Das ist die total gute Nachricht: Ein Berliner Designer hat die "Hartz IV-Wohnung" entworfen. Und für nur 24 Euro steht demnächst mitten in der Sozial-Bettler-Wohnung der Hartz IV-Sessel, aus einem einzigen Kiefernbrett getischlert. Endlich sind die Almosenempfänger mitten im Trend angekommen, es gibt Designermöbel für Dauerarbeitslose. Wo sind die Gedichte, eigens für die Römisch-Dekadenten? Wann kommt die Oper nur für Handaufhalter? Die komplette Kulturindustrie hat ein neues Marketing-Feld. Der Arbeitslose ist eine feste Größe in der Gesellschaft geworden, wenn nicht gar der Trendsetter einer neuen, grandiosen Bescheidenheit. Gegen diesen Trend stemmt sich die Verteilerin von Arbeitsplätzchen, Ursula von der Leyen: "Der deutsche Arbeitsmarkt ist kerngesund", sagt sie und verkündet, dass es nun weniger als drei Millionen Arbeitslose in Deutschland gäbe.

Tatsächlich wird man im Dienst-Daimler nicht angebettelt. Würde die Arbeitsministerin mal S- oder U-Bahn fahren, dann könnte sie wissen, wie das wirkliche Leben aussieht: Erst kommt der mit der Gitarre, dann die völlig Verwahrloste, schließlich, der mit der Obdachlosenzeitung: Jede zweite Station einer, der seine erbärmliche Grundsicherung mit Betteln aufbessert. In den "besseren" Gegenden, sicher wohnt die Ministerin dort, steht selten einer vor dem Supermarkt und hält die Hand auf. Zum einen wird dort gern und schnell der Sicherheitsdienst gerufen, zum anderen weiß der erfahrene Bettler: Je besser das Viertel, um so weniger wird gegeben. Dort, wo die wohnen, die als nächste dran sein könnten, da gibt man mehr: Als Beschwörung gegen eine böse Zukunft.

Da steht sie nun auf der Pressekonferenz und erzählt den Quatsch von den Unter-Drei-Millionen-Arbeislosen und wird nicht rot, die von der Leyen. Würde man die Regeln und Maßstäbe, die 1970 gebräuchlich waren, bei der Arbeitslosenerfassung zugrunde legen, dann läge die wirkliche Zahl bei etwa neun Millionen. Aber inzwischen haben viele Regierungen, von Schröder bis Merkel, Hand an die Statistik gelegt, so dass wir in den nächsten Jahren auch mit der Null-Arbeitslosigkeit rechnen dürfen. Bei anhaltender Bettelei, versteht sich. Dank Drei-Wetter-Taft krümmt sich bei der Ministerin kein Haar, obwohl sie während der Pressekonferenz lügt, dass die Kronleuchter von der Decke fallen könnten.

Denn gute 1,2 Millionen Menschen suchen einen Job, finden sich aber nicht in der Statistik: Zum Beispiel jene, die in Fördermaßnahmen versteckt sind. Oder auch die, die über 58 Jahre alt sind. Da sagt sich die Arbeitslosenministerin: Die kriegen ohnehin nie wieder eine Arbeit. Warum sollen wir die in die Statistik tun? Diese kaltschnäuzige Haltung ist bei einer Regierung deren Herzenswunsch es ist, dass wir bald erst mit 67 in die Rente gehen, besonders pikant. Doch hier gilt der Spruch der Subsidaritäts-Gesellschaft: Wer später rentet ist länger arbeitslos. Auch die rund 4,2 Millionen, die zwar eine Arbeit haben, aber davon nicht leben können und deshalb auch auf Arbeitssuche sind, fehlen in der offiziellen Statistik. Und schon sind wir nicht mehr weit von den wirklichen neun Millionen entfernt.

Aber der Aufschwung, schreien die Schlagzeilen, freuen sich die Sprecher der Abendnachrichten, der Aufschwung ist doch da! Und wie: In 2010 ist "die Wirtschaft" um 3,6 Prozent gewachsen, im ersten Quartal 2011 lag das Bruttoinlandsprodukt sogar 4,9 Prozent höher als ein Jahr zuvor. Zwar schaffen Gehälter und Löhne mal gerade den Inflationsausgleich. Doch was solls, in Deutschland gibt es jetzt 400.000 Einkommensmillionäre. Das ist zwar im internationalen Ranking nur der fünfte Rang. In der Weltstatistik der Superreichen (100 Millionen Dollar) liegt das Land auf einem satten zweiten Platz hinter den USA. Und wenn Frau von der Leyen die soziale Lage weiter so nachhaltig gesundbetet, dann sind die Aussichten auf die Pole-Postion so schlecht nicht.

Es ist ein krankes System, wo man allein für den Preis des Hosenanzugs der Ministerin 100 Hartz IV-Sessel bekäme. Für deren Schuhchen könnte man problemlos 20 Hungerleider-Sitzmöbel kaufen und für den Friseurbesuch der Dame dürfte der Sozialempfänger immer noch fünf von den Kieferbrett-Dingern in seine 45-Quadratmeter Wohnung stellen können. Doch Trost naht: Die Zahl der Euro-Milliardäre in Deutschland ist im letzten Jahr von 99 auf 103 gestiegen. Wenn nur einer von denen um sein Vermögen erleichtert würde, dann könnte die ganze Republik mit Designer-Bettler-Möbeln versorgt werden. Dann wäre es doch sinnvoll, denen, die noch reguläre Arbeit haben, auch nur den Regelsatz der Grundsicherung zu geben. Wozu braucht man mehr?