Der Kapitalismus ist gut und weise. Ihm und seinem Hauptwerkzeug, dem Markt, verdanken wir höchste ökonomische Effizienz. Jene wirtschaftliche Grundlage also, ohne die Demokratie nicht denkbar wäre. Denn nur in einer gesunden Volkswirtschaft, in einer wohl habenden Gesellschaft, kann man sich die Zeit für Abstimmungsprozeduren, eine umfängliche Zahl politischer Funktionäre auf allen Ebenen und jene Transparenz leisten, die der notwendigen Kontrolle des Systems dienlich ist. An diesem großartigen Gebäude nagt der Zahn einer Verschwörung.

Wer die Verschwörer sind, der alte kommunistische Feind oder die vergleichsweise neuen Islamisten, oder jene gelbe Gefahr, die sich mit ihrer rasanten Hinwendung zum Profitprinzip vielleicht nur tarnt, ist bisher nicht bekannt. Aber dass die Gruppe existiert, dass sie im Dunkel der Anonymität handelt und allen verkündeten Prinzipien der westlichen, gelobten Welt zuwider handelt, kann niemand offenen Auges verneinen. Der Ort der Verschwörung allerdings, geografisch nicht bestimmbar, nur ökonomisch zu definieren, ist bekannt: Das Bankwesen.

Ausgerechnet im Zentrum des Systems, dort wo alle Fäden zusammenlaufen, die Verweigerung eines Kredits über die Existenz ganzer Länder entscheidet und die Finanzierungszusage über die Länge und Dauer von Kriegen, hat sich der Feind eingenistet. War es nicht so, in den vergangenen Zeiten, dass der Bankbeamte ein Beispiel nüchterner Seriosität war. Durfte man nicht über Jahrzehnte, ohne jede Blasphemie, sagen: Eine feste Bank ist unser Gott. Waren nicht Heller und Pfennig in den Bilanzen der Institute, die Maßstäbe für Ehrlichkeit, Vertrauen und den Glauben an eine unendliche Zukunft von Soll und Haben?

Irgendwann während der Regentschaft von Bush II begann es: Die eigentlich von Natur aus misstrauischen Banken überschütteten die Leute mit Krediten, als sei das Geld Konfetti. Tatsächlich ging es um eine Parade: Das Showlaufen der US-Konjunktur. Irgendjemand hatte den Wirtschaftstheoretiker Keynes absichtlich missverstanden und pumpte Geld in den Konsum und private Immobilien, statt in staatliche Investitionen. Dieser gepumpte Aufschwung endete an der Fähigkeit der Bankkunden, ihre Kredite zurück zu zahlen. Spätestens jetzt hätte man den Plan wittern müssen.

Als dann die ersten US-Hypothekenbanken in die Pleite rutschten und die kleine, eher unscheinbare Sächsische Landesbank mit dem Krisenreigen in Europa begann, die große, scheinbar mächtige englische Barclays Bank sich anstecken ließ, die West LB folgte und dann die Deutsche Industriebank, da konnte auch die Bayerische Landesbank nichtmehr widerstehen: Es begann die große Geldvernichtung, der Kopf konnte einem schwirren vor lauter Milliarden und Billionen. Das alles sollte zufällig, ungesteuert, spontan, einfach ein kleiner Fehler im System gewesen sein?

Während die US-Notenbank, in der klassischen Rolle der kriminellen Feuerwehr, dem bereits verbrannten Geld einfach weiteres hinterher warf, angeblich um es zu löschen, wollte die französische Societé General nicht abseits stehen: Sie ließ einen kleinen Angestellten am internationalen Wettbewerb im Geldweitwurf (Fenster auf, Scheine rausschaufeln) teilnehmen. Mit vergleichbar kleiner Münze, es sollen ein paar schäbige Millionen gewesen sein.

Erste Zweifel am Kapitalismus flackerten auf: Darf der das, wer kontrolliert das, wo kommt das Geld her und wo geht es hin. Die klugen Leute in den Wirtschaftsredaktionen, die sonst immer von den Selbstheilungskräften des Marktes redeten, gerieten ins Stottern, die morgendlichen Börsennachrichten glichen immer mehr dem Bauernfunk: Wachstum ist Witterungsabhängig, wir machen gerade eine stürmische Phase durch . . . Und keinem, nicht einem kam die böse Vermutung.

Aber jetzt tritt das Komplott in vollem Ausmaß ans Licht: Nahezu jeder Verlust wird vom Staat gedeckt, jede der insolventen Banken findet ihre Rettung im staatlichen Handeln. Hier mal eine Milliarde, dort ein paar, der Staat, jahrelang zum Rückzug aus der Wirtschaft gedrängt, tritt als Retter des privaten Handelns auf, gleich wie unsinnig es auch gewesen sein mochte. Das ist schleichender Sozialismus. Das ist die Unterwanderung der freien Marktwirtschaft durch die Agenten einer uns fremden Macht.

Natürlich hat der Prozess einer Transformation vom Guten zum Bösen erst begonnen. Doch es zeigen sich immer mehr Risse im einst so festen Bau privater Wirtschaft. Da bekommt ein finnischer Konzern jede Menge Staatsgeld, um es von Land zu Land zu tragen. Da macht ein Chef eines staatlichen Unternehmens, der Bundespost, mit Aktien in einer Situation Spekulationsgewinne, die er selbst inszeniert hat. Nichts und niemand ist vor den Umstürzlern mehr sicher. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis General Motors vom amerikanischen Staat übernommen und die Londoner Börse einem Kommissar unterstellt sein wird. Wir hätten gewarnt sein sollen, damals, als uns der Chef der Deutschen Bank gleich zwei Stinkefinger zeigte.

Der Kopf der deutschen Sektion "Weg mit dem Markt" könnte ein gewisser Zumwinkel sein. Er und eine Reihe seiner Guerillas sollen Steuern in beträchtlicher Höhe hinterzogen haben. Was in der Öffentlichkeit als Handlung gegen den Staat verkauft wird, ist natürlich eine Meisterstück der Markt-Rebellen. Sie entziehen dieses Geld dem deutschen Finanzminister der, das weiß wirklich jeder, die Milliarden doch nur zur Steuersenkung oder zur Subvention angeschlagener Banken benutzen würde. Kanzler Merkel wertet die Aktion als einen "Einzelfall". Wo steht geschrieben, dass ein Kanzler zählen können muss.