Wenn man den Deutschen morgen am Tag den Export ihrer Automobilindustrie verbieten sollte, würde der Verteidigungsminister einen seiner Lieblingssätze wiederholen: "Wir können nicht Exportnation sein, ohne auch politische Verantwortung zu übernehmen. Ein Baustein ist der Beitrag unserer Streitkräfte." Denn 159,4 Milliarden Euro, die im letzten Jahr in diesem Sektor umgesetzt wurden, sind nicht irgendwas: Auf diese Summe zu verzichten, träfe den Nerv der deutschen Wirtschaft.
Den Nerv der iranischen Wirtschaft, deren Öl-Exporte, will die Europäische Union Ende Januar treffen: Im untertänigen Gefolge der USA soll ein Öl-Embargo gegen den Iran beschlossen werden. Denn mit dem neuen Gesetz zum Verteidigungshaushalt drohen die USA allen ausländischen Banken, auch den staatlichen Notenbanken, sie vom amerikanischen Markt auszuschließen, wenn sie mit der iranischen Zentralbank Ölgeschäfte machen. Eine Sprecherin des US-Außeninisteriums kommentierte die Folgsamkeit der Europäer: "Das zieht die Schlinge um den Iran wirtschaftlich zu."
Offiziell zielt die Lynchjustiz der USA auf die unbewiesene Behauptung, der Iran baue Atomwaffen. Eine nützliche Verdächtigung, die 2003 schon als Vorwand für den Irak-Krieg diente. Es ging damals um Öl, und es geht heute um Öl. Um jene knapper werdende Ressource, die wie Blut in den Adern der Industrieländer pulsiert. Einen solch bedeutenden Stoff mag die USA, mögen die europäischen Mächte nicht in der Hand eines unbotmässigen Staates wissen. Denn der Iran, der Staat mit den zweitgrößten Ölreserven der Welt, will keineswegs immer so wie die Industrieländer wollen.
Was die westlichen Länder im Nahen Osten wollen ist eindeutig: Israel soll der einzige Atomstaat in dieser Gegend bleiben. Anders als im Fall Iran ist der Atomwaffenbesitz Israels bewiesen. Eine Drohung gegen Israel, zum Beispiel die Streichung der immensen ausländischen Subventionen, ist bisher nicht bekannt. Auch ist das Atomprogramm des israelischen Staates seltsam unkommentiert. So bleibt Israel der drohende Knüppel über den Köpfen jener nahöstlichen Länder, die eine unabhängige Außenpolitik verfolgen. Es gibt augenscheinlich zweierlei Atomwaffen: Gute und schlechte.
Schon der Atomwaffensperrvertrag teilt faktisch die Kernwaffen in Gut und Böse auf. Einige der im Vertrag legitimierten Atom-Mächte, natürlich immer wieder auch und gern die USA, modernisieren ihre schmutzigen Arsenale und entwickeln sogar neue Waffen statt abzurüsten. Im Sperrvertrag ist auch die Weitergabe von Atomwaffen an Nichtatomwaffenstaaten verboten. Die Stationierung amerikanischer Atomwaffen, zum Beispiel in Deutschland, wird sicher unter der Rubrik gute Atomwaffen geführt. Jedenfalls wurde die vorgeblich souveräne deutsche Republik wegen dieser etwa 20 Atombomben im Fliegerhorst Büchel (Rheinland Pfalz) bisher nicht mit einem Embargo bedroht. Vielleicht, weil die Bundesrepublik, anders als der Iran, nicht als militärisch aggressiv gilt.
Seit 1990 ist Deutschland an einer wachsenden Zahl an Auslandseinsätzen beteiligt. Seit zehn Jahren sogar an einem verfassungswidrigen Krieg in Afghanistan. Das ist natürlich nichts gegen die USA, die seit 1945 auf rund 40 Kriege in anderen Ländern kommt, obwohl das Territorium der USA in dieser Zeit nie angegriffen wurde. In der selben Zeit hat der Iran einen einzigen Krieg geführt: Zur Verteidigung seines Staatsgebietes gegen den Irak. Der allerdings führte seine militärische Aggression mit freundlicher Unterstützung der USA. Damals wie heute schweigen die deutschen Mainstream-Medien über die ungleiche Verantwortungsverteilung von Angriffskriegen und Kriegsbereitschaft.
Die USA werden kurzfristig 80 Kampfjets an den, dem Iran feindlichen Nachbarn Saudi Arabien liefern. Wie selbstverständlich heizt die amerikanische Kriegsmarine die Spannungen mit dem Iran durch die Entsendung eines Flugzeugträgers in die Straße von Hormus an. In der offiziösen Zeitschrift des US-Außenministeriums "Foreign Affairs" fordert Matthew Kroenig, der bis Ende Juli 2011 Sonderberater des US-Verteidigungsministeriums war: "Es ist Zeit den Iran anzugreifen." Der Krieg rückt näher. Und die freiwillig blinden deutschen Medien werden, wenn er denn begönne, erzählen, der Iran habe es ja nicht anders gewollt. Und wenn es hart auf hart kommen sollte, wird man lesen oder hören können, dass in der Straße von Hormus mal wieder die deutsche Freiheit verteidigt wird.