Ein israelischer Soldat wird von wenig zurechnungsfähigen Palästinensern entführt. In zivilisierten Gegenden und bei zivilisierten Politikern sind für solche Fälle Verhandlungen angesagt: Beruhigend auf die Schwachsinnigen einwirken, Zeit gewinnen, Geld ausgeben und versuchen, den Entführten zu retten. Die israelische Regierung aber lässt eine Panzerarmee auffahren, zerstört zwei Brücken und bombardiert ein Kraftwerk. Von Kollateralschäden werden wir aus unseren Medien erst deutlich später erfahren. Bei ARD und ZDF dominiert der Ton triumphierender Kriegsberichterstattung: Die Israelis haben zurückgeschlagen. "Mann", sagt der Biertischler in der geschlossenen Sendeanstalt, "jetzt zeigen wir es aber den Arabern!"
Es gibt Sechsjährige, die mit mehr Vernunft begabt sind, als israelische Politiker und deutsche Redakteure oder Kommentatoren. Der vernünftige Mensch weiß, dass man Entführte nicht mit Panzern befreit. Und der politisch Interessierte erinnert sich, dass Mahmud Abbas, der palästinensische Präsident, zum ersten Mal seit Jahren wieder Bewegung in eine völlig verkrustete Konfliktlage gebracht hatte, als er ein Referendum über eine Zweistaaten-Lösung vorschlug. Am 26. Juli sollten die Palästinenser darüber abstimmen, und mit dieser Abstimmung, von der man bis vor ein paar Tagen annehmen durfte, dass sie eine Mehrheit erreichen würde, endlich die Total-Blockade im Nahen Osten aufheben. Dass dieser politische Zug den unzurechnungsfähigen Kräften auf der Palästinenser-Seite missfiel, war bekannt. Aber dass die israelische Regierung in den selben galoppierenden Schwachsinn verfällt, erstaunt doch. Mit ihrer vorgeblichen Geiselbefreiungsaktion hat sie die Möglichkeit auf Frieden im Nahen Osten auf den Sankt-Nimmerleins-Tag gebombt.
Seit vier Jahren stehen deutsche Truppen, gemeinsam mit anderen, in Afghanistan. Erstmalig gibt es Anschläge auf Bundeswehrverbände. Ein deutscher Verteidigungsminister stammelt vor Kameras irgendetwas vom "Kampf gegen Terrorismus" und vom "Aufbau in Afghanistan". Der Mann wird von uns allen bezahlt. Hören wir ein Konzept zur Beendigung dessen, was der euphemistische Neusprech immer noch ein "Engagement" nennt? Gibt es irgendeinen, irgendwo gesichteten Beweis für den so genannten Aufbau? Ist die von den USA gesponserte Marionettenregierung in Kabul von irgendjemandem legitimiert? Wohl wissend, dass die diversen Warlords, die Reste der Taliban und die Vereinigung afghanischer Opiumanbauer auch keine rechte Legitimierung für ihre Projekte haben, dürfen sie aber für sich in Anspruch nehmen Afghanen zu sein. Das lässt sich von den Truppen der USA und den Deutschen kaum sagen.
Apropos Legitimierung: Natürlich verstößt der Einmarsch israelischer Panzer in palästinensisches Gebiet gegen das Völkerrecht. Was der Präsident der USA auf seinem Klo mit dem Papier, auf dem das Völkerrecht gedruckt ist, macht, wissen wir nicht. Aber in jenem Teil der Welt, der noch zwei und zwei zusammenzählen kann, ist bekannt, dass weder der Einmarsch in den Irak noch irgendeine andere militärische Massnahme im angeblichen "Kampf gegen den Terror" den Terror eingedämmt hat. Das Gegenteil ist eingetreten: Der weltweite Ausbruch des Bushismus, die Ersetzung der Politik durch Militär, hat nur mehr Terror gezeugt. Nicht einmal das Öl ist billiger geworden, was natürlich, trotz aller Beteuerungen der Amerikaner, immer Hauptziel der militärischen Anstrengungen der USA und ihrer mehr oder weniger willigen Verbündeten gewesen ist.
Was uns, landauf, landab, gedruckt und gesendet, als Rezept verkauft wird, macht krank. Macht eine gefährliche Welt nur gefährlicher. Der Ersatz von Politik durch Militär macht Regierende süchtig und ihre Kombattanten blöde. Die letzte Großaktion dieser Art war in Vietnam zu beobachten: Noch mehr Truppen, noch mehr Bomben und noch mehr Napalm konnten einfach die in Vietnam lebende Bevölkerung nicht austauschen. Das Ende ist bekannt. Wenig bekannt ist, dass der eigentlich kluge Willy Brandt temporär glaubte, dass "in Vietnam die Freiheit Berlins verteidigt wird". Warum nur muss das Rad jedes mal neu erfunden werden, warum darf der letzte SPD-Verteidigungsminister, Herr Struck, behaupten, dass unsere "Freiheit am Horn von Afrika verteidigt" wird? Weil der Bushismus ausgebrochen ist und ihn bisher noch keiner wieder eingefangen hat.