Nun fährt er wieder ins Büro, der Mann mit dem Doppelpass, dem vatikanischen und dem deutschen. Lange Tage hat er in Bayern Strassen und Plätze bebetet. Aber zu einer wirklichen Attraktion, von der Qualität Brunos des Problembären, hat er es nicht gebracht. Im Gegenteil, obwohl man kein Fernsehgerät mehr anschalten und keine Zeitung mehr aufschlagen konnte, ohne dass einen der Papst daraus segnete, waren die Quoten schlecht: Die Marktanteile der Weihwasser-Sendungen lagen unter denen eines guten Fußballspiels und auch zu den Gottesdiensten kamen weniger als erwartet, die Veranstalter meldeten regelmäßig mehr Teilnehmer, als die Polizei mit Güte hatte zählen können.
Ganz anders die Resonanz in der Politik. Dass der katholische Stoiber zu den Ratzinger-Groupies zählen würde, war erwartet worden. Aber dass die Protestanten Köhler und Merkel sich so devot an den Papst drängelten, war doch ein wenig merkwürdig. Köhlers Heiliger-Vater-Anrede, in zehn Minuten auch mindestens zehn mal ausgestoßen, hatte ja noch eine gewisse Komik. Frau Merkels unsittliches Angebot an den Papst, sie wolle für einen christlichen Bezug in der europäischen Verfassung sorgen, war allerdings gar nicht mehr lustig, sondern schlicht verfassungswidrig: Unser Grundgesetz sieht die strikte Trennung von Staat und Kirche vor und auf dieses Gesetz ist die Dame vereidigt, oder sollte es doch das neue Testament gewesen sein?
Die Geschichte Europas gründet kulturell in der Antike. Die kannte viele Götter und viele Glaubenszentren, eine allein selig machende Kirche war Griechen, Römern und auch Ägyptern und Kathargern, die keinen kleinen Einfluss auf das damalige Europa hatten, völlig unbekannt. Das moderne Europa, die Herausbildung der heutigen Nationen, musste sogar im Widerstreit mit der Kirche geschaffen werden. In der Zurückdrängung des päpstlichen Machtanspruchs, in der Verneinung des Gottesgnadentums der Kaiser, Könige und Duodez-Fürsten entwickelten die Europäer die heutigen Verfassungsdemokratien. Aber der Merkel geht es nur um den Schein der Heiligkeit. Sie will zum einen ihre Stellung gegenüber den laizistischen Franzosen stärken und zum anderen einen guten Hebel für ihre antitürkische Politik in die Hand bekommen. So mag Politik in Kyritz an der Knatter funktionieren. In Europa verhindert man so die notwendige Stabilisierung der Gemeinschaft und reißt auch noch die Reste einer notwendigen Brücke zum Islam ab.
Neben der bekannten Religionsfolklore vermittelte Benedikt XVI. nachdrücklich seine Kritik an der Vernunft: Sie würde »überschätzt«, seit der Aufklärung hätten sich die Wissenschaftler immer wieder bemüht, Gott für überflüssig zu erklären. Aber vor allem in der Schöpfungsgeschichte sei Gott eben nicht wegzudenken. Damit stütze der Papst das Märchen vom »Intelligenten Design«, dem Kampfbegriff christlicher Fundamentalisten in den USA. Eine Gesellschaft ohne Gott begreift Ratzinger als unethisch und leugnet damit den Ethos, der in Verfassungen und Gesetzen, den Regeln menschlichen Lebens, steckt. Ein Besuch bei der »schwarzen Madonna« in Altötting rundete die Botschaft ab: Immerhin wirkt die Madonna Wunder, aufgeklärt wurde bisher keines davon.
Es gab ein heftiges Bemühen von Politik, Medien und Wirtschaft, den Papstbesuch als Programm fürs Gemüt zu inszenieren, denn wer in diesen Tagen seinen Kopf gebraucht, der hätte schon gerne einen Tätigkeitsnachweis der Regierung, wenn es um die Gesundheitsreform, die Renten oder um Hartz IV geht. Da kann Weihrauch in größeren Mengen durchaus zur Vernebelung führen, mögen sich manche gedacht haben. DDR-Kenner erinnerte manche Feinheit des Papstbesuches an die Jubel-Organisationen, wenn damals zum Beispiel Leonid Breshnew zu Besuch kam, gab es frei für die Träger von Winkelementen.
Ganze Betrieb in der Umgebung von Regensburg wurden geschlossen, 2000 Autos konnten bei BMW nicht produziert werden, allein schon der Autoteiler-Zulieferer VDO gab seinen 7000 Beschäftigten während der Papst-Show frei. Eine so nachlässige Arbeitsmoral gilt sonst als Standortgefährdung. Benedikt wird uns fehlen, er hatte gerade dieses tiefe emotionale Loch nach der Fußballweltmeisterschaft, das Grau eines Alltags ohne Fähnchen und Freizeit, überdeckt. Jetzt überlässt er uns wieder den gewöhnlichen Sorgen um ein Deutschland, dessen Außenpolitik hoch trabt, das aber in der Innenpolitik jede noch so kleine Hürde für die Alpen hält und erst mal eine Jause macht. Vielleicht sollten wir es doch einmal mit Beten versuchen.