Wer in diesen Tagen deutsche Medien konsumiert, der kann den Beschwörungen nicht entgehen, er solle doch den Russen verteufeln, die westlichen Reihen fester schliessen und einem deutschen Sonderweg, einer relativen Selbstständigkeit aber sofort entsagen. Hatte man bis jüngst noch gedacht, eine brave NATO-Mitgliedschaft der Bundesrepublik und ein andauerndes EU-Mantra würde der deutschen Formierung genügen, erlebt man jetzt den dritten Grad der Gehirnwäsche. Was mag los sein? Will sich Bayern abspalten? Will die dänische Minderheit heim in dänische Reich? Liebäugeln die Sorben mit dem Anschluss der Oberlausitz an die Slowakei? Wie auch immer, in dieser schweren Lage gibt die RATIONALGALERIE mit ihrem "Obama-Putin-Fakten-Check" außenpolitische Entscheidungshilfe.

Wer die vielen Bilder von Putins nacktem Oberkörper kennt, dem kann eine gewisse sexuelle Färbung im Putin-Marketing nicht entgangen sein. Diese zur Schau gestellte Männlichkeit - auch in den Klischees vom Reiter-, Fechter-, Judoka- und Jäger-Putin erkennbar - zielt auf den Mann im Mann, auf das archaische Überleben des Stärkeren. In einer abgesofteten Gesellschaft wie der deutschen, in der die blutigsten Kämpfe auf dem Sektor des Gender-Mainstreamings ausgetragen werden, kann dieser Pin Up-Boy kaum Punkte sammeln. Zudem muss man vermuten, dass sich hinter der plakativen Männlichkeit ein kleiner, verängstigter Junge verbirgt, der die Muskeln nur zum Selbstschutz und zur Selbsttäuschung aufpumpt.

Wer nach Obamas sexuellen Reizen fragt, landet automatisch bei seiner Frau. Genauer: Wenn in den USA nur Männer wählen dürften, wäre Michelle längst Präsidentin. Obamas Marketing-Trick besteht darin, in der Reiz-Frage ein wenig hinter seiner Frau zurückzutreten und sich zugleich mit dieser Trophäe zu schmücken. Vor ein paar Tagen, zur besten Sendezeit und mitten in der Ukraine-Krise, zeigt eine der öffentlichen TV-Anstalten den US-Präsidenten beim Einkaufen für seine Familie in einem Laden der Textilkette GAP, und was erklärt er den beglückten Verkäuferinnen? "Es schadet nie, etwas mitzubringen, wenn man unterwegs war", sagte er zu den Mitarbeiterinnen und schaulustigen Kunden wie auch den Journalisten. "Damit punktest du, wenn du nach Hause kommst." Tja Putin, so geht das. Nicht mit dem Säbel rasseln, sondern der Rasselbande was mitbringen.

Dabei wäre es so einfach: In der Moskauer Altstadt, im Arbat, gibt es am "Ploshchad Kiyevskogo Vokzala", also ausgerechnet am Kiewer (!) Bahnhof, auch einen GAP-Store. Da hätte doch, ganz zufällig - wie Obama von Kameras begleitet - Wladimir Putin mal einkaufen können und anschließend, im Burger King am selben Platz, mit einem "Big King" in der Hand eine nette Bemerkung über die amerikanische Kultur machen können. Aber wem sollte er schon aus dem GAP-Store etwas mitbringen? Seit seiner Scheidung, weiß die FAZ, "ist er nur noch mit Russland verheiratet." Wer mag schon solche Streber: Tag und Nacht den russischen Laden in Ordnung halten, das ist doch unmenschlich. So macht man keine Punkte. So weit zur Software. Aber wie sieht es mit der Hardware aus?

Die USA verfügen über rund 1.000 Militärstützpunkte in der ganzen Welt: Von Deutschland über Albanien bis ins ferne Neuseeland, allein zehn Stützpunkte finden sich in Lateinamerika, in jener Gegend, die von den USA als ihr Hinterhof begriffen wird. Ob die amerikanische Militärpräsenz in postsowjetischen Ländern wie Georgien, Usbekistan oder Kirgisien vom Pentagon als das Besetzen von Vorgärten angesehen wird, ist unbekannt. Bekannt ist, dass die Welt vom "Unified Combatant Command", dem Vereinigtem Kampfkommando der USA in "Areas of Responsibilities", in US-Verantwortlichkeitsgebiete eingeteilt wurde. Wie "die Welt" das findet, wurde bisher nicht erfragt.

Russland ist Herr über kümmerliche 24 russische Militärstützpunkte in neun ehemaligen Sowjetrepubliken und einem weiteren in Syrien. Angesichts der vielen dämonischen Putin-Fotos in den deutschen Medien stellt sich die Frage, was die Russen denn mit ihrem Militär überhaupt anstellen. In der postsowjetischen Area, also in den letzten 22 Jahren, ist die russische Armee nicht über vier Kampfeinsätze hinaus gekommen. Der im Westen populärste war jener im Oktober 1993 als der Säufer Jelzin das russische Parlament beschießen ließ, weil das nicht so wollte wie er. Rund 200 Tote waren eine der Folgen. Dann gab es noch zwei blutige Kriege in Tschetschenien, die von den Russen als "Kampf gegen den Terror" ausgegeben wurden, das konnte aber schon deshalb nicht stimmen, weil dieser Begriff den USA gehört. Und der Kampf um Süd-Ossetien lief unter dem geklauten Etikett von "Freiheit und Selbstbestimmung". Auch diese Stereotypen sind Eigentum der USA.

In den letzten 22 Jahren waren die Streitkräfte der USA zehn mal unterwegs: Auf sogenannten Missionen, mit selbsterteilten Mandaten oder im Einsatz. Nur der Irak-Krieg erhielt das wahre Kriegs-Prädikat. Mal war es ein sehr dringend notwendiger Kampf gegen den Terror, dann wieder eine humanitäre Mission oder ein Einsatz für die Freiheit, wie zuletzt in Libyen. Die vom Westen hochgelobten libyschen "Rebellen" müssen da was missverstanden haben, jüngst nahmen sie sich die Freiheit, einen schönen großen Öltanker zu entführen. Da haben die Marines vom Lenkwaffen-Zerstörer "USS Roosevelt" den Idioten mal schnell das Ende der Freiheitsfahnenstange gezeigt. Überhaupt scheinen die Freiheiten in Ländern wie dem Irak, Afghanistan oder Libyen eher zur Zerstörung staatlicher Strukturen zu führen, als zu jener Demokratie, die vor und während der US-Kriege so oft besungen wird.

Gegen Putin spricht auch eindeutig seine Herkunft aus dem düsteren KGB, dem sowjetischen Geheimdienst, einem Lieblings-Sujet der deutschen Medien. Anders als dem farbigen, lockeren Obama ist dem käseweißen Putin alles eklig Geheimdienstliche zuzutrauen. Und ist da nicht der ganz geheime "Sluschba wneschnei raswedki" (SWR, Dienst der Außenaufklärung), der mit seinen 13.000 Mitarbeitern solche Sachen macht wie "Elite-Agenten mit falschen Namen und konstruierten Biografien zu koordinieren, die in verschiedenen wichtigen Ländern platziert werden." So was Altmodisches würde den 40.000 Kollegen von der NSA nie einfallen: Die machen ihren Job vom Rechner aus. Das ist modern und schick: Mit dem US-i-Phone in das Merkel-Phone, das ist der Trend. So wird der SWR abgehängt.

Vergleicht man das jeweilige Bedrohungs-Potential der beiden Mächte, vergleicht man ihre Kriegs-Fähigkeit und -Bereitschaft, könnte man auf die Idee kommen, eine Politik der Äquidistanz, des gleichem Abstands zu den beiden Mächten würde den Deutschen jenen Spielraum verschaffen, wie er zuletzt im NEIN Gerhard Schröders zum Irak-Krieg kurz aufblitzte. Eine solche Überlegung ist der deutschen Außenpolitik und den angeschlossenen Medien fremd. Man geht lieber mit Obama shoppen als mit Putin zu reden. Als 1887 Otto von Bismarck einen "Rückversicherungsvertrag" zwischen dem Deutschen Reich und dem Russischen Reich abschloss, war das kein Akt der Liebe. Es war der temporär gelungene diplomatische Versuch, einen Krieg in Europa zu verhindern. Erst der sturzdumme Kaiser Wilhelm II. verweigerte der Vertragsverlängerung seine Unterschrift. - Im Auswärtigen Amt kennt man vielleicht noch den Namen Bismarck. Eine eigenständige Aussenpolitik ist eher unbekannt.

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Podiumsdiskussion zum Aufruf des Europäischen Frühlings:
"GraPo statt GroKo"
U.a. mit Michael Vilsmeier, Initiator des Aufrufs und Martina Michels (MdEP), Angelo Mastrandrea (Journalist der italienischen Zeitschrift »il manifesto«), Moderation: Uli Gellermann, Herausgeber der RATIONALGALERIE 

Am 22. 03. 2014, 11.00 Uhr
Im Hauptgebäude der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) auf dem Campus Treskowallee 8 in 10318 Berlin.

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Im Anzug des Marketing-Experten steckt der unerbittliche Rechner: Gellermanns Bilanz ist eindeutig und nachvollziehbar:
"Äquidistanz".

Gerd Fahrenhorst
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"Äquidistanz" zur russischen Homophonie, zur russischen Presse-"Freiheit", und zum russischen Personenkult? Nein danke.

Grit Kemper
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Endlich weiß ich was der Gauck meint, wenn er von mehr deutscher Verantwortung schwafelt. Es wird sich um die von Ihnen erwähnten Verantwortungsgebiete, die "Areas of Responsibilities" des US-Militärs handeln.

Günther Groth
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Diese Obama-Shopping-Sequenz habe in im TV gesehen und war entsetzt: Klassisches Human-Touch-Marketing, von unsern Gebühren bezahlt, um den Normalbürger auf die Site der USA zu ziehen. Das ist schon widerlich.

Carin Hölter
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Huihuhui,
war das ein Köstlicher Artikel. Berauscht & Betört lehne ich mich nach hinten, möchte diesen Geschmack halten und nicht mehr vergessen, nie mehr

Georg Dieling
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Mir gefällt an diesem Artikel besonders diese Feinheit: Ja, man kann mitten in Moskau zum Burger King gehen oder bei GAP einkaufen. Die Zeit der feindlichen Ideologien sind vorbei, Russland ist ein kapitalistisches Land geworden, schreibt...

Mir gefällt an diesem Artikel besonders diese Feinheit: Ja, man kann mitten in Moskau zum Burger King gehen oder bei GAP einkaufen. Die Zeit der feindlichen Ideologien sind vorbei, Russland ist ein kapitalistisches Land geworden, schreibt Gellermann wie nebenbei, aber es wird trotzdem von der NATO eingekreist. Die GAP-Burger-King-Stelle zeigt unverhüllt imperialistische Interessen.

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Bert Johanssen
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Sehr empfehlenswert sind auch die ausgewählten Bilder Amerikanischer Fototshootings zu politischen Meinungsbildern.



"Alle schauen jetzt mal schockiert & human"
BinLadens Todestagsfoto im Kasten


"Morgen bitte in Jeans & etwas lockerer",
Weißes...

Sehr empfehlenswert sind auch die ausgewählten Bilder Amerikanischer Fototshootings zu politischen Meinungsbildern.



"Alle schauen jetzt mal schockiert & human"
BinLadens Todestagsfoto im Kasten


"Morgen bitte in Jeans & etwas lockerer",
Weißes Haus-Kreml Telefonat Bild im Kasten


"Jetzt mal etwas besonnen, nein, nehmen sie mal die Hand ans Kinn"

Rückzug-Verschleierungs Bild im Kasten


"..und jetzt mal leicht heroisch" 
kein militärischer Konflikt-Weltretter Foto im Kasten
,
so das wars, wird etwas Zeit bringen, wer´s glaubt ist doof
-Lachen im Oval Office.

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Georg Dieling
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Ein sehr schöner Artikel!


Ich halte Putin für hochintelligent und für einen hervorragenden Staatsmann - besser als alles, was der Westen zu bieten hat. Die Art, wie er Russland regiert ist derzeit wahrscheinlich auch die einzige Art und Weise,...

Ein sehr schöner Artikel!


Ich halte Putin für hochintelligent und für einen hervorragenden Staatsmann - besser als alles, was der Westen zu bieten hat. Die Art, wie er Russland regiert ist derzeit wahrscheinlich auch die einzige Art und Weise, wie man dieses Land überhaupt sinnvoll regieren kann.

Russlands Interessen auf der Krim sind legitim.


Die Krim war historisch immer russisch und wird überwiegend von ethnischen Russen bewohnt.
Im Rahmen eines "Raumordnungsverfahrens" wurde sie nach dem zweiten Weltkrieg auf Betreiben von Chruschtschow verwaltungstechnisch der damaligen Sowjetrepublik Ukraine zugeordnet.

Durch die (vom Westen unterstützte !) Maidan-Revolution wechselt die Ukraine den Machtblock - und wollte die für Russland auch strategisch sehr wichtige die Krim mitnehmen.
(Wenn Sie Vermieter einer Wohnung wären, würden Sie es dann zulassen, daß der Mieter bei Auszug auch alle Ihnen gehörenden Fenster, Türen und Sanitäreinrichtungen ausbaut und mitnimmt?)



Seit dem zweiten Weltkrieg ist kein einziger Tag vergangen, an dem die USA (in jüngster Zeit unterstützt durch die NATO und die "westliche Wertegemeinschaft") nicht irgendwo auf der Welt - meist unter dem Vorwand "für Freiheit und Demokratie" - militärisch aktiv waren.

25 000 Tote in Afghanistan und am Ende ein instabiles Land und eine international agierende radikal-islamische Taliban.

Der Krieg gegen den Irak mit über einer Million Toten. Dass der offizielle Kriegsgrund ("schreckliche Massenvernichtungswaffen") erlogen war, darüber redet heute keiner mehr.

Zehntausende von Toten und die Zerstörung der Infrastruktur und staatlicher Ordnung in Libyen.

Bis dato mehr als 140 000 Tote in Syrien und eine der größten Flüchtlingskatastrophen der letzten Jahre.



Der letzte "große" Krieg (Irak) ist schon einige Jahre her und die Waffen- und Munitionsdepots der westlichen Armeen sind wieder prall gefüllt.
Der Auftragseingang bei der Rüstungsindustrie gerät ins Stocken und eng mit der Wirtschaft verbundene Politiker, Lobbyisten und die Systempresse machen Stimmung gegen Russland.

Wollen wir uns wirklich noch länger von solchen Leuten regieren lassen?

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Franz Gruber
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Ein großartiger Kommentar! Seit Wochen nervt mich der Dummsülz und die stupide Propaganda, die die hiesige Konzernpresse, der öffentlich-rechtliche Rundfunk, private Medien und aus den USA ferngelenkte Politiker betreiben. Wie dekadent jene Leute...

Ein großartiger Kommentar! Seit Wochen nervt mich der Dummsülz und die stupide Propaganda, die die hiesige Konzernpresse, der öffentlich-rechtliche Rundfunk, private Medien und aus den USA ferngelenkte Politiker betreiben. Wie dekadent jene Leute und Interessengruppen geworden sind, merkt man daran, dass sie so dermaßen an der Zielgruppe, auch Volk genannt, vorbeireden und auch nicht im Geringsten begriffen haben, wie tief verwurzelt die Angst im Deutschen Volk vor einer erneuten kriegerischen Auseinandersetzung mit den Russen ist. Im Zweifel werden ja auh nicht sie plattgemacht, sondern wir. Außer den us-amerikanischen Eliten, ihren Vasallen und eventuell noch der hiesigen Rüstungsindustrie, hat wohl niemand in Europa ernsthaft ein Interesse an kriegerischen Auseinandersetzungen mit Russland. Man bedenke nur, wieviele Atomkraftwerke wir in Europa stehenhaben. Wieviele Fukushimas können wir hier verkraften? 2-3?
Jenen Hetzern wilhelminischen Größenwahn und Verblödung zu attestieren, ist gerechtfertigt.

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Ladida Vibrationmountains
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Großer Meister-Rechercheur, allmählich habe ich den Verdacht, daß hinter der westlichen Säbelrasselei in Sachen Krim die internationale Rüstungsindustrie steckt... Haben Sie Hinweise?
Wie kommen bisher anscheinend friedfertige Politiker...

Großer Meister-Rechercheur, allmählich habe ich den Verdacht, daß hinter der westlichen Säbelrasselei in Sachen Krim die internationale Rüstungsindustrie steckt... Haben Sie Hinweise?
Wie kommen bisher anscheinend friedfertige Politiker (Steinmeier, einige Grüne etc.) dazu, sich plötzlich als Radikalinskis zu gebärden?

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Jürrgen Brauerhoch
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Seit dem Jugoslawienkrieg ist dieses Land nicht mehr friedlich.

Uli Gellermann
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