Durchschnittlich fünftausend deutsche Tote im Jahr: Das sind auch fünftausend Einzeltäter, die das Leben der Bürger bedrohen, das ganze Land tief verunsichern und uns alle an einer friedlichen Zukunft zweifeln lassen. Überall und zu jeder Zeit kann der Tod zuschlagen, die Bundesrepublik Deutschland befindet sich in einer Gefahrenlage, die eine neue Qualität von Sicherheit und Strafverfolgung verlangt. Doktor Schäuble, der verdienstvolle Minister für innere Sicherheit, hat den Ernst der Stunde erkannt und bindet deshalb einen Gesetzeskatalog, der dem Kampf gegen das mörderische Verbrechen angemessen ist. Da mögen Rechtsstaat-Fetischisten einwenden was sie wollen: Die Autofahrer, die jene hohe Zahl von Verkehrstoten wesentlich verursachen, müssen unter Kontrolle gebracht, Kraftfahrzeug-Terrorismus muss von deutschen Strassen abgewendet werden.

Der erste, wesentliche Schritt ist die Erfassung der Fingerabdrücke aller Deutschen im passfähigen Alter. Man kennt das ja: Nach dem Anschlag auf das Leben eines unschuldigen Fußgängers zum Beispiel, flieht der Täter mit dem Tatfahrzeug und versucht unterzutauchen. Immer wieder werden dann die Autos leer aufgefunden. Heute kann keiner sagen, wer denn die Tatwaffe gefahren hat. Bald soll das anders werden: Die Behörden nehmen die Fingerabdrücke vom Armaturenbrett, vergleichen sie mit der biometrischen Zentraldatei und können so, binnen Minuten, den, oder wenn mehr als eine Person gefahren ist, die Täter ermitteln!

Doch vor die Fahndung hat Doktor Schäuble die Prävention gesetzt: An den Autobahn-Mautstellen werden Verkehrsteilnehmer registriert und fotografiert. Verhaltensauffällige Fahrer, aggressive Fahrzeuglenker, Fahrer mit dunklen Schnauzbärten, mit Gebetsketten an den Rückspiegeln und alle, die sich dem ordentlichen Verkehrsfluss entziehen, können so erfasst und herausgefiltert werden. Bewaffnete Kräfte des Bundesgrenzschutz werden diese potenziellen Täter zum Halten zwingen und im Zweifelsfall den finalen Rettungsschuss einsetzen, um Land und Leute zu schützen.

Die vom Sicherheitsministerium geplante Online-Überwachung ist eine Mischung aus Vorbeugung und Fahndung: Der Fahrer Ali X. zum Beispiel mailt seinem Freund Mustafa Y. (Namen sind von der Redaktion geändert) , dass er demnächst einen Mopedfahrer niederbrettern will. Da greift die Online-Überwachungsbehörde gnadenlos zu und besetzt alle Kreuzungen im Umkreis von zwei Kilometern der Wohnadresse von Ali X. Sollte der dann auf einen Mopedfahrer zusteuern, Bingo!, wird er aus dem Auto gezerrt und präventiv verhaftet. Selbst wenn er seine Botschaft verschlüsselt, etwa so: "Tod allen ungläubigen Mopedfahrern! Weg mit den knatternden Satansreitern!", ist zwar keine Prävention möglich (wie sollte man auch gläubige und ungläubige Mopedfahrer auseinander halten), aber nach diesem Mopedanschlag ist Ali X dran. Die Spur seiner Mail ist registriert und führt dazu, ihn dingfest zu machen.

Auch das von Schäuble gewünschte Mithören und Mitschneiden von Telefonaten aller Art dient der gesunden Volkssicherung. Eine Bemerkung wie "Ich hasse Radfahrer!" kann sich zwar ebenso auf Teile der Ministerialbürokratie beziehen wie auf den konkreten, mit dem Rad fahrenden Bürger, aber beide Gruppen können sich letztlich im Visier der internationalen Raser befinden und sind gleichermaßen schützenswert. Dass selbst dann, wenn nach dieser eindeutigen Botschaft kein Anschlag auf diese oder jene Gruppe zu beobachten ist, wird der Hasstelefonist in die zentrale Anti-Auto-Terroristen-Datei aufgenommen und bei der nächsten Rasterfahndung berücksichtigt werden, versteht sich.

Doktor Schäuble ist nicht neugierig, er will nur alles wissen. Alle oben erwähnten Maßnahmen sind von Innenmister Schäuble im "Kampf gegen den internationalen Terror" geplant.

In Deutschland ist, seit dem Ende der RAF, nicht ein einziger Toter im Ergebnis eines Terroranschlages verzeichnet.