen, ehemaligen Gaddafi-Eliten, oppositionellen Bürgern und radikalen Islamisten.
Niemand der beteiligten Kräfte hatte Lust, den Diktator vor ein ordentliches Gericht zu bringen. Denn Gaddafi wußte zuviel: Über das freundschaftliche Treffen mit dem US-Präsident Obama noch vor zwei Jahren in Italien. Über den Freundschaftsvertrag zwischen Libyen und Italien, im selben Jahr unterzeichnet. Über die Waffenlieferungen aus Deutschland und Frankreich an den Mann, der nur wenig später zum Schurken erklärt wurde. Auch wer was für libysche Öl-Lizenzen gezahlt hatte, hätte Gaddafi ausplaudern können. Das geht nun nicht mehr.
Das Wort "Mission" tauchte mehrfach in den Medien auf, wenn es um den Libyen-Krieg ging. Als habe der Einsatz etwas Heiliges gehabt. Dabei war er nur eilig, anfänglich als ein "Mal-Eben-Krieg" apostrophiert, den man in ein, zwei, na gut, dann eben in drei Monaten hätte erledigen können. Wenn, ja wenn sich nicht bald herausgestellt hätte, dass Gaddafi, trotz seines in blutigen Farben gemalten Schurkenbildes, reale Anhänger in der libyschen Bevölkerung besaß, Leute, die bereit waren für die damalige libysche Regierung zu kämpfen. Deshalb wurde das UNO-Mandat, dass nichts anderes vorsah als den Schutz der Zivilbevölkerung und eine Flugverbotszone, ständig gebrochen: Jagd auf Gaddafi und bewaffnete Parteiname für die Rebellen waren NATO-Praxis bis zum schließlichen Einsatz von Elite-Bodentruppen. Die Zahl der Kollateral-Toten wird man wohl nie erfahren.
Gern wird von der "neuen" Fahne berichtet, die von den Rebellen jetzt auf den Trümmern von Regierungsgebäuden gehisst wird. Es ist die uralte Fahne des Königs Idris, der einst als Chef der islamistischen Senussi-Bruderschaft von der britischen Kolonialmacht auf den Thron gehievt worden war. Und aus dieser Zeit resultieren auch die Stammes-Konflikte in Libyen, die zum Bürgerkrieg geführt haben. Dass die Rebellen kaum zimperlicher gewesen sind als die Gaddafi-Truppen, weiß Amnesty International: In einem Bericht der Organisation ist zu lesen, dass die Rebellen im Kampf gegen das Regime Gaddafis Menschenrechtsverletzungen und möglicherweise Kriegsverbrechen begangen haben.
Wer und was demnächst Wahlen in Libyen durchführt und eine neue Regierung bilden wird, ist schon schwerer zu entziffern. Aber es gibt Hinweise: Der Übergangsrat hat schon erklärt, dass der neue Staat sich auf Basis der Scharia entwickeln wird. Auch der angekündigte Rücktritt des Vorsitzenden des Nationalen Übergangsrates, Mahmud Jibril, wegen offenkundiger Unstimmigkeiten mit den islamistischen Fraktionen im Rat, gibt eindeutige Hinweise. Ob die NATO langfristig mit dem Ergebnis ihres völkerrechtswidrigen Krieges zufrieden sein wird, darf bezweifelt werden. Immerhin, ein Mitwisser der Öl- und Waffengeschäfte der vergangenen Jahre ist schon mal ausgeschaltet.