Sie versuchen es: Von der AfD bis zu mehr oder minder ganz offenen Nazis wollen Rechte gern Anschluss an die neue Bewegung gegen das Corona-Regime und für das Grundgesetz bekommen. Das, was sich heute in Deutschland noch links nennt oder nennen lässt, verbreitet dieser Versuche wegen, die Grundrechte-Bewegung sei „rechtsoffen“. Auch deshalb macht es Sinn, den Begriff „rechts“ neu zu untersuchen. Am besten auf der Basis des Grundgesetzes, denn das war in Wortlaut und Absicht seiner bundesrepublikanischen Mütter und Väter eine Absage an das Nazi-Regime, von dem die Deutschen kurz vor der Formulierung des Gesetzes durch die vier Alliierten befreit worden waren.
Grundgesetz als Allerweltsartikel
Zwischenzeitlich ist das Grundgesetz ein Allerweltsartikel, auf das sich auch Parteien berufen, die sich gegen das Grundgesetz verhalten. „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“, wünscht die gültige Verfassung. Doch längst ist die „Staatsgewalt“ eine Sache der diversen Koalitionen in den parlamentarischen Hinterzimmern. Das „Volk“ ist in diesen Zimmern nicht erwünscht. Auch der fromme Wunsch des Gesetzes in seiner Präambel, das deutsche Volk solle dem Frieden dienen, ist im NATO-Bombenhagel, ob in Jugoslawien oder Afghanistan, mithilfe deutscher Truppen und Parlamentarier zertrümmert worden. Die Absage an die Nazis und ihren Krieg findet sich auch in einer zaghaft antikapitalistischen Haltung. Zur Zeit der Gründungs-Eltern wusste man noch, dass die Nazis mit dem Geld und der Zuneigung des Kapitals an die Macht gekommen waren. So erklärt sich der Artikel 15, der eine „Vergesellschaftung“ von Produktionsmitteln und Grund und Boden, sprich Enteignung, „Überführung in Gemeineigentum“ möglich macht. Das alles ist links.
Unter der Flagge der Volksgesundheit
Die Militarisierung Deutschlands, seine Auslandseinsätze, seine asozialen, pro-kapitalistischen HARTZ-IV-Regeln und seine übergroßen Dauerkoalitionen sind also, gemessen am Grundgesetz, eindeutig rechts. Dass in diese grundgesetzwidrigen Geschäfte auch Parteien, die als links gelten, wie die SPD und die GRÜNEN verwickelt waren, macht den Durchblick nicht einfacher. Wenn in diesen Tagen die Linkspartei mit ihrer Verweigerung, die Grundrechte zu verteidigen, faktisch zu dieser rechten Front stößt, wird das alte Rechts-Links-Schema immer untauglicher in der politischen Praxis. Auch wenn die LINKE diesen Schwenk von LINKS nach Rechts unter der Flagge der Volksgesundheit vollzieht: Es ändert nichts an der verheerenden Verwirrung infolge einer Täuschung, an der die LINKE selbst beteiligt ist. Sie ist auf dem Weg zu einer Koaltion mit SPD und GRÜNEN, Parteien die, gemessen am Grundgesetz, eher rechs sind.
AfD: legitimes Kind der CDU und der FDP
Geradezu elegant mutet demgegenüber die konventionelle parlamentarische Rechte (CDU-CSU-SPD-FDP) an, die lauthals die Grundrechte-Bewegung als „rechts“ denunziert oder über ihre Medien denunzieren lässt. Das lenkt zum einen hauptsächlich von den Inhalten der neuen Bewegung ab, aber auch davon, dass sich diese Parteien nur in der Flüchtlingsfrage von der AfD, dem legitimen Kind der CDU und der FDP, wesentlich unterscheiden. Eine Koalition von CDU und AfD ist spätestens dann zu erwarten, wenn sich irgendeine „politische Verantwortung“ an den Haaren herbeiziehen lässt, zum Beispiel wenn der Wahlausgang so knapp ist wie jüngst in Thüringen: Dort hat sich schon mal ein FDP-Funktionär von der AfD zum Ministerpräsidenten wählen lassen.
Anselm Lenz mit Nerling vor der Kamera
Die von ihren Inhalten her eindeutig linke Grundrechte-Bewegung tut in Zeiten allgemeiner Rechts-Formierung gut daran, dem Vorwurf, sie sei eigentlich „rechts“ keine Nahrung zu liefern. Erst jüngst hat sich deshalb Michael Ballweg, ein Sprecher der Bewegung, von Nikolai Nerling, der sich Volkslehrer nennt, deutlich abgegrenzt. Doch nur wenig später setzen sich Ralf Ludwig (Klagepaten, Widerstand 2020) und Anselm Lenz (Demokratischer Widerstand) mit eben diesem Nerling vor die Kamera eines No-Name-Video-Kanals. Der Moderator gab dem Rechts-Extremen brav Stichwort um Stichwort, und der nutzte ihn als eine Art Souffleur. Der schlaue Nerling konnte unwidersprochen so tun, als sei er ein Mitglied der Demokratiebewegung. Obwohl er sich selbst als „rechtsradikal“ bezeichnet. Obwohl er den Rechtsterroristen Karl-Heinz Hofmann von der gleichnamigen „Wehrsportgruppe“ in einem seiner Videos die Möglichkeit zur Selbstdarstellung gegeben hat, obwohl er auf seiner Facebook-Seite das nur leicht veränderte Symbol der NAZI-Gewerkschaft „Deutsche Arbeitsfront“ verwendet, obwohl er sich als Volkstanzlehrer gegen „unzüchtige Filme und Selbstbefriedigung“ wendet. Dieser völkische Tanzlehrer hat Uli Gellermann bei der Polizei wegen Beleidigung angezeigt: Der habe ihn doch tatsächlich ein Nazi-Arschloch genannt. Gellermann: „Alle Nazis sind für mich gefährliche Arschlöcher und Nerling ist ein Nazi“.
Sturm auf den Reichstag
Es ist ausgerechnet der Verfassungsschutzpräsident Haldenwang, der die Grundgesetzbewegten vom rechten Verdacht freispricht. Zwar hätten Rechtsextreme immer wieder versucht, die Führung der Corona-Demos an sich zu reißen, doch sei es den Rechtsextremisten nicht gelungen, die „Hoheit über das Demonstrationsgeschehen zu bekommen“, sagte Haldenwang. Nahezu zeitgleich gab es den Versuch, mit der Inszenierung des „Sturm auf den Reichstag“ der Demokratiebewegung ein rechtsextremes Etikett anzukleben. Wer die rechte Szene kennt, der weiß spätestens seit den Morden des NSU, dass sie von Verfassungsschutz-Spitzeln durchsetzt ist. Wenn kritische Polizisten von einer Orchestrierung des „Sturm“ durch die Behörden ausgehen, dann fußt diese Einschätzung auf Erfahrung. Sie erkennen die Doppelstrategie: Zum einen sollte der „Sturm“ den Rechtsradikalen den Anschein besonders konsequenter Kämpfer der Bewegung für das Grundgesetz verleihen. Denn sie waren manchen ein Kontrast zu den den betont friedlichen, scheinbar lahmen Aktionen der Mehrheit. Zum anderen ließ sich mit dem Theater-Coup die linke Bewegung als antidemokratisch und gewaltbereit behaupten.
Verwirrung ist das Stichwort der Stunde
Bisher ist es dank einer einheitlichen Medienmaschine gelungen, die Grundrechtebewegung als „rechts“ zu diffamieren. Selbst in den Reihen der Verteidiger des Grundgesetzes gibt es eine Gleichgültigkeit gegenüber der Rechts-Links-Einordnung. Verwirrung ist das Stichwort der Stunde: Links verlässt klassische linke Positionen und Rechts gebärdet sich Links. Aber das Grundgesetz ist von seinen Inhalten her klassisch links und gegen rechts. Auch deshalb wäre es für die Rechten nützlich, die Demokratiebewegung zu kapern. So wie es den rechten Parlamentsparteien gelungen ist, sich als Inhaber des Grundgesetzes aufzuspielen und es gleichzeitig zu demontieren, so würden die Ultrarechten sich gern einen demokratischen Tarnanzug überziehen. Deshalb gibt es massive Versuche, die Demokratiebewegung zu kapern. Diesen Versuchen öffentlich und den Rechten entlarvend entgegenzutreten, ist sowohl in der Abwehr der Diffamierungen nötig als auch im Kampf um die Meinungshoheit: Wer prägt den Auftritt der Demokratiebewegung? Die Demokraten, die Verteidiger der Grundrechte oder die Nazi-Trittbrett-Fahrer? Für das Grundgesetz kämpfen, heisst auch, gegen die RECHTE zu kämpfen: Von der Spahn-Merkel Gruppierung bis hin zu den Völkischen. In diesem Kampf ist ein friedlicher Dialog mit Nazis kontraproduktiv.