"Gib mir einen Punkt, auf dem ich stehen kann, und ich werde dir die Welt aus den Angeln heben", soll der Physiker Archimedes rund 200 Jahre vor Christus gesagt haben. Und es war eine Physikerin, die in der Bundestags-Sitzung die Hebelung des europäischen Rettungsschirms, die Risikoversicherung für spekulierende Banken, auf etwa eine Billion Euro forderte. Ihr fester Punkt ist ein Sumpf: Ein Parlament, dass schon seit der letzten Bankenkrise 2008 alles durchwinkte, was durchzuwinken war, ein Bundestag, der in der Zwischenzeit keinerlei Kontroll-Regelung für den Finanzsektor durchsetzte, eine Versammlung die - sieht man von der Linkspartei ab - den Banken jeden Wunsch von den Lippen abliest, weil dessen Rettung so wunderbar "alternativlos" sei.
Da hat Jürgen Trittin von den GRÜNEN mal wieder heftig mit den Armen gerudert und so getan, als verträte er eine Opposition. Da konnte man Frank-Walter Steinmeier beobachten, der das Rednerpult so fest umklammerte, als habe er Sorge, es könne vom scheinoppositionellen Dauerpusten wegfliegen. Und alles war schlechte Scharade, mieses Provinztheater, denn hinter den Kulissen hatten Regierung und jene Rosa-Türkis-Koalition, die sich immer noch Opposition nennt, ohne vor Scham in den Boden zu versinken, längst einen gemeinsamen Entschließungsantrag ausgekungelt, der für die Kanzlerin eine Art Ermächtigungsgesetz zur Sanierung der Banken bedeutet. Wer in diesem Antrag etwas sucht, das auf Banken-Kontrolle hindeutet, wird ein Sätzchen finden, das untertänigst wünscht, eine Finanzmarkttransaktionssteuer "zügig nach dem G20-Treffen Anfang November" in der EU zu entscheiden. Das ist genau auf jene lange, diffuse Bank geschoben, die von den Finanzinstituten geliebt wird.
Weil den GRÜNEN der oppositionelle Tarnanstrich echt wichtig ist, haben sie noch einen Antrag zur Abstimmung hinterhergeschoben: Eine "Kommission des Deutschen Bundestages zur Regulierung der Großbanken" wollen sie haben, nachher, wenn der "Hebel" beschlossen, die Banken zum zweiten Mal vom Steuerzahler saniert und das große Kapital gerettet ist. Und diese nur scheinbar kühne Kommission soll ein "Trennsystem" für Banken erwägen. Als ob es sich um den Hausmüll handeln würde, von dem die GRÜNEN ja etwas verstehen mögen. Dann sorgen sie sich in ihrem Papier auch für die Zukunft: "So ergibt sich die Gefahr, dass die Gewinne privatisiert, die Verluste aber sozialisiert werden." Als ob das nicht längst alltägliche Praxis wäre, als ob der große Raubzug der Finanzwirtschaft nicht schon seit 2008 marodierend über die Staatskassen hergefallen sei. Auch die SPD wedelte mit einem Papier, das eine abgestandene Erkenntnis verbreitet: "Es besteht somit die Gefahr, dass die Staatsschuldenkrise zu einer Bankenkrise wird". Flugs appellierte die sozialdemokratische Verneigungspartei an die EU-Kommission, sie möge doch "schnellstmöglich" eine Finanztransaktionssteuer einführen. Jetzt wünscht sich die SPD das, nicht in den letzten Jahren.
Es war die Darstellung eines großen oppositionellen Sturms, von Steinmeier und Trittin inszeniert, der doch in Wahrheit nur ein Lufthauch aus dem After der Acker- und Lehmänner war. Übel riechendes Zeugs, das den Völkern Europas den Atem rauben wird. Denn die zusammengehebelte Billion ist, ohne dem durchgeknallten Finanzsektor Zügel anzulegen, nichts anderes als eine herzliche Einladung an die Banken zur erneuten Spekulation: Sie werden auf einen Zahlungsausfall wetten, sie werden "Risikoaufschläge" ohne Ende verlangen und schließlich wird man ihnen, nach dem Schuldenschnitt Griechenlands, auch noch das Eigenkapital aus Steuergeldern erhöhen. Die übergroße Koalition der Bank-Parteien löscht das Finanzfeuer mal wieder mit Benzin.
Der Archimedes-Legende nach soll der Physiker nach der Eroberung von Syrakus dem römischen Soldaten, der ihn festnehmen sollte und ihn gerade beim Zeichnen geometrischer Figuren im Sand störte, zugerufen haben: "Störe meine Kreise nicht!", worauf der Soldat dermaßen in Wut geriet, dass er Archimedes erschlug. Die Kreise des Finanzkapitals wird diese Parlaments-Mehrheit nicht stören. Und dass die Damen und Herren von CDU-SPD-GRÜNE-FDP demnächst mit Verstand geschlagen sein sollten, ist auch nicht zu erwarten.