In schwer katholischen Haushalten gibt es den "Hergottswinkel", jene Beschwörungsecke im Wohnzimmer, in der ein Kruzifix, eine Heiligen-Statue und eine Gebetbuch für alle Fälle bereit liegen: Für spontanes Notbeten, für Sonntagnachmittags-Meditationen, für Fürbitten aller Art. Aktive Katholiken haben zur Zeit alle Hände zum Gebet gefaltet. Es geht um ihre Kirche, ihren Glauben, um die Moral einer Institution, die Moral predigt. Die deutschen Gesetze garantieren Religionsfreiheit. Hier kann jeder beten was er will.
Doch muss man angesichts einer Kirche - die vom Brauch zum Missbrauch gerät, deren Anti-Abtreibungs-Propaganda, deren Schwulenphobie und deren Verdunkelungspolitik gegenüber den kirchlichen Verfehlungen - dringend die Frage nach dem Verhältnis von Kirche und Staat stellen. "Es besteht keine Staatskirche", erklärt das Grundgesetz ( gestützt auf die Weimarer Verfassung) sehr bestimmt. Um ein paar Paragraphen später zu relativieren: "Die Religionsgesellschaften . . . sind berechtigt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben." Davon, dass der Staat für die Kirche Steuern einziehen soll, steht nichts geschrieben.
Walter Mixa hatte jüngst einen Flug nach Afghanistan abgesagt. Dass er nicht flog, hatte mit den bekannten Vorwürfen zu tun. Aber warum wollte er fliegen? Weil er Militärbischof ist. Dafür bekommt er vom Staat ein Gehalt. Weil aber die doppelte Last - Bischof und Militärbischof zu sein - auch doppelt entlohnt werden muss, bekommt der Bischof auch doppeltes Geld: Ein Beamtengehalt der Besoldungsgruppe 6, das entspricht rund 7900 Euro monatlich für den puren Bischofs-Job. Gezahlt vom Land Bayern, dass sich auf ein Konkordat aus dem Jahr 1924 bezieht. Dass wiederum galt als Wiedergutmachung für eine vor 200 Jahren erfolgte Enteignung der katholischen Kirche in Bayern. Das darf man eine schöne Verzinsung nennen.
Apropos Konkordat: Unmittelbar nach der Machtergreifung der Nazis ging die Reichsregierung auf die katholische Kirche zu, um eine Konkordat abzuschließen. Mit Hitlers Regierungserklärung, in der er das Christentum als "unerschütterliches Fundament des sittlichen und moralischen Lebens unseres Volkes“ bezeichnet hatte, war der Weg zur Einbindung der Kirche in die Naziherrschaft geebnet. Das Konkordat - heute noch gültig, denn die Bundesrepublik hat sich immer um die Rechtsnachfolge des "Reiches" gerissen - sichert die Steuererhebung der Kirche, garantiert die Militärseelsorge und enthält einen Treueeid: "Vor Gott und auf die Heiligen Evangelien schwöre und verspreche ich, so wie es einem Bischof geziemt, dem Deutschen Reich und dem Lande … Treue." Von dieser Verpflichtung hat sich die Kirche bis heut nicht distanziert. Man wollte wohl das segensreiche Konkordat nicht infrage stellen.
Für die Causa Mixa würde ein schlichtes bayerisches Amtsgericht reichen: Schon 2001 ist er mit einem nicht deklarierten Koffer voller Geld an der mazedonischen Grenze erwischt worden. Mixas Flug nach Skopje bezahlte der Steuerzahler. Denn der Militärbischof besuchte die deutschen Kfor-Soldaten. Ob es sich um Geldwäsche für die paramilitärische UCK handelte, ist nicht bewiesen, aber durchaus möglich. Schrieb die Mazedonische Presse. Die Geldwäsche ist, anders als die anderen Vermögensvergehen des Bischofs, noch nicht verjährt. Londoner Wettbüros nehmen keine Wetten darauf an, dass Mixa vor Gericht gestellt wird. Das sei völlig unwahrscheinlich, da könne man gleich auf den Rücktritt des Papstes wetten.
Den Herrgottswinkel ausmisten, dass können nur die Katholiken selbst. Einer verlogenen, frechen und vertuschenden Kirche den Geldhahn zudrehen, das könnte der Bundestag. Wenn er denn den Geist der Verfassung ernst nähme. Das wiederum setzte einen Geist voraus, der bei der Bundestagsmehrheit, bei Merkel & Co. bisher nicht zu entdecken war.