Wenn er denn kommt der Papst, wenn er denn in den Bundestag kommt, sollte es schon feierlich sein. Das Mindeste ist Weihrauch: Im Plenarsaal gut verteilt könnten an die hundert Ministranten, den Geruch von Heiligkeit verbreitend, ihr Turibulum, ihr Weihrauchfass schwenken. Dann erheben sich die Abgeordneten von den Plätzen und rufen chorisch: "Tättä, tättä, tättä!" Denn gleich wird der Papst in die Bütt steigen, pardon, an das Rednerpult treten. Ein Klatschmarsch müsste ihn begleiten. Und während der dann folgenden Stille sollten nur noch die Damen und Herren Schwulen und Lesben stehen bleiben, vorzugsweise jene, die sich bisher noch nicht geoutet haben, und mit großen Schildern in den Farben des Regenbogens auf ihr kirchlich bisher wenig geachtetes Geschlecht hinweisen. Wenn dieser Akt der Ehrung beendet ist, Schwule und Lesben sitzen wieder, stehen von den rund 200 weiblichen Abgeordneten jene auf, die schon einmal abgetrieben, haben. Ob der Papst sie segnen wird? Selbst wenn nicht, das würde dem erhebenden Moment keinen Abbruch tun.

Natürlich kann der Bundestag bei diesem Schritt zur Heiligung des hohen Hauses nicht stehen bleiben. Gewiss hat in der langen Reihe der Religionen die Evangelische Kirche den Vortritt. Aber seit Margot Käßmann diesem Verein nicht mehr vorsteht, ist der Zauber nahezu verflogen. Doch wenn Nikolaus Schneider, der Ratsvorsitzende der EKD, sich von den rund hundert Militärgeistlichen der Kirche begleiten ließe, die ihn, mit umgehängter Maschinenpistole und im Gleichschritt, zum Rednerpult führen würden, gäbe das den Medien jene Bilder, auf die sie schon lange gewartet haben. Wenn dann noch der protestantische Militärdekan für Afghanistan ein Transparent mit der Aufschrift "Wir stehen hinter euch", weiß auf geflecktem Grund, hissen würde, wäre auch der Auftritt dieser Kirche perfekt.

Die Präsentation eines islamischen Oberhauptes im Bundestag gestaltet sich ein wenig schwierig: Der Islam kennt eine solch hierarchische Struktur nicht. Man wird sich also mit Abdullah ibn Abd al-Aziz, dem saudischen König, der zugleich "Hüter der Heiligen Stätten" von Mekka und Medina ist, als Exponent für die sunnitische Fraktion begnügen müssen. Der Protokollausschuss des Bundestages berät zur Zeit darüber, ob man ein paar abgehackte Hände, die nach einem Diebstahl in Saudi Arabien anfallen, zur Dekoration nutzen sollte. Man nimmt an, dass ein ranghoher schiitischer Geistlicher aus dem Iran, der nach dem Sunniten dran wäre, eine Demonstrations-Steinigung vorführen könnte. Diese interessante Rechtspraxis als Strafe für den Seitensprung, käme, nach Meinung des Ausschuss für jene knapp 100 Abgeordnete infrage, die sich dem Papstbesuch im Bundestag quasi durch einen Seitensprung entziehen wollen.

Die verschiedenen Religionen werden dem Bundestag ein buntes Gepräge verleihen: Von den Butterlämpchen der Buddhisten, über die Reisopfer verschiedener animistischer Religionen, bis hin zur "Sati", der fröhlichen Witwenverbrennung, wie sie bis heute in einigen Ecken des Hinduismus üblich ist, kommt alles ins Programm. Auf keinen Fall darf die Rede eines Pastafari fehlen. Die Pastafaris gehören zu jener Religion, die 2005 vom amerikanischen Physiker Bobby Henderson gegründet wurde und deren Anhänger an das "Fliegende Spaghettimonster" glauben. Wahrscheinlich wird die Rede anlässlich eines "Passtahfest" gehalten werden, ein Ereignis, das von Unmengen Nudeln geprägt ist. Einsamer Höhepunkt der Parlaments-Religiosität sollte die Rede eines Bankpräsidenten sein, der automatisch zur Religion derer "Die-Um-Das-Kalb-Tanzen" gehört. Neben dem gemeinsamen Gebet der Abgeordneten zum Goldenen Kalb wird es zur rituellen Geldverbrennung kommen, die in den letzten Jahren schon mehrfach und heftig geübt wurde.

In der Debatte um die Papst-Rede im Bundestag führt eine kleine radikale Minderheit immer wieder an, das Grundgesetz sähe eine strikte Trennung von Staat und Religion vor. Das ist natürlich albernes Demokratie-Konfetti. Die hoch begabte Generalsekretärin der SPD, Andrea Nahles, hat diese Position schon energisch zurückgewiesen: Der Papst sei "im wahrsten Sinne ein Global Player", da muss so ein kleinkariertes nationales Gesetz eben hintenanstehen. Selbst die Mater Dolorosa der GRÜNEN, die schmerzensreiche Claudia Roth, besteht auf der Papstrede: "Das Recht auf freie Meinungsäußerung darf nicht eingeschränkt werden . . . auch nicht, wenn es der Papst ist." Der Regensburger Bischof Müller erkannte sogar, dass der Papst ein "Hausrecht" im Bundestag habe. Allerdings gibt es auch subversive Aktionen gegen den Papstbesuch. Ausgerechnet die Berliner Polizei verlangt, dass die Fenster der Wohnungen entlang der Papst-Fahrstrecke geschlossen bleiben (angeblich aus Sicherheitsgründen) und versucht so das Winken zu unterbinden. Wenn solche atheistischen Maßnahmen um sich greifen, ist mit einem traurigen Ergebnis zu rechnen: Zwar wird der Bundestag voll sein, doch die Kirchen weiterhin leer.