Da haben sie am Donnerstag in Brüssel gesessen, die europäischen Verteidigungsminister, und als die Tagung zu Ende war, da war Schweigen. Begonnen hatte es mit kräftigem Mediengetöse. Der fesche Freiherr hatte zuvor in der "Frankfurter Allgemeinen" eine dicke Lippe riskiert: “Es ist die Stunde Europas, das Bekenntnis für europäische Verteidigung muss mehr sein als ein Lippenbekenntnis”. Und Alain Juppé, der französische Verteidigungsminister durfte in der "Süddeutschen Zeitung" pünktlich vor der Tagung drohen: "Diese Welt ist gefährlich und unsicher. Die Bedrohungen sind allgegenwärtig". Offiziell sollte es in Brüssel um Einsparungen gehen. Davon keine Spur. Inoffiziell ging und geht es um Geld, das an der Kontrolle der nationalen Parlamente vorbei für obskure Ziele ausgegeben wird.
Seit 2004 gibt es die "Europäische Verteidigungs-Agentur (EVA)". Was mit einem Jahresetat von 1,9 Millionen Euro harmlos begann, entpuppte sich zwischenzeitlich als ein 30-Millionen-Ding. Das ist im Rüstungsbereich keine übermäßig hohe Summe. Aber das Budget gilt ja auch nur für die Verwaltungskosten der rund hundert Bürokraten, die für die Agentur arbeiten. Mehr als 20 Milliarden gingen in die 534 Aufträge an die unterschiedlichen Rüstungsunternehmen. Die werden auch von den 55 Millionen des Forschungsprogramms der EVA profitieren. Was die europäische "Battle Group" kostet, jene "Krisen-Interventions-Kräfte", die aus den jeweiligen nationalen Armeen gebildet werden, ist nicht bekannt. Bekannt ist, dass mit der irregulären Truppe ein 6.000-Kilometer-Radius um Brüssel bedient werden soll: Naher Osten und Afrika sind in diesem Radius fraglos enthalten. Was die Bundeswehr - die laut Verfassung nichts anderes darf, als deutsches Territorium verteidigen - ein paar tausend Kilometer außerhalb der Bundesrepublik treiben soll, ist von Guttenberg nicht zu erfahren.
Was der europäischen Öffentlichkeit als Sparkurs verkauft wird, hat in Wahrheit bisher keinen Cent eingespart. Was man sich spart, ist der Verteidigungsgedanke. Selbst die letzten kalten Krieger in den Stäben der Armeen wissen inzwischen, dass "der Russe" keinen Überfall plant. Im Gegenteil, versucht Russland doch Mitglied der NATO zu werden. Aber zum einen will sich keiner der Minister überflüssig machen, zum anderen geht es natürlich um die Sicherung der Rohstofflieferungen aus Ländern, die zwar nicht zur EU gehören, die aber in den letzten Jahren zu deren Hinterhof erklärt wurden. Wie zum Beispiel der Kongo, dessen undemokratische Wahlen durch europäische Truppen abgesichert wurden, um sich mit dem jetzigen Präsidenten einen Verhandlungspartner zu sichern, der dem Ressourcen-Handel zu Bedingungen der europäischen Konzerne geneigt ist.
Gegen wen und wo Europa verteidigt werden muss, ist vom deutschen Verteidigungsminister nicht zu erfahren. Aber der Umbau der Bundeswehr, weg von der großen Wehrpflichtarmee zu einer aggressiven, mobilen Truppe, die man heute hier und morgen dort einsetzen kann, weist den Weg zu einer Interventionsarmee außerhalb der Landesgrenzen und damit außerhalb der Verfassung. Nicht zu unterschätzen ist auch der Effekt der inneren Formierung. Denn wenn "die Bedrohungen allgegenwärtig" sind, wenn der "Feind" immer und überall lauert, dann nimmt der Bürger eher Einschränkungen der Demokratie und unsinnige Rüstungshaushalte in Kauf. Das Schweigen der europäischen Kriegsminister ist beredt. Noch ist die Vergeblichkeit des Krieges in Afghanistan nicht eingestanden, noch hat der blutige Rückzug nicht begonnen, da planen sie bereits die engere Zusammenarbeit, damit der nächste Krieg preiswerter zu haben ist. Das wird sich als tödlicher Irrtum herausstellen.