Da haben sie ein hübsch geschnitztes Stöckchen auf die Medienwiese geworfen - die Monika Deutz-Schröder und der Professor Klaus Schröder, das Paar vom "Forschungsverbund SED-Staat" - und brav wurde es von den völlig verängstigten Redaktionen apportiert: "Jeder fünfte Deutsche will die Revolution" - dräut denn auch die Überschrift der WELT. Da kommt sie schon, die Revolution, aber vorläufig nur in der Studie der SED-Staat-Schröders von der Freien Universität Berlin: "Linksextremismus in Deutschland". Eine Studie, die empirisch daherkommt und uns leider die Originalfragen nicht zukommen lässt. Macht nix, sagt sich der deutsche Gesamt-Redakteur, denn nur bange machen gilt. Sollen sie doch zittern in den deutschen Krähwinkeln, denn der Abonnent ist ein Feind der Veränderung. Deshalb liest er ja die FAZ, die der Studie eine ganze Seite widmet. Da können auch die SÜDDEUTSCHE, der TAGESSPIEGEL und die ZEIT nicht widerstehen. Denn wenn der Leser zittert, so denkt die Verlagsleitung, liest er weiter jene Blätter mit viel Meinung und wenig Substanz.

Längst ist der "Linksextremismus" ein Polizei-Begriff, wie uns der Berliner "Staatsschutz" zuvorkommend mitteilt, wenn er auf seiner Website seine Daseinsbegründung aufschreibt: "Die Unzufriedenheit mit den gesellschaftlichen Verhältnissen in Deutschland, der Unmut über die persönliche soziale Situation oder einfach nur Anarchismus werden offen oder verdeckt und vielfach mit Gewalt zum Ausdruck gebracht." Da ist der "Staatsschutz" bei weitem ehrlicher und analytischer als die Schröders: Es ist die Unzufriedenheit mit den sozialen und gesellschaftlichen Verhältnissen, die mit polizeilichen Mitteln bekämpft werden muss, denkt man dort. Während man an der "Freien Universität" Steuermittel und Gelder der VW-Stiftung, der Deutschen Bank und der ARD ausgibt, um den vielen kleinen Bürgern die große Angst einzujagen: Dreh Dich nicht um, das Linksextrem geht um.

Denn "Linksextremismus" erzeugt Gewalt, erzählen die Schröders und sehen ihn als eine "antizivile" Einstellung. Während die Gewalt der Armut, die Gewalt der Kriegspropaganda und des Verdummungs-Aparates nicht erwähnt werden, sondern den Status der Gutbürgerlichkeit genießen. Damit die Verderblichkeit der "antizivilen" Gewalt auch moralisch eingeordnet werden kann, behauptet die Studie, dass die linke Einstellung "mit (verstecktem) Anti-Semitismus und (offenem) Anti-Zionismus und vor allem Anti-Israelismus" gepaart sei und führt damit einen neuen Straftat-Bestand in die universitäre Debatte ein: Den "Anti-Israelismus". Dem aufmerksamen Leser wird der "Anti-Amerikanismus" fehlen, er scheint wegen seiner wachsenden Popularität nicht mehr als Kampfbegriff tauglich zu sein.

Die Schrödersche Studie ist von Beginn an wegen ihrer Verfassungswidrigkeit schwer verdaulich. Liegt ihr doch eine Definition des Linksextremismus zugrunde, die "den Vorrang des Individuums im demokratischen Pluralismus zugunsten einer kollektiven Homogenitätsvorstellung ablehnt". Diese Interpretation des Extremismus kollidiert krachend mit dem Artikel 3 im Grundgesetz, nach dem alle vor dem Gesetzt gleich sind. Wenn alle gleich sind, denkt der FU-Professor, das ist doch Kommunismus. Und der ist extrem links. Doch die Schröders verschärfen ihre verfassungswidrige Haltung noch, wenn sie der "freiheitlich-demokratischen Gesellschaft" eine "positive Ungleichheit" unterstellen. Diese "positive Ungleichheit", nach der die einen fast alles die anderen wenig haben, ist zwar nur für die einen positiv und steht auch in keinem Gesetz der Bundesrepublik Deutschland. Also versuchen die Schröders die soziale Wirklichkeit des Landes mit dem unwissenschaftlichen Begriff der "freiheitlich-demokratischen Gesellschaft" zu beschreiben und ein eigenes Grundgesetz zu basteln, in dem eine extremistische, verfassungsfeindliche Elite-Ordnung aufschimmert. Wenn hier schon der "Verfassungs-Schutz" nicht Alarm schlägt, sollte man von einer Universitäts-Leitung, die sich als demokratisch verfasst bezeichnet, eigentlich unmittelbares Einschreiten erwarten.

Noch bedenklicher wird es, wenn die Schröders eine "Linksextremismus-Skala" entwickeln und ihr "Dimensionen" zuordnen, in denen auch Anti-Kapitalismus, Anti-Faschismus und Anti-Rassismus auftauchen. Nach diesen Kategorien ist zum Beispiel der aktuelle Papst unschwer als Linksextremist zu erkennen. Schlimmer noch ist die Schrödersche Linksextremismus-Einordnung der Anti-Repression, die sich brutal gegen die Menschenrechte wendet: Wird doch mit ihr der Kampf gegen Repression, der nichts anderes meint als die Verteidigung der Menschenrechte gegen Unterdrückung, als extremistisch denunziert. Auch wegen dieser undemokratischen Begriffs-Verwendung ist die Studie nur mit äußerster Vorsicht zu genießen.

Unter der Rubrik "Linksextremismus" wird die "Unzufriedenheit mit der praktizierten Demokratie" ebenso eingeordnet wie die Sorge um den zu großen "Einfluss der Wirtschaft". Der Anteil der Nicht-Wähler wächst, wer da wegbleibt, ist mit der aktuellen Demokratie "unzufrieden". Glaubt man den Schröders sind die Nichtwähler alles gefährliche Linksextremisten. Und dass die Wirtschaft mehr Einfluss hat als der Rest des Sozialgefüges, das leugnen nur noch die beamteten TTIP-Verteidiger. So muss die wachsende Zahl der TTIP-Gegner (40 Prozent) mit dem grusligen Etikett des "Linksextremismus" beklebt werden, obwohl sie am 1. Mai zu Hause bleiben und auch nicht in Kreuzberg wohnen. Irgendwie linksextrem nach der Methode Schröder ist auch jenes Drittel der Befragten, die davon ausgehen, dass "der Kapitalismus zwangsläufig zu Armut und Hunger" führe. Wer also die Wirklichkeit nicht leugnet, der ist extremistisch. Man muss sich erinnern, dass die Leute des "Forschungsverbund SED-Staat", zu denen die Schröders gehören, vom soliden Historiker Wolfgang Wipperman als "Hobbyhistoriker“ und "nekrophile Antikommunisten“ bewertet worden sind. Und schon drängt sich die Frage auf, ob die Finanzierung des Projektes unsicher geworden ist und der "Linksradikalismus" demnächst den "SED-Staat" ersetzen soll.

Zu schön wäre es, wenn die Linksextremismus-Studie der "Freien Universität" tatsächlich wissenschaftlich erarbeitet worden wäre. Denn dann würde der Satz "Unsere Demokratie ist keine echte Demokratie, da die Wirtschaft und nicht die Wähler das Sagen haben“ (dem 61 Prozent der Befragten zustimmen konnten) jene Möglichkeit der Veränderung in sich bergen, die dem Land unbedingt gut täte. Aber das wollen die Schröders nicht. Sie wollen abschrecken.