Endlich: Der Markt macht müde Bürgerdaten munter. Schliefen doch bisher die Daten der Einwohnermeldeämter den seligen Beamtenschnarch in den Computern trüber Amtsstuben, macht der Marktradikalismus sie jetzt flott: Nach dem Willen der Regierungskoalition können sie jetzt dem Adress-Handel feilgeboten werden. Zielgenau gehen demnächst die Werbeprospekte für Viagra in die Briefkästen der Männer über 60. Die zart flötenden Telefonmädchen, die bisher wegen der Abonnements bunter Blätter überall anriefen, erfassen ab bald nur noch Damen über 35, die Neugeborenen bekommen Probepäckchen von Milupa und die Leichenbestatter legen eine Hotline zu den Sterberegistern: "Guten Tag, mein Beileid, wir groß soll er denn sein, der Sarg?"

Die neue Adress-Freiheit wird endlich Geld in die Kassen der verarmten Städte und Gemeinden spülen: 81 Millionen deutscher Adressen! Wenn sie nur für einen Cent verkauft werden sollten, erhielten die Kommunen bereits 810.000 Euro, wenn die Adresse 10 Cent kosten würde, kämen glatt acht Millionen in die öffentlichen Haushalte, davon kann dann eine Stadt wie Nürnberg 5.000 Euro abgreifen und damit bestimmt zwei bis drei Schlaglöcher reparieren lassen. Das kann natürlich nur der Anfang sein: In den Finanzämtern liegen noch jede Menge ungenutzter Daten rum, wenn die erstmal auf dem Markt sind, dann geht der Rolex-Flyer unmittelbar an alle Zuhälter, die Steuern zahlen. Am besten in den Jahres-Steuerbescheid eingewickelt. Der Führungsetage der VW-AG wird der Bescheid persönlich von einem Yacht-Makler überbracht und Banken-Managern unterbreitet man die Steuerunterlagen auf Inseln, die zum Verkauf anstehen. Hedge-Fonds-Führer gehen leider leer aus: Die zahlen keine Steuern.

Auch die Daten der Flensburger Verkehrssünder-Datei werden sich auf dem Markt wohl fühlen: Alkohol-Sünder bekommen Probeflaschen Wodka ins Haus geschickt, Rot-Fahrer dürfen mit dem Besuch von Optikern rechnen und Beamten-Beleidigern ("Sie dämliche Radarfalle auf zwei Beinen, Sie!") werden Wörterbücher angedient. Wenn dann die Datenbremsklötze endlich aus all den bürokratischen Räderwerken entfernt sein werden, wenn Krankenkassen ihre Datensätze an die Pharmaindustrie verkaufen dürfen, die Lotto-Annahme-Stellen ihre Kunden an die Casinos weiterleiten und von den Sozialbehörden die Hartz-Vier-Adressen den Resterampen-Kettenläden übergeben worden sind, dann wird die katholische Kirche nicht länger mehr das Beichtgeheimnis hüten dürfen: Die Frage nach dem sechsten Gebot wird in den Beichtstühlen dann nicht nur mit dem üblichen "wie oft und mit wem?" gestellt sondern um Name und Adresse ergänzt werden: Die Scheidungsanwälte dürften für diese Art Prophylaxe gern ihr Scherflein für das neue Kirchendach beitragen.

Es wird ein Sturm von neuer Adress-Befreiung durch die Republik tosen, ein Ruck wird die verkrusteten Daten-Strukturen aufbrechen und vor allem: Eine völlig neue Einnahme-Quelle kann das so bitter notwendige Geld für die nächsten Banken-Sanierungen einbringen. Von dieser Daten-Revolution bleibt allerdings der Verfassungsschutz ausgenommen. Nicht weil er sich weigern würde, die Namen seiner Spitzel herauszugeben. Nein, sie werden nur leider bereits vernichtet sein.

Kommentare (5)

Einen Kommentar verfassen

0 Zeichen
Leserbriefe dürfen nicht länger sein als der Artikel
Anhänge (0 / 3)
Deinen Standort teilen
Gib den Text aus dem Bild ein. Nicht zu erkennen?
This comment was minimized by the moderator on the site

Mal wieder super!!!

Hans Günther Dicks
This comment was minimized by the moderator on the site

Um was wetten wir, dass diese Satire in ein paar Jahren Wirklichkeit sein wird?

Jenny Ophoven
This comment was minimized by the moderator on the site

Sie wollen wohl unbedingt gewinnen.

Uli Gellermann
This comment was minimized by the moderator on the site

Sie übertreffen heute meinen berüchtigten Sarkasmus um Längen.

Jetzt hatte ich doch mit einem Freund gewettet, daß während der Fußball EM unsere "Volksverräter" mindestens 2 bodenlose Sauereien aushecken. In diesem Falle muß ich sagen "leider"...

Sie übertreffen heute meinen berüchtigten Sarkasmus um Längen.

Jetzt hatte ich doch mit einem Freund gewettet, daß während der Fußball EM unsere "Volksverräter" mindestens 2 bodenlose Sauereien aushecken. In diesem Falle muß ich sagen "leider" ,habe ich die Wette gewonnen.

Dieses Deutsche Parlament gehört in der Gesamtheit in den Hintern getreten und aus dem Reichstag herausexpediert!!!!!!

Wo bleibt denn endlich der laute Aufschrei der Bürger in diesem Land? Hat man die durch Fußball , circum et pane, langsam gesamtverblödet oder war das Deutsche Volk schon immer so blöd?

Mein Großvater war immer der Meinung "mit Deutschen ließe sich nicht einmal ein Misthaufen stürmen".
Er hatte recht!!!!!

Die lassen sich, spätestens seit Schröder, den Güllegestank noch als Parfüm verkaufen.

Weiterlesen
Rita E. Groda
This comment was minimized by the moderator on the site

Der Handel mit unseren Daten ist bei den Gemeinden schon länger eine Einahmequelle. So werden z.B. in Düsseldorf (590.000 Einwohner) jährlich rund 250.000 Adressdaten vom Amt für Einwohnerwesen rausgegeben. Selbst wenn die Hälfte davon im Rahmen...

Der Handel mit unseren Daten ist bei den Gemeinden schon länger eine Einahmequelle. So werden z.B. in Düsseldorf (590.000 Einwohner) jährlich rund 250.000 Adressdaten vom Amt für Einwohnerwesen rausgegeben. Selbst wenn die Hälfte davon im Rahmen von Amtshilfe an andere Behörden nicht berechnet werden, nimmt die Stadt z.Zt. etwa 900.000 ? dafür im Jahr ein. Das lässt sich bestimmt weiter ausbauen, egal wie das neue Meldegesetz aussehen wird.

Weiterlesen
Friedhelm Bluhm
Bisher wurden hier noch keine Kommentare veröffentlicht