"A. ist jetzt tot." Mit diesem Satz beschwert Barbara Honigmann die Enden vieler Kapitel in ihrem Buch, das "Bilder von A." zeigen soll und sich als Roman einer Liebe ausgibt. Nach wenigen Seiten wird dem Leser deutlich, dass es sich bei A. um Adolf Dresen handelt, den großen Theaterregisseur, der einst vom Osten in den Westen wanderte, als das noch Bedeutung hatte, und der vor zehn Jahren starb. Folgt man der Autorin, dann währte eine Form von Liebe der beiden, längst von der engen Bindung in ein grobmaschiges Netz von liebenswerten Botschaften gewandelt, fast bis zum Tod des Regisseurs: "Nach 26 Jahren und neun Monaten beendete ich unsere Korrespondenz" notiert Honigmann penibel, und was bei anderen Kapiteln wie eine Klage klang, das klingt beim letzten wie: "A. ist jetzt endlich tot."

Die Liebe begann in Ostberlin, in den 70er Jahren, rund um das Deutsche Theater, sie hatte ihren Anfang in einer Leichtigkeit, die nur vom neuen Preußen belastet wurde: Von einer DDR, die den Liebenden zu eng ist und deren Kritik das Paar in Kleists Auseinandersetzung mit seinem Preußen wiederfinden: "Dies Land ein Grabeshügel aus der See." Es wird ein Kleist-Projekt sein, das die beiden bis zum Ende begleitet, und es wird das Theater sein, dem sie lange ihre Hingabe widmen, Dresen ein ganzes Leben lang, Honigmann bis zu einer Aufführung der gemeinsam geplanten Kleist-Montage "Dichter in Preußen", die an der Zensur scheiterte. Wenn deren Inszenierung Jahre später im selben Theater, das nun in jenem Westen lag, der zwischenzeitlich überall sein Wesen trieb, aus "technischen" Gründen erneut zerplatzte, dann ist die Ironie zu greifen: "Als wir später in den Westen kamen . . . als wir uns dort gezwungen sahen, unsere Rollen einzunehmen und in dieser Komödie mitzuspielen, während wir das in der DDR noch dramatisch verweigert hatten . . ." schreibt die Autorin über den Wechsel in andere politische Verhältnisse.

Dresen begreift sich als ein "Fluchttier", als jemanden, der bindungsunfähig ist. Selbst in dem einen Jahr, in dem das Paar ihr "Verhältnis Liebe nannte", wird es kein gemeinsames Frühstück nach einer gemeinsamen Nacht geben. "A" hatte "diese Frau" und Honigmann hatte deren Namen "Gott sei Dank" nie erfahren. Der um Jahre ältere Mann war für die damals junge Frau auch ein Mentor, jemand, der sie beschützte und dessen Liebe sie zugleich als Leibeigenschaft empfand, gegen die sie sich lange nicht auflehnen konnte und wollte. Erst als sie für sich, das Kind von Emigranten, die sich bewusst für die DDR als Heimat entschieden hatten, ihre jüdische Herkunft neu entdeckt, beginnt ein Ablösungsprozess vom "Marxisten, Sozialisten, Antifaschisten, Atheisten" Adolf Dresen. Diesen Prozess macht die Autorin ihrer alten Liebe in einem so nie geführten Dialog, der zum Kernstück ihres Buches geworden ist.

Wo Dresen sagt, sie seien beide Menschen und Deutsche, ist Barbara Honigmann die jüdische Herkunft "kulturell und ethnisch" wichtiger als dem Mann, der im Ethnischen auch den Rassismus wittert. Wo sie beharrt, dem "jüdischen Volk" anzugehören, sieht er kein Volk, nur Religion, wo er das Jüdischsein als Flucht begreift, stellt sie eine gescheiterte Beziehung zwischen den Juden und den Deutschen fest. Der erfundene Dialog stützt sich natürlich auf Sätze aus Briefen, die es gab. Und er mündet in einer letzten Botschaft von ihm, in dem er, nach dem Ende der DDR, den Kampf gegen den Kapitalismus über die "jüdischen Sachen" stellt.

Während man dieser divergierenden Entwicklung ein wenig unentschlossen gefolgt sein mag - wer will schon angesichts einer alten Liebe Partei ergreifen - wacht man bei einem der Honigmann-Schlussätze heftig auf: "Und weil der Antikapitalismus nie sehr weit vom Antisemtismus entfernt ist . . ." schreibt sie im Streit mit Dresen. Der linke Reflex zwingt, an Marx zu erinnern, auch an Luxemburg oder Tucholsky, alles Leute, die als Juden aufwuchsen und fraglos Antikapitalisten waren. Doch noch klarer ist diese infame Bemerkung der Honigmann mit dem jungen Israel und seinen Kibuzim zurückzuweisen, die sehr bewusst Juden waren und ebenso antikapitalistisch. Aber das wird sie nicht hören wollen, die Frau, die unter dem dünnen Mantel eines Romans Teile ihrer Biografie ausbreitet, wortmächtig, literaturfähig, nur leider denunziatorisch, wenn sie Adolf Dresen, der sich nicht mehr wehren kann, einen Antisemiten nennt.