Er platzt vor lauter Weisheit, der Pastor aus Rostock, der zur Zeit den Bundespräsidenten darstellt. Tiefe Kenntnisse der Weltökonomie haben ihn bei seinem Antrittsbesuch in Brüssel als Fürsprecher diverser Euro-Rettungsschirme auftreten lassen. Und sein außergewöhnliches Wissen des Verfassungsrechtes ließ ihn dann auch in einer anderen Frage kurzen Prozess machen: "Ich sehe nicht, dass unsere Bereitschaft, Rettungsschirme aufzuspannen, durch das Bundesverfassungsgericht konterkariert wird." Die geronnene Selbstgewissheit des Herrn Gauck kann nur im Pluralis Majestatis existieren: Na, haben wir denn auch schön unseren Rettungsschirm aufgespannt?

Es wird Klagen geben gegen den Rettungsschirm-Fiskalpakt. Primär, weil er die Rechte des Parlamentes verfassungswidrig beschneidet. Sowohl die Linkspartei, als auch die ehemalige Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) als auch der CSU-Politiker Gauweiler werden klagen. Wie die Klagen im einzelnen begründet sein werden, weiss keiner - außer Gauck. Und wie das Verfassungsgericht, das noch jüngst die Rechte des Parlamentes gegen die europäische Bürokratie gestärkt hat, entscheiden wird, das weiß auch keiner - außer Gauck.

In schöner Parallelität zum pompösen Gauck hat der barocke EU-Kommissionspräsident, Jose Manuel Barroso, die argentinische Regierung gerügt: "Wir erwarten, dass die argentinischen Behörden sich an ihre internationalen Verbindlichkeiten und Verpflichtungen halten", quengelte der Kommissionspräsident. Denn die Argentinier wollen ihre Ölquellen zurück, die sie vor dreizehn Jahren in einem schweren Anfall von Marktliberalität an den spanischen Konzern REPSOL verscherbelt hatten. Damals, als der Internationale Währungsfonds die Regierung so lange unter Druck gesetzt hatte, bis sie - von den staatlichen Flughäfen über die Rentenversicherung bis zu den Ölfeldern - alles privatisierte, um den Haushalt zu sanieren. Eine Haushaltspolitik wie sie auch in jenem Fiskalpakt für Europa vorgesehen ist, den der Weltökonom Gauck längst entschieden sieht.

Noch heute leidet Argentinien unter den Folgen der neoliberalen Sparwut: Das ehemals gut funktionierende Eisenbahnnetz rottet vor sich hin, die internationale argentinische Fluggesellschaft ist zum Regionalflieger abgestiegen und das Öl-Land Argentinien muss Öl importieren. Alles Folgen einer Rezeptur, wie sie der Fiskalpakt für Länder wie Spanien und Portugal vorsieht und wie sie mit den bekannten Verarmungsfolgen in Griechenland bereits praktiziert wird. Wenn die argentinische Regierung jetzt die Rück-Verstaatlichung beginnt, zieht sie nur die Notbremse, um die schweren Fehler der Vergangenheit zu korrigieren.

Es sind jene Fehler, die man innerhalb der EU erneut als Kur für angeschlagene Volkswirtschaften empfiehlt und die der Gauck großmäulig bei seinem EU-Besuch vertritt. Noch keine 100 Tage im Amt und schon erhebt sich der Präsident über die Verfassung. "Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Verstand", das hofft der Volksmund. Aber, obwohl der amtierende Präsident geschworen hat, seine "Kraft dem Wohle des deutschen Volkes" zu widmen und diesen Vorsatz mit der Eidesformel "So wahr mir Gott helfe" bekräftigte, ist im Falle Gauck die Hilfe von oben noch nicht eingetroffen.