Es gibt Kriege, die fangen damit an, dass angeblich nur zurück geschossen wird. Eine jüngere Kriegs-Eröffnungs-Variante ist der Mal-eben-Krieg, der in Libyen. Da sollte ursprünglich nichts anderes als eine Flugverbotszone eingerichtet werden, danach werde dann der Psychopath Gaddafi in Tripolis vom libyschen Volk hinweggefegt. Mal eben. Aber der Krieg geht in die vierte Woche. Der Psychopath ist immer noch im Amt. Der Mann hat Anhänger. Im so oft beschworenen libyschen Volk, sonst wäre er längst weg. Das kann man natürlich nicht hinnehmen. Deshalb wird die nächste Stufe der Kriegsrhetorik gezündet: Der humanitäre Einsatz. Bestens bekannt aus den diversen Jugoslawien-Kriegen. Und dieser Einsatz hatte im Kosovo immerhin den weltweit größten US-Militärstützpunkt außerhalb der USA zum Ergebnis.

"Für diesen Konflikt", sagt der NATO-Genralsekretär zum Libyen-Krieg, "gibt es keine militärische Lösung". Warum mag die NATO dann das Land mit Bomben und Raketen überziehen? Wahrscheinlich, um humanitäre Hilfe zu leisten. Auch die modernen Katjuscha Raketen, die von der ägyptischen Armee an die libyschen Rebellen geliefert wurden, sollen sicher auch rein humanitären Lösungen dienen. Die ägyptische Armee, in den Tagen der Erhebung der Ägypter hoch gelobt, macht inzwischen das, was sie immer gemacht hat: Auf Geheiß der USA die Demonstranten vom Tahir-Platz wegschießen und ein despotisches System absichern. Zur Nicht-Militärischen-Lösung der NATO gehören natürlich auch Kollateral-Schäden. Die Toten durch "freundliches Feuer" bei den Aufständischen füllen die Meldungen, denn deren Nachrichten dringen in den westlichen  Medien durch. Über die bombardierten Viertel in Tripolis, über die zivilen Toten in der Hauptstadt erfährt man weniger. Die tauchen nur unter dem Begriff "menschliche Schutzschilde" auf. Bestens bekannt aus dem Irak-Krieg: Was waren die Iraker auch so blöd ausgerechnet dort zu leben, wo die USA gerade einen Systemwechsel wünschte.

Über den Psychopathen weiß man ja genug. Aber über die Rebellen weiß man wenig. Immerhin kennt man den "Nationalen Übergangsrat". Ein Rat, der für das gesamte Libyen sprechen will, dessen Mitglieder aber ausschließlich aus Ost-Libyen stammen. Dort, wo der ehemalige libysche König Idris herkam, Chef des mystischen Senussi-Ordens, einer frühen islamistischen Bruderschaft. Zwei wichtige Führer des nationalen Rates waren bis vor kurzem noch alte Kumpels von Gaddafi. Der ehemalige Innenminister und der einstige Justizminister. Was werden sie in den vielen zurückliegenden Amtsjahren, als der Libyen-Chef "sein Volk" unterdrückte, wohl getan haben? Vielleicht waren sie in der inneren Emigration. Ganz sicher gehören sie jenen libyschen Stämmen an, die wesentlich die Erhebung gegen Gaddafi tragen. 

Keine Bodentruppen, hatte der UN-Sicherheitsrat versichert, alles sollte aus der Luft erledigt werden. Nun hat die EU aber für- und vorsorglich die "Eufor Libyen" gegründet, eine Truppe, an der auch das Sondereinsatzkommando der Bundeswehr teilnehmen soll. Zwar hat die UN eine solche Formation bisher nicht angefordert, aber die nahezu parteiübergreifende Mehrheit des Bundestags ist dafür. Denn: „Wir halten es für unabweisbar, dass den Menschen in Libyen geholfen wird“, so Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin, es gehe immerhin um einen humanitären Einsatz. Da ist es, der humanitäre Engagement! Und er wird am Boden stattfinden müssen, sonst wäre er ja nicht humanitär. Und eine humanitäre Invasion für ein paar Tage lohnt kaum. Wahrscheinlich wird sich der Einsatz auf die Gegend mit den meisten Öl-Quellen konzentrieren. Und dass danach die Teilung Libyens - aus humanitären Gründen versteht sich - notwendig sein könnte, das will niemand ausschließen.