Treu und herzig schaut er aus dem Januar-Titelbild der Kundenzeitung einer Drogeriemarkt-Kette, Joachim Gauck, der im jüngsten Buch von Thomas Wagner "Demokratie als Mogelpackung" als typischer Populist analysiert wird und offenkundig seinen Wahlkampf zum Amt des Bundespräsidenten nicht aufgegeben hat. Als "sanften Weg in den Bonapartismus" charakterisiert Wagner in seinem Buch den immer häufiger geäußerten Wunsch nach Direktwahlen des Bundespräsidenten oder auch des Kanzlers, als eine scheindemokratische Forderung zur Aushebelung der Parlamente und anderer Verfassungsorgane, die vorgeblich nur den Volkswillen artikuliert und viele Freunde in vielen Parteien gefunden hat.

Und wer sich erinnert, wie heftig eine Fronde vom "Spiegel" über die Bildzeitung ("Yes, we Gauck") bis zur "Zeit" den "Präsidenten der Herzen" ins Amt brüllen wollte, wie intensiv die Umfragen damals nach einer Direktwahl verlangten, der weiß, wie sehr ein vorgeblicher Volkswille hergestellt werden kann. Denn, so Thomas Wagner, die geforderten Direktwahlen kommen natürlich, wie die unbedingten Volksabstimmungen auch, als das Nonplusultra der Demokratie daher, sind aber nicht selten nur Mediendemokratur, hergestellt in ein paar Hinterzimmern großer Verlage oder Sender. Wer das nicht glaubt, der muss sich nur eine Volksabstimmung über die Todesstrafe kurz nach einem Mord an einem Kind vorstellen.

Thomas Wagner deckt in seinem Buch auf, wie sehr plebiszitäre Elemente (wie die Volksabstimmung zur Hamburger Schulreform) von der NPD beklatscht werden und dass im Parteiprogramm der NPD die Forderung nach der Direktwahl des Bundespräsidenten verankert ist, weil mit dieser Direktwahl "die deutsche Politik aus dem Würgegriff der Blockparteien" befreit werden würde. In dieser NPD-Nähe bewegen sich solche Protagonisten, schreibt Wagner, wie der TV-Philosoph Sloterdijk, der vorgibt, eine Art direkter Steuerdemokratie auszurufen wenn er den Wohlhabenden die Einkommenssteuern erlassen will. Auch Herrn Sarrazin schildert Wagner als eine solche Figur, die an den direkten Bürgerwillen appelliert, um eine völkische Stimmung gegen Migranten loszutreten.

Den Vielen, die im "berechtigten Zorn über demokratische Defizite" direktere Zugriffe auf politische Entwicklung verlangen, hält der Autor entgegen, dass die gewünschten Volksabstimmungen häufig nur die zufällige, momentane Sammlung von individuellen Interessen ist, deren politischer Gehalt als eher fragwürdig gelten darf. Und wenn er dann die Namen jener aufführt, die scheinbar dem Volkswillen Bahn brechen wollen - vom Lobbyisten Olaf Henkel, über den rechten Parteienkritiker Herbert von Arnim, bis zum "Ruck"-Bundespräsidenten Roman Herzog - wird wunderbar klar, wie rechte Eliten den Volkswillen interpretieren: Als den IHREN. Dass der Dauerwahlkämpfer Gauck auch zu denen gehört, die auf der nächsten Volks-Welle in ein Amt surfen wollen, wird in diesen Tagen der Selbstdemontage eines Bundespräsidenten mehr als deutlich.