Es ist nicht mehr der schneidige, geölte Adlige, der mit den "Verteidigungspolitischen Richtlinien" die Kriegstrompete bläst. Es ist der ruhige ältere Herr aus gut hugenottischer Familie, der die Querflöte im Salon der nationalen Interessen bedient: Thomas de Maizière legt die neuen Richtlinien für die deutsche Armee vor und lässt erst mal blauen Dunst ab: Wir müssen uns auf viele denkbare Fälle vorbereiten, orakelt der oberste Bürokrat der Bundeswehr und dunstet fort: Wenn Wohlstand Verantwortung erfordert, dann gilt das auch für die deutsche Sicherheitspolitik. Hier wird die ganze de Maizièrsche Schleicherei deutlich: Wir Deutschen haben den Wohlstand und den wollen wir behalten, deshalb bauen wir die Bundeswehr zur internationalen Eingreiftruppe um, so lautet die deutsche Übersetzung der arabesken Formulierung.

Wer dann das originale Richtlinien-Dokument liest, dem wird der imperiale Marsch geblasen. Das Wort Landesverteidigung ist im Text schwer zu finden. Über das Wort "Rohstoffe" stolpert der Leser mehrfach: Risiken und Bedrohungen entstehen heute vor allem aus der Verknappung oder den Engpässen bei der Versorgung mit natürlichen Ressourcen und Rohstoffen, steht ganz vorne an im Dokument und zeigt den Rohstoffländern ziemlich unverhohlen den Stinkefinger: Wenn ihr Rohstoff-Kaffern uns die Versorgung verknappt, dann müssen wir leider bei Euch vorbeikommen und uns die die Dinge (Öl, seltene Erden und Metalle, usw.), die uns zustehen selbst aus dem Engpass holen. Und weil das ja fraglos verfassungswidrige Reisen der deutschen Armee in andere Länder erfordert, schreibt der Minister schon mal in die Richtlinien: Krisen und Konflikte können jederzeit kurzfristig und unvorhergesehen auftreten und ein schnelles Handeln auch über große Distanzen erforderlich machen. Tut mir leid liebes Grundgesetz, ob in Somalia, am Hindukusch oder in irgendeiner asiatischen Walachei, wir müssen da einfach hin, Dein Thomas.

Damit auch klar wird in welchen Fernen heutzutage verteidigt werden muss, schreibt uns der Verteidigungsminister gleich ins Stammbuch: Durch zerfallende und zerfallene Staaten entstehen Bedrohungen . . . wie Radikalisierung und Migrationsbewegungen. Die Schrittfolge ist klar: Erst lassen wir irgend so einen Randstaat durch völlig ungleiche Wirtschaftsbeziehungen zerfallen. Wenn dessen Bevölkerung uns dann wg. Hunger und Perspektivlosigkeit besuchen kommt, dann kann sie aber mal sehen wie die Bundeswehr schon an den Küsten solcher Staaten die Migration stoppen wird! Und nicht vergessen: Freie Handelswege und eine gesicherte Rohstoffversorgung sind für die Zukunft Deutschlands und Europas von vitaler Bedeutung, daran wird im Kapitel "Das strategische Sicherheitsumfeld" erinnert, um kurz danach den Sack zuzumachen: Verknappungen von Energieträgern und anderer für Hochtechnologie benötigter Rohstoffe bleiben nicht ohne Auswirkungen auf die Staatenwelt. Zugangsbeschränkungen können konfliktauslösend wirken. So isses: Wer uns den Zugang beschränkt, der löst den Konflikt mit uns aus!

Mit dem schönen Wort "Heimatschutz" lässt der Minister eine weitere Verfassungswidrigkeit bemänteln. Denn: Die traditionelle Unterscheidung von äußerer Sicherheit und öffentlicher Sicherheit im Inneren verliert angesichts der aktuellen Risiken und Bedrohungen mehr und mehr ihre Bedeutung. Was soll die blöde Unterscheiderei und das Verbot die Bundeswehr im Inneren einzusetzen? Bei den vielen terroristischen Bedrohungen - manche haben wir nur erfunden, andere habe wir mitverursacht - werden doch wohl ein Tiefflug der Luftwaffe über Demonstranten oder ein paar Panzer zur Sicherung von Atomtransporten möglich sein. Denn das de Maizière-Papier sieht . . . die subsidiären Aufgaben der Bundeswehr im Inland selbstverständlich auch bei innerem Notstand. Und den wird die Regierung schon ausrufen wenn es ihr Not tut.

Während der unselige Außenminister W. noch über atomare Abrüstung säuselt, redet der Kriegsminister Klartext: Die Notwendigkeit zu nuklearer Abschreckung besteht fort, solange nukleare Waffen ein Mittel militärischer Auseinandersetzungen sein können. Das ist semantisch nicht zu überbieten: Die Abschreckung besteht weil sie besteht! Hier wird nicht abgerüstet meine Herren, hier wird weiter nuklear gedroht, pardon, erschreckt, oder so. Und deshalb . . . wird die deutsche wehrtechnische Industrie einen wesentlichen Beitrag zur Bereitstellung moderner und leistungsfähiger Ausrüstung und zu technisch-logistischer Betreuung in der Nutzung leisten. Rüstungsindustrie: Stillgestanden! Euer Profit bleibt mein Nutzen, Thomas de Maizière, Minister.

Bei Wikipedia findet man eine ebenso trockene wie sachliche Definition des Begriffs Imperialismus: Als Imperialismus bezeichnet man das Bestreben eines Staatswesens oder dessen Anführer, seinen Einfluss auf andere Länder oder Völker auszudehnen, bis hin zu deren Unterwerfung und Eingliederung in das eigene Umfeld. Dazu gehört eine ungleiche wirtschaftliche, kulturelle oder territoriale Beziehung aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Natürlich wird die Bundeswehr nicht irgendein Land dauerhaft besetzen, wie es dem alten Imperialismus liebe Gewohnheit war. Der neue schleicht sich ein: Hier ein wenig humanitäre Hilfe, dort die militärische Durchsetzung der Menschenrechte, und ansonsten nutzen wir die Armee wirklich nur ein kleines bisschen imperialistisch: Wie sollten sonst die ungleichen wirtschaftlichen Beziehungen aufrecht zu erhalten sein? Oder, um erneut die "Verteidigungspolitischen Richtlinien" zu zitieren: Der Zugang zu Bodenschätzen, Vertriebswegen und Märkten werden weltweit neu geordnet. Da kann der deutsche Imperialismus einfach nicht zurückstehen.