Der Aufschwung kommt. Der Aufschwung ist eigentlich schon da. Aber natürlich nur dort, wo "wirtschaftliche Freiheit" vorhanden ist. Wer den Begriff der wirtschaftlichen Freiheit im Grundgesetz sucht, wird ihn nicht finden. Diese Sorte Freiheit hat die Friedrich Naumann-Stiftung, die staatsfinanzierte FDP-Stiftung zum Kampf gegen Staatsfinanzierung, mit einer aktuellen Studie freihändig erfunden. Den Aufschwung wiederum haben die besonders freien Demokraten nicht erfunden, der steht in jeder Zeitung, der wird vom Fernsehen mitgeteilt und sitzt in den Mundhöhlen von Politikern, jederzeit bereit das gläubige Publikum damit zu beatmen. Denn der Aufschwung, das weiß doch jedes Kind, kommt uns allen zugute.
Tatsächlich wird mehr produziert, mehr umgesetzt, mehr investiert. Die boomende Exportwirtschaft braucht neue und bessere Maschinen, um die gewachsenen Umsätze zu bewältigen, nach fünf mageren Jahren waren Ersatzinvestitionen in fast allen Bereichen der Wirtschaft dringend fällig und natürlich sind auch Rationalisierungsinvestitionen aufschwingende Investitionen. Sogar gearbeitet wurde mehr: Im wesentlichen wurde der Arbeitstag vorhandener Belegschaften ausgedehnt und bisher gering Beschäftigte durften, immer schön nach Bedarf, ein wenig mehr arbeiten. Was auch immer der gute Onkel von der Bundesagentur für Arbeit sagen mag: Rund 1,2 Millionen Beschäftigte verdienen so erbärmlich wenig, dass sie Hartz IV in Abspruch nehmen müssen, trotz Aufschwung sinken die realen Löhne und die 58er-Reglung zaubert 500 000 echte Arbeitslose einfach aus der Statistik heraus, das ist der Aufschwung auf dem Arbeitsmarkt.
Wirtschaftliche Freiheit sieht die FDP-Stiftung in ihrem schönen Vergleich der Bundesländer immer dort, wo die "Menschen wirtschaftlich frei handeln können". Wir haben es geahnt: Dieser Freiheit steht die Umverteilung des Staates im Wege. Wo immer ein hoher "Staatskonsum" vorherrscht, da geht die Freiheit, glaubt man der Studie, zu Boden. Na klar, wenn der Staat alles wegkonsumiert, bleibt dem Bürger nichts und dann kann ja von Freiheit nicht die Rede sein. Und was konsumiert der Staat? Steuern, sagt der Bürger und auch die FDP, Steuern mag keiner. Was der Staat mit den Steuern macht, dass die Staatsausgaben in Straßen, Schulen und Krankenhäuser oder Museen fließen, das interessiert die FDP nicht. Schließlich geht es um Freiheit, das ist ein hohes Gut.
Die Rebellen der Freiheit von der Naumann-Stiftung legen noch eins drauf, wenn sie feststellen, dass ein hohes Sozialhilfeniveau eine Beeinträchtigung des freien Arbeitsmarktes bedeutet. Deshalb "gründet die freiheitliche Führungsrolle Bayerns auch in geringen Sozialleistungen". In einem Bundesland, in dem gar keine Sozialhilfe gezahlt werden würde, müsste die Freiheit grenzenlos sein. Und deshalb schiebt die Stiftung auch noch nach: Wer Sozialversichert ist, der unterliegt einem Zwang. Nur so kann es sein: Wer einzahlt ist unfrei und wer aus den Sozialkassen bekommt, der unterstützt diese staatliche Unterdrückung.
Mit der Studie der Naumann-Stiftung in der Hand wird auch dem ungläubigen Bürger der Aufschwung plausibel, es handelt sich um einen Aufschwung der Freiheit: Geringere Löhne bei gestiegenen Umsätzen sind Ergebnisse privater Umverteilung, der Staat hält sich da raus und sichert über sein Nichtstuen ein gutes Stück Freiheit. Auch die Senkung der Unternehmenssteuern, also der Rückzug des Staats aus der Verteilung hat, in diesem Fall aktiv, zu mehr Freiheit beigetragen. Noch subventioniert der Staat mit Hartz IV mehr als eine Million Beschäftigte nur weil die nicht von Ihrem Lohn leben können und verurteilt die armen Menschen so zu einer Zwangsmaßnahme. So gesehen ist jeder weitere Bettler ein Bote des Aufschwungs und wer einen von ihnen in den nächsten Tagen sieht, der sollte ihm kein Geld in die Hand drücken sondern ihn beglückwünschen. Als Symbol einer Freiheit, die sich immer mehr Deutsche leisten.