Es soll, sagen die Medien, in Deutschland Kinderarmut geben. Rund zwei Millionen arme Kinder solle es geben. Manche sprechen sogar von 2,5 Millionen. Seit der Einführung von Hartz IV habe sich die Zahl der Armuts-Kinder verdoppelt. Natürlich haben sich die Parteien der Grossen Koalition sofort gemeldet: Da müsste man mal was machen, war die allgemeine Meinung. Aber da die Kanzlerin gerade wieder in, ja wo war sie denn gerade, jedenfalls im Ausland, da kann man jetzt nichts übers Knie brechen. Ohnehin ist es mit den Unterschichtenkindern so, dass die eher übers Knie gelegt werden müssten. Meint jedenfalls sinngemäß der Ex-Grüne Oswald Metzger, der bewirbt sich jetzt bei FDP und CDU um eine Mitgliedschaft. Wahrscheinlich nehmen ihn beide. Aber in der Zwischenzeit, während Frau Merkel zur Truppeninspektion im Kosovo weilt und Herr Metzger seinem Handwerk nachgeht, produzieren die Parteien Erklärungen.
Sagt doch der Herr Jüttner von einer Anti-Armutskommission der SPD: Kinderarbeit darf in Deutschland nicht tabuisiert werden. Genau, darunter leiden die Kinder. Wenn die erst mal raus aus dem Tabu sind, also öffentlich, vielleicht könnte der Innenminister sie namentlich auflisten, ins Internet stellen, das würden den Kindern wahrscheinlich Beine machen, endlich eine Arbeit anzunehmen. Jedenfalls denkt das die CDU, die in einem zehnseitigen Papier zur Kinderarmut eine Kombination von Einkommen aus Arbeit und staatlicher Hilfe empfiehlt, weil das »gerechter als Arbeitslosigkeit und die vollständige Abhängigkeit von staatlicher Transferleistung« sei. So muss es sein ohne Tabu, aber gerecht! Und während die SPD, im Zusammenhang mit der Kinderarmut, noch von einer »nationalen Kraftanstrengung« spricht, weiß die CDU: »Deutschland braucht starke Kinder, die ihren Platz in der Gesellschaft finden«.
Wenn man diese großartigen Vorschläge und Forderungen kombiniert, dann kann das nur bedeuten, endlich Bettlerschulen einzuführen. Oder, um es mit den Parteien zu sagen: Wir brauchen ein nationales Bettler-Bildungsprogramm mit einem Kinderplatz-Suchprogramm! Wenn man heute in die Einkaufszentren geht, sieht man dort immer wieder Kinder herumlungern. Man könnte denken, die wärmen sich nur auf. Falsch. Die machen sich dort Konsumgedanken. Obwohl sie keinen Cent in der Tasche haben, träumen sie von Computerspielen, Cross-Rädern oder Designer-Jeans. Ihnen ist also gar nicht klar, dass von Nichts nichts kommt. Ein klassischer Unterschichten-Erziehungsfehler, der dringend der pädagogischen Korrektur bedarf.
Im Straßenbild deutscher Städte fällt auf, dass erschreckend wenig Kinder betteln gehen. Zwar sieht man hie und da drei- oder vierjährige auf dem Arm von Müttern aus irgendwelchen balkanischen Ländern. Auch jüngere Punks, nicht selten sind die Halbwüchsigen mit einem Hund ausgerüstet, lümmeln sich manchmal, auf Isomatten bequem dahingestreckt, vor einschlägigen Supermärkten. Aber wo ist das Gros der mehr als zwei Millionen armen Kinder? Sie gammeln faul zu Hause vor dem Fernseher, statt zu betteln. Sie treiben sich in den Jugendtreffs genannten städtischen Wärmestuben herum. Nicht wenige gehen sogar noch zu ganz normalen Schulen und nehmen den Mittel- und Oberschichtkindern den ohnehin knappen Bildungsraum weg. Damit muss Schluss sein.
Schon in der Vorschule sollte die Selektion beginnen: Kinder von Harz-IV-Empfängern werden sofort in die "Get-a-Cent-Seminare" umgeleitet. Auf nicht genutzten Sportplätzen oder stillgelegten Autobahnstrecken, um eine professionelle Open-Air-Situation zu schaffen, werden die heranwachsenden Bettler in ihr künftiges Businness eingeführt. Im Grundfach »Demutshaltung« lernen die Kleinen grundsätzlich den Blick zu senken und eine leichte, aber elegante Krümmung der oberen Rückenpartie. In der obligaten »Einführung in die Anbettelei« werden dann Formeln wie »Haben sie Mitleid mit eine Hartz-IV-Göre« oder »Ein Cent für Brot, lieber Herr, nur ein Cent« in der richtigen Betonung geübt. Zu starkes Flehen oder Leiern ist natürlich zu vermeiden. Merke: Angebettelt werden muss eine Lust, darf keine Last sein, wenn sie zum Erfolg führen soll.
In der nächsten Stufe werden dann die Schriftformen der Bettelei gelehrt. Handliche Zettel werden an die Kinder der Bettelstufe 1 ausgeteilt, auf denen dann der Kreativität keine Grenzen gesetzt werden sollten. Sprüche wie »Bin seit Geburt arbeitslos« oder »Kleine Spende für Merkel-Schaden« sollten allerdings vermieden werden. Rechtschreib- oder Grammatikfehler sind in Maßen willkommen, die jungen Bettler sollen nicht schreiben lernen sondern Betteln. Es reicht, wenn sie ihre Armut ordentlich darstellen können. Deshalb wird es auch das Fach »Schnorren will gekleidet sein« geben: Nicht zu zerlumpt auftreten, aber auch keine Designerklamotten aus der Altkleidersammlung tragen, das ist die Maxime. Die Bettel-Schulen sind hier um einen goldenen Mittelweg bemüht. In einer späteren Stufe werden dann die Spezialisten ausgebildet: Zitterer, Heuler und Kriecher, die unbedingt ihr Bettelschild im Mund tragen müssen, werden später ein Höchstmaß an Almosen erzielen können, wenn sie nur gut aufpassen. Es versteht sich, dass keiner die Schule mit Diplom verlassen wird, der nicht wenigsten zwei, drei Bettelssätze in Englisch sprechen kann. Schließlich ist Deutschland ein Exportland.
Schon nach drei Jahren endet die Bettelschule und das wirkliche, selbstverantwortliche Leben beginnt. Dem Jungbettler mit einer Ausbildung wird ein fester Platz, anfänglich vor den Supermärkten am Rand der Stadt, später in den Innenstädten zugewiesen. Jährliche Bettler-Wettbewerbe werden vom Privatfernsehen unter dem Titel »Deutschland sucht den Superbettler« ausgetragen und ein großes Sponsor wird den »Ackermann-Pokal« verleihen, dessen Inschrift »Wer die Peanuts nicht ehrt, ist die Milliarde nicht wert« allen Brüdern und Schwestern der Bettler-Zunft eine Mahnung sein sollte: In jedem Hut (Pappteller, Blechdose, usw.) steckt eine große Zukunft. Für wen auch immer.