Die Berliner Akademie der Künste, eine Versammlung deutscher Intellektualität: Von Günther Grass über Uwe Timm bis Christa Wolf, von den Theaterleuten Ivan Nagel und Frank Castorf, bis zu den Filmemachern Andreas Dresen und Doris Dörrie, ein Hort kluger Künstler. Unter dem Akademie-Präsidenten Walter Jens war die Akademie zugleich ein Ort der politischen und ästhetischen Dispute mit einer deutlich linken Kontur und, wo nötig, einer oppositionellen Haltung. Diese Akademie lud ein zu einem Gespräch über das "Ende der Globalisierung? Wege aus der Krise". Ein großer Anspruch, der in dieser Höhe scheitern musste, aber immerhin eine ernsthafte, alternative Auseinandersetzung hätte bieten können.

Spätestens mit der Frage des heutigen Akademie-Präsidenten, Klaus Staeck, ob denn in der Regierung ein Umdenken statt gefunden habe, ob denn die alte Marktgläubigkeit nun endlich ein Umsteuern erfahren würde, war die Runde auf dem Podium überfordert. Keineswegs intellektuell. Denn mit Mathias Greffrath und Harald Schumann agierten zwei politisch und wirtschaftlich versierte Journalisten in der Runde. Auch dem Leiter des Planungsstabes im Auswärtigen Amt, Markus Ederer, konnte man kaum mangelnde Kenntnisse vorwerfen. Die Begrenztheit der Runde lag in ihrer politischen Orientierung: Alle Teilnehmer waren mehr oder weniger mit der SPD verwandt, wenn auch eher deren linkem Rand zuzuordnen. Jener von Schröder und Co. deformierten Partei, der wir die schroffe neoliberale Orientierung der Republik verdanken, die von Merkel und Steinmeier, von Kauder und Müntefering in braver Tradition fortgeführt wird.

Wenn Klaus Staeck von einer Gesellschaftskrise sprach und sich sorgte, dass die selben Leute, die uns reingeritten haben jetzt die Probleme lösen sollen, wünschte sich Mathias Greffrath eine Reform der Welthandelsorganisation und der Weltbank, wohl wissend, dass es dazu keine Mehrheit in seiner eigenen Partei gibt. Der Mann des Außenministeriums war sich sogar sicher, dass es keine Krise der Marktwirtschaft gäbe aber immerhin eine "Gerechtigkeits-Krise". So verharrte die Runde, trotz kräftigen Nachfragens der Moderatorin Franziska Augstein im Semantischen statt sich dem Wesentlichen zuzuwenden. Kein Wunder, dass dann die Euro-Zone als "sicherer Hafen" gepriesen wurde, mit der selben Gläubigkeit, mit der gestern noch behauptet wurde, die Krise beträfe unser Land nicht und noch vorgestern die Wirtschaftsweisen als weise gegolten hatten.

In der Debatte aus dem Publikum mochte Pfarrer Schorlemer, "ein Mensch der sozialdemokratisch denkt", die Akademie-Gemeinde darauf hinweisen, dass wir alle bald unseren Lebensstil ändern müssen und ein Anderer wies darauf hin, dass die vielen Kleinaktionäre sich am Monopoly der Börse beteiligt hätten und so eine Mitschuld trügen. Eine kritische Frage zur Zusammensetzung des Podiums, verbunden mit der Frage, warum denn niemand von "attac" oder der Linkspartei dort oben sässe, wurde mit der lustigen Anmerkung von Staeck beantwortet, er sei immerhin "attac"-Gründungsmitglied und mit der Behauptung von Greffrath, "attac" habe zur Zeit keine ausreichend entwickelten Persönlichkeiten. Das Wort "Linkspartei" wollte keiner im Munde führen, man hätte ja die Lafontaine-Krätze oder das Gysi-Virus bekommen können. Statt dessen rief der Akademie-Präsident launig dazu auf, doch zur Commerzbank gegenüber zu gehen: Dort sei zum selben Thema eine Veranstaltung. Es sollte nach Go-In klingen, klang aber eher nach Büttenrede und wurde so auch vom Publikum aufgenommen.

Doch den Vorschlag von Staeck hätten die Versammelten ernst nehmen sollen: Der Präsident hätte dann in der Commerzbank sicher jede Menge Mitglieder des "Freundeskreis der Akademie" treffen können, angefangen vom Vorsitzenden des Aufsichtsrates der Commerzbank, über den Unternehmensberater Roland Berger, den Chef der Springer AG und Herrn Breuer, der für die Deutsche Bank im "Freundeskreis" sitzt. Alles tapfere Kämpfer für den freien Markt und gegen die staatliche Zwangswirtschaft, außer man kann Geld beim Staat abfassen. Es ist die Scheinradikalität des Klaus Staeck, der seit Jahren wunderbar kritische Plakate macht und dann doch lieber brav seine SPD unterstützt, die der Veranstaltung das unangenehme Gefühl einer SPD-Wahlversammlung gab: Noch 15 Wahlen stehen in diesem Jahr an, da konnte dann auf dem Podium kein Platz für eine echte Alternative sein.

Die Veranstaltung beschwor die intellektuelle Verantwortung, die der Akademie zweifellos zu eigen ist und löste sie dann doch gleich wieder auf, indem Staeck mit einem langen Finger auf das Publikum zeigte: Wir alle seien verantwortlich wenn sich nichts bewege und wie immer wenn alle verantwortlich sind, ist letztlich niemand verantwortlich. Natürlich waren sich die Herren auf dem Podium auch darüber einig, dass man die wirtschaftlichen Probleme nur im europäischen, im globalen Masstab lösen könne: Eine beliebte, beamtete Verlagerung der Zuständigkeit ins Nirgendwo. So blieb dann alles wie gehabt: Unten an der Bar gab es was zu trinken, man hatte das gute Gefühl vermittelt irgendwie ziemlich links zu sein und schön unter sich. Und auch die Verantwortung der Akademie bleibt wohl verwahrt im Glashaus bürgerlicher Wohlanständigkeit und keiner wirft den ersten Stein.